Pawo Choyning Dorji erzählt mit sanftem Witz von Modernisierung und demokratischem Aufbruch im Himalaja-Staat Bhutan: Ein bildschöner Film, der mit seiner unaufgeregten Erzählweise die Zufriedenheit und Gelassenheit der Bhutaner auf das Kinopublikum überträgt.
In großartigen Bildern erzählte Pawo Choyning Dorji vor zwei Jahren in "Lunana – A Yak in the Classroom" anhand der Versetzung eines Lehrers aus der Stadt in ein Himalaya-Dorf beeindruckend vom Aufeinandertreffen von Tradition und Moderne und der langsamen Wandlung des Lehrers in dem abgeschiedenen Bergdorf.
In seinem neuen Film nimmt Dorji die Öffnung gegenüber dem Westen und modernen Errungenschaften Bhutans im Jahr 2006 zum Ausgangspunkt. Nicht ganz den historischen Tatsachen entspricht zwar, dass Fernsehen und Internet erst in diesem Jahr Einzug im kleinen, zwischen den Großmächten China und Indien gelegenen Himalaya-Staat hielten, wurden diese Medien doch schon kurz vor der Jahrtausendwende eingeführt, wohl aber setzte 2006 ein Demokratisierungsprozess ein.
König Jigme Singye Wangchuck, der 1972 nach dem Tod seines Vaters als 16-Jähriger den Thron bestiegen hatte, hatte zwar lange ein Verbot von Parteien und Gewerkschaften aufrecht gehalten und sich gegen die Einführung demokratischer Reformen gewehrt, rief nun aber Parlamentswahlen aus. Im Staat, in dem das Bruttonationalglück über das Bruttonationaleinkommen gestellt wird, sollte der Weg zu einer parlamentarischen Monarchie nach englischem Vorbild ermöglicht werden. Der 51-jährige Monarch selbst kündigte seinen Rücktritt an und übergab schließlich am 9. Dezember 2006 die Herrschaft an seinen damals 26-jährigen Sohn Jigme Khesar Namgyel Wangchuck.
Die Bevölkerung, der jede Erfahrung mit Wahlen und Demokratie fehlt, soll aber vorerst mit Testwahlen auf die echte Wahl vorbereitet werden. So kommt eine Wahlleiterin aus der Stadt in ein Bergdorf, um diese demokratiepolitische Schulung durchzuführen. Gleichzeitig bittet aber auch ein Lama seinen Musterschüler, ihm zwei Gewehre zu besorgen, die er unbedingt beim nächsten Vollmond in vier Tagen brauche und drittens gibt es da auch noch einen Amerikaner, der mit einem einheimischen Reiseführer auf der Suche nach einem alten Gewehr ist, das er kaufen und in die USA mitnehmen möchte.
Zudem sorgen die anstehenden Wahlen für innerfamiliäre Spannungen im Bergdorf. Denn während ein Wahlhelfer sich für den progressiven Kandidaten einsetzt, ist dessen Schwiegermutter für die konservative Partei und sieht sich im Urteil bestätigt, dass ihr Schwiegersohn ein Nichtsnutz ist. Aber auch für die Tochter des Wahlhelfers hat dessen politisches Engagement negative Auswirkungen, wird sie doch deswegen in der Schule gemobbt.
Stirnrunzeln kann diese satirische Kritik an einem demokratischen Mehrparteiensystem hervorrufen, doch davon abgesehen bietet Dorjis zweiter Spielfilm ein herrlich verschmitztes und bildschönes Kinoerlebnis. In Parallelmontage entwickelt der 40-jährige Bhutaner die vier Erzählstränge, die erst am Ende zusammengeführt werden.
Leichthändig wechselt Dorji in seinem Ensemblefilm immer wieder zwischen den Protagonist:innen und Schauplätzen. Großartig stellt so Kameramann Jigme Tenzing den prächtigen Landschaftstotalen, die am Beginn mit leuchtend gelbem Weizenfeld haptische Qualität entwickeln und mit tiefgesetzter Kamera den weiten Himmel betonen, die laute und verkehrsreiche Stadt gegenüber, in der der Reiseführer den Amerikaner empfängt. Prägnant steht auch dem klapprigen roten Kleinwagen, mit dem dieses Duo unterwegs ist, das neue weiße SUV gegenüber, mit dem die Wahlleiterin mit ihrem Helfer durchs Land fährt.
Voll Wärme und mit sanftem Witz schildert Dorji die Probleme, zu denen die Modernisierung und Demokratisierung führen. Das reicht von der Schwierigkeit der Registrierung der Wahlberechtigten, da sie ihr Geburtsdatum nicht wissen, bis zu einem Ergebnis bei den Testwahlen, das an diktatorische Regime erinnert, sich aber aus der Verehrung für den König erklären lässt.
Aber auch der Einzug des Fernsehens führt zu Neid und Streitigkeiten im Dorf, entfesselt aber auch eine Begeisterung für James Bond, wenn alle im Dorfcafé um den Bildschirm sitzen und nicht nur gespannt die wilden Actionszenen verfolgen, sondern sich bald auch in diesem Staat, in dem es kaum Waffen gibt, ein AK 47 Sturmgewehr wünschen.
Sanfter Spott über die negativen Folgen der Modernisierung durchzieht so diese politische Satire, doch trotz der Fülle der Figuren und Handlungsstränge bleibt die Erzählweise immer unaufgeregt und entspannt, sodass sich die Gelassenheit und Zufriedenheit der Bhutanesen direkt auf das Kinopublikum überträgt.
Wenn Dorji dabei traditionellen Buddhismus und dessen Rituale und den Wahlkampf am Ende zusammenführt, dann plädiert er auch für eine Symbiose von Tradition und Moderne und erteilt schließlich auch gewaltsamer Konfliktlösung eine sanft formulierte, aber entschiedene Absage. – Der derzeit weltweiten Aufrüstung und den blutigen Konflikten wird dabei auch ein markantes und einprägsames Bild gegenüber gestellt, das für Vernichtung aller Waffen und friedliches Zusammenleben plädiert.
The Monk and the Gun – Was macht der Lama mit dem Gewehr Bhutan / Taiwan / Frankreich / USA / Hongkong 2023 Regie: Pawo Choyning Dorji mit: Tandin Wangchuk, Kelsang Choejey, Deki Lhamo, Pema Zangpo Sherpa, Tandin Sonam, Harry Einhorn, Choeying Jatsho, Yuphel Lhendup Selden Länge: 107 min.
Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan.
Ab 1.8. in den deutschen und österreichischen Kinos.
Trailer zu "The Monk and the Gun - Was will der Lama mit dem Gewehr?"
Comments