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Was uns verbindet - L´attachement

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • 22. Aug.
  • 3 Min. Lesezeit
"Was uns verbindet - L´attachement": Glänzend besetztes, feinfühliges Drama
"Was uns verbindet - L´attachement": Glänzend besetztes, feinfühliges Drama

Carine Tardieu erzählt feinfühlig von Trauer und Verlust ebenso wie von Neubeginn und dem Hineinwachsen in eine Rolle, die man nie als die seine ansah: Ein von einem glänzenden Ensemble getragenes, warmherziges Drama, das die dunklen Seiten des Lebens nicht ausspart, aber dennoch stets Leichtigkeit und Optimismus ausstrahlt.


Die Mittfünfzigerin Sandra (Valeria Bruni Tedeschi) ist eine überzeugte Single-Frau und führt mit Leidenschaft eine feministische Buchhandlung. Wenig erfreut ist sie, als ihr ihr Nachbar Alex (Pio Marmai) den sechsjährigen Elliott (César Botti) zur Aufsicht übergibt, da bei seiner hochschwangeren Frau Cécile die Wehen einsetzen und er sie ins Krankenhaus bringen muss.


Wenn Alex am Abend mit Tränen in den Augen zurückkehrt, ist aber nichts mehr wie zuvor: Cécile ist nämlich bei der Geburt gestorben und er steht nun mit Elliott, der sein Stiefsohn ist, und der frisch geborenen Tochter Lucille allein da.


Sandra, die schon dadurch, dass sie praktisch in jeder Szene eine Zigarette raucht, quer zu heutigen Filmfiguren steht, wird nun als Nachbarin vermehrt in die Familie einbezogen. Sie übernimmt Aufgaben als Babysitterin und entwickelt zunehmend Gefühle für den sie mit Fragen löchernden Elliott. Gleichzeitig fühlt sich aber auch Elliott zu ihr als Ersatzmutter hingezogen, während sich nun auch sein bislang abwesender leiblicher Vater vermehrt um seinen Sohn kümmern will.


Carine Tardieu, die zuletzt mit "Les jeunes amants" ("Im Herzen jung", 2022) Fanny Ardant eine große Altersrolle verschaffte, weitet in ihrer freien Verfilmung von Alice Ferneys Roman "L´intimité" sukzessive das Netz der Beziehungen. Vermitteln zunächst auch Groß- und Detailaufnahmen die Nähe zu den Figuren und liegt der Fokus ganz auf Sandra, Alex und Elliott, so kommen am Rande, aber doch prägnant bald auch die Mutter der Verstorbenen, Elliotts leiblicher Vater oder Sandras Mutter, die das konservative Frauenbild ihrer Generation schildert, ins Spiel.


Geschickt arbeitet die 52-jährige Französin auch mit mehreren Hauptpersonen und legt sich nicht auf eine klare Perspektive fest. Denn da strukturieren einerseits Inserts zum wachsenden Alter der neugeborenen Lucille den Film über zwei Jahre, andererseits geht es um die Trauer von Alex, deren Überwindung Zeit benötigt.


Dazu kommen aber auch die Zerrissenheit von Elliott zwischen Alex und seinem leiblichen Vater sowie seine Eifersucht auf seine kleine Schwester, und schließlich die Entwicklung Sandras, die zunehmend Gefallen am Kontakt und Spiel mit den Kindern findet, sich dabei aber einer fixen Mutterrolle konsequent verweigert.


Mit viel Fingerspitzengefühl ist das inszeniert und wirkt trotz der Fülle nie überladen, sondern besticht durch die Vielschichtigkeit, mit der beiläufig, aber prägnant unterschiedliche Beziehungsfelder und Rollen ausgeleuchtet werden. Mittels der Zeitinserts wird die Handlung auch dicht und mit stets neuen Wendungen vorangetrieben.


Trotz der ernsten Themen bewahrt "Was uns verbindet – L´attachement" dabei stets Leichtigkeit. Wesentlich zu diesem lebensbejahenden und optimistischen Grundton tragen einerseits Tardieus empathischer Blick auf ihre Protagonist:innen, andererseits aber auch die zahlreichen Songs bei, die dem unaufgeregten Drama unterlegt sind.


Neben der konzentrierten Inszenierung, die sich ganz auf das Beziehungs- und Gefühlsgefüge konzentriert, den Alltag abgesehen von Sandras Buchhandlung aber weitgehend ausspart, wird so ein Film aber immer auch von seinen Schauspieler:innen getragen. Nah dran ist hier die Kamera von Elin Kirschfink und Yann Maritaud immer an den Figuren, nur wenige Totalen betten die Handlung in ein städtisches Umfeld ein.


Beeindruckend zurückhaltend und mit viel Wärme verkörpert Valeria Bruni Tedeschi, die sonst oft überdrehte und neurotische Frauenfiguren spielt, Sandra als selbstbestimmte Frau, die zunehmend tiefere Gefühle für die Kinder Elliott und Lucille entwickelt. Stark ist aber auch Pio Marmai als Alex, der über den Tod seiner Frau hinwegkommen muss, sowie César Botti als Elliott.


Aber auch Nebenfiguren wie die Mutter der Verstorbenen (Catherine Mouchet) oder Elliotts leiblicher Vater (Raphaël Quenard) gewinnen hier Profil und tragen zum emotionalen Reichtum und zur Tiefe von Carine Tardieus fünftem Spielfilm entscheidend bei.

 

 

Was uns verbindet – L´attachement

Frankreich / Belgien 2024

Regie: Carine Tardieu

mit: Valeria Bruni Tedeschi, Pio Marmai, Vimala Pons, Raphaël Quenard, César Botti

Länge: 106 min.



Läuft jetzt in den Kinos, z.B. im Cinema Dornbirn und im Kinok St. Gallen. Filmforum Bregenz im Parktheater Lindau: Do 11.9., 19.30 Uhr



Trailer zu "Was uns verbindet - L´attachement"

 

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