Die am 19. Januar 1921 in Fort Worth, Texas geborene Patricia Highsmith gilt als Meisterin des raffinierten Kriminalromans. Im Mittelpunkt ihrer Romane stehen aber nicht die Ermittlungen von Polizei oder Detektiv, sondern die Täter. Das Filmpodium Zürich zeigt bis Mitte September anlässlich des 100. Geburtstags der 1995 in Locarno verstorbenen Schriftstellerin 17 Verfilmungen ihrer Romane.
Schon mit acht Jahren soll in Patricia Highsmith das Interesse am Abgründigen mit der Lektüre des Sachbuchs "The Human Mind" geweckt worden sein. Die realen Geschichten über Kleptomanen, Pyromanen und Serienmörder, die Karl A. Menninger darin erzählt, faszinierten das frühreife Mädchen nicht nur, sondern befeuerten auch den Verdacht, dass sich auch in ihrer unmittelbaren Umgebung hinter scheinbar ganz harmlosen Menschen solche Abgründe verbergen.
Nach einem Studium in Englischer Literaturwissenschaft und Latein am New Yorker Barnard College, das nur Frauen offenstand, arbeitete Highsmith zunächst in diversen Jobs, unter anderem als Verkäuferin in einer Spielzeugabteilung. Inspiration war die dortige Begegnung mit einer Frau in Pelzmantel für ihren lesbischen Liebesroman "The Price of Salt", der 1952 unter dem Pseudonym Claire Morgan und erst 1990 unter dem Titel "Carol" unter ihrem eigenen Namen veröffentlicht wurde.
Meisterhaft verfilmt hat Todd Haynes diesen Roman 2015, doch auch der Karrierestart von Highsmith ist mit einer Verfilmung verknüpft. Nach Kurzgeschichten, Gedichten und einem ersten unvollendeten Roman, entdeckte nämlich Alfred Hitchcock ihren ersten 1950 erschienenen Roman "Strangers on a Train" und kaufte die Filmrechte.
Raymond Chandler sollte das Drehbuch schreiben, doch dieser konnte mit dem Roman nichts anfangen, sodass schließlich Czenzi Ormonde und Barbara Keon nach Hitchcocks Vorgaben die Vorlage bearbeiteten. Einen Hitchcock-Stoff par excellence lieferte Highsmith hier mit dem psychisch kranken Bruno, der einem berühmten Tennisspieler, dem er zufällig im Zug begegnet, den vermeintlich perfekten Mord vorschlägt. Während nämlich der Tennisspieler Brunos verhassten Vater ermorden soll, will Bruno dafür die Frau des Tennisspielers, die eine Scheidung ablehnt, töten.
Wie in Highsmiths Jugendlektüre "The Human Mind" spielt sie auch hier mit den Abgründen unter der Oberfläche, macht deutlich, dass leicht auch im rechtschaffenen Tennisspieler Mordgelüste durchbrechen könnten und er quasi nur eine andere Facette des kranken Bruno ist. Gleichzeitig finden sich mit der Schuldübertragung und einem Unschuldigen, der in Mordverdacht gerät, klassische Hitchcock-Themen.
Die Einkünfte aus "Strangers on a Train" und "The Price of Salt", von dessen Taschenbuchausgabe fast eine Million Exemplare verkauft wurden, ermöglichten Highsmith ausgedehnte Reisen vor allem nach Europa, die sie zu Recherchen für neue Romane nutzte. In Italien spielt so "The Talented Mr. Ripley", in dem der amoralische Tom Ripley einen reichen Amerikaner ermordet und dessen Identität annimmt, um mit dessen Geld ein sorgenfreies Leben zu führen.
Schon fünf Jahre nach Erscheinen verfilmte René Clement diese Geschichte mit Alain Delon in der Hauptrolle unter dem Titel "Plein soleil" ("Nur die Sonne war Zeuge", 1960). Knapp 40 Jahre später drehte Anthony Minghella mit Matt Damon als Ripley und zahlreichen weiteren Stars wie Gwyneth Paltrow, Jude Law, Cate Blanchett und Philip Seymour Hofman unter dem originalen Titel "The Talented Mr. Ripley" ein Remake.
Vier weitere Romane um diesen Kriminellen, der keine Gewissenbisse kennt und für den der Zweck die Mittel heiligt, folgten ab 1970 mit "Ripley Under Ground", Ripley´s Game", "The Boy Who Followed Ripley" und "Ripley Under Water". Auch hier blieben Verfilmungen nicht aus, herausragend ist dabei Wim Wenders´ Adaption von "Ripley´s Game" unter dem Titel "Der amerikanische Freund" (1977), in dem Ripley einen Todkranken gegen hohes Honorar zu zwei Morden überredet. Meisterhaft fließen dabei in dem in Hamburg spielenden Krimi Neuer deutscher Film und Elemente des amerikanischen Genrekinos ineinander. Liliana Cavani verlegte dagegen in ihrem Remake ("Repley´s Game", 2002), in dem John Malkovich als Tom Ripley brilliert, die Handlung nach Italien.
Doch nicht nur die Ripley-Romane wurden verfilmt. So verlegte Claude Chabrol Highsmiths 1962 erschienenen "The Cry of the Owl", in dem ein junger Mann in Mordverdacht gerät, 1987 in "Le cri du hibou" von einer amerikanischen Kleinstadt ins französische Vichy, während Hans Werner Geissendörfer die Handlung von "Ediths Tagebuch" (1983) von den USA nach Berlin verlegte und die Erzählzeit von rund 30 auf fünf Jahre verkürzte. Während das psychologische Kammerspiel bei Publikum und Kritik weitgehend durchfiel, war Geissendörfer fünf Jahre zuvor mit "Die gläserne Zelle" (1977), in dem ein Haftentlassener den wahren Schuldigen zu finden versucht, eine immerhin mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnete und für den Oscar nominierte Literaturverfilmung gelungen.
Bis zu Hossein Aminis Verfilmung von "The Two Faces of January" (2014), in dem sich zwischen einem reichen amerikanischen Ehepaar und einem jungen Landsmann während eines Griechenlandaufenthalts eine Dreiecksgeschichte entwickelt, fördern so die unterschiedlichen Adaptionen die zentralen und wiederkehrenden Themen im Schaffen Patricia Highsmiths zu Tage. Nicht nur das Interesse für Verbrechen und die Fokussierung auf den Tätern zieht sich durch ihre Romane und die Verfilmungen von "Strangers on a Train" bis "The Two Faces of January", sondern auch Männerfreundschaften mit durchaus homoerotischen Untertönen, Identitätsfragen und Identitätswechsel. Ganz dem Titel von Aminis Film entsprechend, erweisen sich die Protagonisten dabei immer wieder als janusköpfig, doch die am 4. Februar 1995 in Locarno verstorbene Amerikanerin moralisiert dabei nie, sondern bleibt immer kühle und nüchterne Beobachterin.
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