When the Light Breaks – Wenn das Licht zerbricht
- Walter Gasperi
- 3. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 7. Mai

Sehr kunstvoll und hochemotional: Der Isländer Rúnar Rúnarsson erzählt in seinem vierten Spielfilm von neuer Liebe, tiefer Trauer, Unsicherheit und aufkeimender Freundschaft. – Ein bewegendes Drama und ein filmischer Genuss.
Am Strand von Island fällt das sommerliche Abendlicht lang auf das Gesicht von Una (Elín Hall). Nur im Rücken erfasst sie die Kamera von Sophia Olsson, bis auch Diddy (Mikael Kaaber) ins Bild kommt, mit dem Una in einer Band spielt. Langsam weitet sich das Bild, wenn sie herumalbern, und Sympathie und erwachende Liebe spürbar werden.
Gemeinsam verbringen sie die Nacht, doch frühmorgens verlässt Diddy das Haus. Er will in seine Heimatstadt fliegen, um mit Klara (Katla Njálsdóttir), die seit Jugendtagen seine Freundin ist, Schluss zu machen.
Lange sieht man mit Blick nach oben nur gelbe Straßenlichter auf der schwarzen Leinwand, bis die Kamera langsam nach unten schwenkt und die nächtliche Straße sichtbar wird. Die Fahrt führt in einen Tunnel, indem plötzlich ein mächtiger Feuerball dem Auto entgegenbrandet.
Vom Glück in die Katastrophe führt so der Weg, doch Una und auch die Zuschauer:innen wissen noch nichts davon. Nur langsam gibt "When the Light Breaks" Informationen preis.
Noch besucht sie die Kunst-Uni, wo Performances geboten werden, bis langsam Nachrichten vom verheerenden Unglück im Tunnel durchsickern. Unsicherheit macht sich breit. Nur von Verletzten ist zunächst die Rede, dann auch von Toten, bis Gewissheit herrscht, dass auch Diddy unter den Opfern ist.
Während die ganze Nation unter Schock steht, die Flaggen auf Halbmast gesetzt werden, reist auch Diddys Noch-Freundin Klara an. Der öffentlichen Trauer steht die private gegenüber, wenn Klara, Una und weitere Freunde des Verstorbenen die Gedächtnisfeier besuchen. Von der berühmten Hallgrímskirkja ziehen sie weiter zu ihrer Stammbar und dann ins Haus eines Freundes, wo mit alten Fotos Erinnerungen geweckt werden. Doch wie soll Una mit der Situation umgehen, die gegenüber Klara ihre enge Beziehung zu Diddy verheimlichen muss.
Ruhig erzählt Rúnar Rúnarsson, in langen Einstellungen lässt er der Stille und den Bildern des sommerlichen Reykjavík viel Raum, doch dazwischen schleichen sich auch immer wieder mit Musik und beweglicher Handkamera aufgeladene Szenen hinein. Die Reduktion der Handlung auf 24 Stunden ist ein Kunstgriff und entbehrt jedem Realismus, denn die Ereignisse die geschildert werden, müssen sich realistisch betrachtet über mehrere Tage erstrecken.
Der isländische Regisseur, der schon 2019 in "Bergmál - Echo" höchst kunstvoll 59 voneinander unabhängige Momentaufnahmen zu einem Bild der Weihnachtszeit fügte, ist eben nicht nur am Erzählen einer Geschichte, sondern auch an einer sehr durchdachten Form interessiert.
So arbeitet er in "When the Light Breaks" mit Spiegelungen und Wiederholungen von Szenen. Die Auftaktszene an der abendlichen Küste wird so gegen Ende ebenso eine Entsprechung finden, wie die Straßenlichter und der Feuerball des Unfalls sich in den Reflexionen der Abendsonne auf dem Meer und dem Untergang der glutroten Sonne wiederaufgenommen werden. Wie Diddy und Una am Beginn im Bett liegen, werden gegen Ende auch zwei andere Personen im Bett liegen und bei einer Spiegelung werden Gesichter zur Deckung gebracht.
So kunstvoll das aber auch gemacht ist, so wirkt es dennoch nie aufgesetzt und prätentiös, sondern ergibt sich ganz organisch aus der Geschichte. Über diese Spiegelungen und Wiederholungen wird so poetisch von Liebe und neuer Freundschaft erzählt – und zwischen den Polen steht der tiefe Schmerz, den der Tod Diddys im Leben seiner Freunde ausgelöst hat. Doch über den Schmerz und die Trauer hilft schließlich eine neue Beziehung hinweg, in der man sich gegenseitig Trost spendet und neuen Lebensmut fasst.
Dass die kühl-überlegte Konstruktion "When the Light Breaks" seine emotionale Kraft nicht nimmt, sondern sie sogar noch steigert, liegt wesentlich auch an der Hauptdarstellerin Elín Hall. Intensiv vermittelt die androgyne isländische Musikerin und Schauspielerin die wechselnden Gefühle von Liebesglück zu tiefem Schmerz, von Verdrängung der Emotionen nach außen hin bis zu Eifersucht auf Diddys Noch-Freundin und langsamer Wiederkehr der Gefasstheit.
Gleichzeitig pendelt dieses bewegende Drama in seiner Kreisbewegung aber nicht nur zwischen Glück und Trauer, sondern löst auch die Geschlechteridentitäten auf, lässt sie schließlich fluid und durchlässig erscheinen.
When the Light Breaks – Wenn das Licht zerbricht
Island / Niederlande / Kroatien / Frankreich 2024
Regie: Rúnar Rúnarsson
mit: Elín Hall, Katla Njálsdóttir, Mikael Kaaber, Ágúst Wigum, Gunnar Hrafn Kristjánsson
Länge: 82 min.
Läuft jetzt in den österreichischen und deutschen Kinos.
Trailer zu "When the Light Breaks - Wenn das Licht zerbricht"
Comentarios