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  • AutorenbildWalter Gasperi

The Iron Claw

In den 1970er und 1980er Jahre war die texanische Familie Von Erich eine fixe Größe im Wrestlinggeschäft, doch tragische Ereignisse überschatteten bald die Erfolge. – Mit einem großartigen Ensemble erzählt der Kanadier Sean Durkin zwar recht konventionell und einfach, aber packend ein Familiendrama über eine dominante Vaterfigur und große Brüderliebe.


Schon in der ersten, in Schwarzweiß gehaltenen Szene rückt die Kamera von Mátyás Erdély nicht nur die muskelbepackten Körper groß ins Bild, sondern vermittelt auch viel von der Mischung aus Brutalität und Show, die Wrestling bestimmt. Fritz Von Erich (Holt McCallany) ist bekannt für den Griff "The Iron Claw" ("Die eiserne Klaue"), bei dem er mit einer Hand den Schädel des Gegners fasst und die Schläfen zusammendrückt. Der Titel fungiert aber auch unübersehbar als Metapher für die Entschlossenheit und Härte, mit der er über seine Söhne herrscht.


Mit einem Schnitt überspringt Sean Durkin von diesem Prolog, in dem Fritz Von Erich wegen Regelverletzung disqualifiziert wird, rund 20 Jahre und lässt die eigentliche Handlung Mitte der 1970er Jahr in Farbe einsetzen: Vier erwachsene Söhne haben der Wrestler und seine Frau Doris (Maura Tierney) inzwischen. Weil ein weiteres Kind aber schon früh verstorben ist und es auch schon in der vorigen Generation einen tragischen Todesfall gab, glauben die Eltern, dass die Familie mit einem Fluch belegt sei. Während die Mutter diesen mit ihrem Glauben an Gott abzuwenden versucht, sieht der Vater in körperlicher Stärke die Rettung und versucht aus seinen Söhnen Wrestling-Champions zu machen.


Welche Macht er ausübt, zeigt sich schon darin, dass Kevin (Zac Efron), David (Harris Dickinson), Michael (Stanley Simons) und Kerry (Jeremy Allen White) ihn stets mit "Sir" anreden. Widerspruch gibt es hier keinen. Sie akzeptieren auch auch, dass der Vater bald den einen und bald den anderen bevorzugt, um das Konkurrenzdenken unter ihnen zu schüren und sie zu noch mehr Einsatz und Leistung anzutreiben.


Scheint sich so zunächst Kevin als der älteste von ihnen für den Kampf um den Weltmeistertitel anzubieten, werden sich bald die Positionen verschieben. Im Gegensatz zum Glauben mit Körperkraft alles erreichen zu können, belastet aber der väterliche Druck die Brüder zunehmend und bald wird die Familie Von Erich durch Schicksalsschläge schwer erschüttert.


Etwas holprig und nicht wirklich überzeugend mag die Verknüpfung der extrem physischen Wrestling-Kämpfe mit dem Familienporträt sein, dennoch entwickelt "The Iron Claw" durch die schnörkellose Inszenierung große Dichte und Kraft. Packend stellt Durkin, der schon in "The Nest" spannend vom Zerfall einer Familie erzählte, dem bedingungslosen Erfolgsstreben des Vaters die Ohnmacht gegenüber dem Schicksal gegenüber. Gleichwohl werden diese tragischen Ereignisse nicht breit ausgespielt, sondern ausgespart und nur die Trauer und der Schmerz danach gezeigt.


Am Beispiel des ältesten Sohns Kevin, der im Zentrum steht und für dessen Verkörperung Zac Efron eine enorme Muskelmasse antrainierte, zeigt Durkin aber auch die persönliche Verkümmerung durch die Fixierung auf den dominanten Vater. Kaum fähig ist der junge Mann zunächst zu einer Kommunikation mit der für ihn schwärmenden Pam (Lily James), die Initiative muss hier sie ergreifen. Gleichzeitig erzählt Durkin aber auch von einem Wandel des Männlichkeitsbild, wenn er dem Vater, der nie Gefühle zeigt, den feinfühligen Kevin gegenüberstellt, der schließlich auch in Tränen ausbricht.


Atmosphärisch dicht lässt Durkin durch Kostüme und Frisuren in die Zeit um 1980 eintauchen, größter Trumpf des konzentriert inszenierten Familiendramas ist aber sein intensiv spielendes Ensemble. Holt McCallany lässt allein durch seine Ausstrahlung die Härte des Vaters spüren, während Zac Efron, Jeremy Allen White, Harris Dickinson und Stanley Simons überzeugend vermitteln, dass die Söhne ihren Vater trotz dieser Härte achten und seine Entscheidungen akzeptieren.


Wie in der Familie bleiben zwangsläufig auch im Film die Frauen am Rande, aber während sich Doris ganz ihrem Mann Fritz unterordnet und fast völlig hinter ihm verschwindet, tritt Pam gegenüber Kevin durchaus auch fordernd auf und setzt ihm Grenzen: Mit ihrer Lebensfreude und Offenheit ist sie ein Gegenpol zur starren toxischen Welt der Familie Von Erich.


In seiner linearen und recht simplen Handlungsführung sprengt Durkin die Konventionen klassischer Dramen zwar nicht, bietet aber doch intensives Kino, das vor allem in den leisen und berührenden Momenten innerhalb der Familie, in denen immer wieder die Verbundenheit der Brüder spürbar wird, packt. Kitschig wirkt hier einzig eine Traumsequenz von einer Wiederbegegnung an einem von einem Fluss bestimmten, idyllischen Jenseits.


Überraschend sind aber auch die Nachspanninserts, in denen trotz der tragischen Ereignisse die Wrestlingerfolge der Familie Von Erich gefeiert werden. Hier wird aber auch dem Publikum doch noch ein Happy End gegönnt, wenn darauf verwiesen und mit originalen Familienfotos belegt wird, dass Kevin trotz der schmerzhaften Erfahrungen familiäres Glück gefunden hat: Der vermeintliche Familienfluch war eben doch mehr Wahn als Wirklichkeit.


The Iron Claw USA / Großbritannien 2023 Regie: Sean Durkin mit: Zac Efron, Lily James, Jeremy Allen White, Harris Dickinson, Maura Tierney, Holt McCallany, Stanley Simons Länge: 132 min.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Skino Schaan und im Kino Scala in St. Gallen


Trailer zu "The Iron Claw"



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