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Dans la cuisine des Nguyen

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • vor 24 Stunden
  • 3 Min. Lesezeit
"Dans la cuisine des Nguyen": Schwungvolles Feelgood-Musical
"Dans la cuisine des Nguyen": Schwungvolles Feelgood-Musical

Schwungvolles, von einem spielfreudigen Ensemble getragenes Feelgood-Musical um eine Französin mit vietnamesischen Wurzeln, die von einer Karriere als Musicalstar träumt, sich dabei aber zunehmend mit ihrer Herkunft und Identität auseinandersetzen muss.


Knallbunt ist die Welt, wenn Yvonne Nguyen (Clotilde Chea) singend aus ihrer Wohnung auf die Straßen tanzt und auf dem Platz die Passanten sich ihrem Tanz anschließen. Abrupt bricht diese Plansequenz aber mit dem Klingeln des Handyweckers und entpuppt sich als Traum der in Frankreich geborenen Tochter eines vietnamesischen Paars.


Wie bei diesem Auftakt prallen im Langfilmdebüt des vietnamesischstämmigen Theaterregisseurs, Schauspielers und Filmemachers Stéphane Ly-Cuong immer wieder Traumwelt und Realität aufeinander. Schon vor elf Jahren hat er in der Show "Cabaret jaune citron" von der zwischen der französischen Kultur und ihren vietnamesischen Wurzeln zerrissenen Yvonne Nguyen erzählt, nun hat er ihre Geschichte fürs Kino adaptiert.


Die Protagonistin hat zwar eine Musicalausbildung absolviert, doch Rollen gibt es für sie als Asiatin kaum. Als auch ihr Freund nicht mehr an sie glaubt und ihr einen Job als Telefonistin empfiehlt, verlässt sie ihn und kehrt zu ihrer Mutter (Anh Tran-Nghia) und Tante (Marie-Thérèse Priou) zurück, die außerhalb von Paris ein vietnamesisches Restaurant führen.


Der bodenständigen Mutter, die erklärt "Eine Vietnamesin in einem Musical ist wie ein Elefant der Nems (vietnamesische Frühlingsrollen) macht. Das ist super, aber es existiert nicht", stehen Yvonnes Träume gegenüber. Sie möchte sich nicht in die Frauenrolle fügen, die ihr die Mutter mit der Aufforderung im Restaurant mitzuarbeiten und endlich einen Mann zu suchen zuordnet, sondern ihren eigenen Weg gehen. Nach vielen Absagen scheint sich dafür auch ein Türchen zu öffnen, denn bei der Besetzung einer asiatischen Geliebten eines "Casanova"-Musicals schafft sie den Sprung von einer Casting-Runde zur nächsten.


Der künstlichen Musical-Welt und ebenso bunten wie mitreißenden Tanz-Gesangsnummern steht so der realistisch geschilderte Alltag im vietnamesische Restaurant gegenüber, in dem Gemüse geschnitten, Nems und Banh Cuon zubereitet werden. Gaumenfreuden können diese Szenen wecken, gleichzeitig wird Yvonne aber auch mit ihrer Herkunft konfrontiert, denn der Regisseur (Thomas Jolly) fordert sie auf, ihre inneren vietnamesischen Bilder zu aktivieren, die sie bislang immer verdrängt hat.


Gespielt wird so mit westlichen Vorurteilen und Stereotypen über Asien und Vietnam im Speziellen, denn Yvonne selbst war nie in Vietnam, kennt die Halong-Bucht nur von einem Poster im Restaurant der Mutter und kann nur ein paar Brocken vietnamesisch.


So kommt sie über die Auseinandersetzung mit der Musical-Rolle nicht nur langsam der ihr entfremdeten Mutter wieder näher, sondern findet auch zu ihrer Identität und befreit sich von der Erfüllung westlicher Rollenvorstellungen, in die sie sich selbst gedrängt hat.


Ly-Cuong erzählt so nicht nur eine klassische Selbstfindungsgeschichte, sondern hat spürbar auch eigene Erfahrungen eines Lebens zwischen zwei Kulturen verarbeitet. Mehr als von einem zwingenden dramaturgischen Bogen lebt sein Feelgood-Musical dabei von hinreißenden kleinen Szenen und einem unverbrauchten und lustvoll aufspielenden Ensemble.


Großartig ist in der Hauptrolle zunächst einmal Clotilde Chea, die mit Leidenschaft Yvonne spielt und überzeugend deren langsame Wandlung vermittelt. Für einen pointierten Kontrast sorgen aber auch Anh Tran-Nghia und Marie-Thérèse Priou als Mutter und Tante auf der einen Seite und Thomas Jolly als Musicalregisseur, der von Yvonnes Ausstrahlung begeistert ist, und Camille Japy als seine Assistentin, die mit ihren Erinnerungen an eigene Musical-Erfolge für Witz sorgt.


Die Beschränkung auf wenige Schauplätze und der weitgehende Verzicht auf Außenszenen lässt auf ein kleines Budget schließen, doch locker machen dies die leichthändig-frische Inszenierung, die Musicalszenen und die Schauspieler:innen wett: Die Leidenschaft und das Vergnügen, mit denen sie bei der Sache waren, sind in jeder Szene spürbar und wirken so ansteckend, sodass beste Unterhaltung und Laune garantiert sind und man nach 100 Minuten gelöst und mit einem Lächeln aus dem Kino schwebt.



Dans la cuisine des Nguyen

Frankreich 2024

Regie: Stéphane Ly-Cuong

mit: Clotilde Chea, Anh Tran-Nghia, Leanna Chea, Thomas Jolly, Gaël Kamilindi, Camille Japy

Länge: 99 min.



Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kino Scala in St. Gallen.



Trailer zu "Dans la cuisine des Nguyen"

 

 

 

 

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