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AutorenbildWalter Gasperi

The Nest - Alles zu haben ist nie genug


An Horrorfilme erinnert das abgelegene alte englische Landhaus, das der Geschäftsmann Rory O´Hara Mitte der 1980er Jahre für seine Familie kauft. Doch in Sean Durkins elegantem Psychothriller bedrohen nicht Dämonen der Vergangenheit, sondern vielmehr Rorys Gier die Familie.


Rund zehn Jahre lebte der Brite Rory O´Hara (Jude Law) mit seiner Familie in den USA, jetzt möchte der Geschäftsmann in seine Heimat zurückkehren. Wenig erfreut ist seine amerikanische Frau Allison (Carrie Cohn), aber auch nicht wirklich überrascht, ist die Familie in den letzten Jahren doch schon viermal umgezogen. Sein ehemaliger Chef wolle ihn wieder in seiner Firma, erklärt Rory seiner Frau, doch dem Telefonat, mit dem der Film einsetzt, konnte der Zuschauer entnehmen, dass vielmehr Rory wegen eines Jobs anfragte.


Zwar wohnt die vierköpfige Familie komfortabel in einem Haus in einem Vorort von New York, doch mit dem Versprechen eines großen Landhauses und vor allem einem riesigen Anwesen für Reitpferde, die Allisons große Leidenschaft sind, kann Rory seine Frau überzeugen. Auch der zehnjährige Benjamin (Charlie Shotwell) und die Teenager-Tochter Samantha (Ooona Roche) sind zunächst wenig begeistert, bedeutet dies doch Schulwechsel und Trennung von den Freunden, fügen sich aber nolens volens.


Wie Sean Durkin, der mit "The Nest" zehn Jahre nach seinem gefeierten Debüt "Martha Marcy May Marlene" seinen erst zweiten Film vorlegt, das 300 Jahre alte Landhaus mit seinen Gängen und Räumen inszeniert, erinnert nicht zuletzt durch die beunruhigende Musik an Horrorfilme über Geisterhäuser. Viel zu groß ist das Haus für die vierköpfige Familie und man will auch nur einen Teil bewohnen, dafür plant Rory sogleich zusätzlich noch ein Appartement in London zu mieten.


Irritiert ist Allison über das scheinbar grenzenlose Vermögen, über das ihr Mann zu verfügen scheint, nimmt aber alles hin, bis die Handwerker nicht mehr zum Bau des Reitstalls erscheinen und sie bei einem Anruf erfährt, dass schon lange keine Rechnungen mehr bezahlt wurden. Aber nicht nur Allison hat Rory längst durchschaut, sondern auch sein Chef erkennt rasch, dass sich sein alter Bekannter in keiner Weise geändert hat. Charme und Eloquenz gesteht er ihm zwar zu, wirft ihm aber auch vor, dass ihm in seiner Gier der Blick für Details völlig fehle.


Dass "The Nest" Mitte der 1980er Jahre spielt und einmal im Hintergrund in den Nachrichten von Ronald Reagan und seiner Deregulierung der Wirtschaft berichtet wird, ist kein Zufall. Rory kann nämlich als Prototyp dieses keinen Schranken unterworfenen Wirtschaftens gesehen werden, bei dem es nur darum geht Geld zu machen und die Gier keine Grenzen kennt. - Oliver Stone erzählte davon schon 1987 in "Wall Street".


Der 40-jährige Kanadier Durkin entwickelt keine große dramatische Handlung, sondern konzentriert sich auf die Figuren und ihre Beziehungen. Mit genauem Blick deckt er auf, wie die Familie, in der sich zunehmend jeder in seine Welt zurückzieht, zunehmend zerbröckelt. Zwar wird am Beginn ein Familienfoto vor dem neuen Heim geschossen, doch kaum einmal sieht man Eltern und Kindern im Folgenden gemeinsam.


Benjamin vereinsamt zunehmend und beginnt auch Bett zu nässen, während der Teenager Samantha bald in einer exzessiven Party ihr Glück sucht. Allison lebt wiederum ganz für ihre Pferdeleidenschaft, doch auch ihr geliebter schwarzer Hengst Richmond scheint sich in der neuen Umgebung zunehmend unwohl zu fühlen.


Unaufdringlich, aber präzise verankert Durkin mit den eleganten Bildern von Kameramann Mátyás Erdély die Handlung in der britischen Oberschicht, in der man die Kinder auf die besten Privatschulen schickt und in den edelsten Lokalen speist. Getragen wird der distanziert und ruhig, aber dicht inszenierte Mix aus Drama und Psychothriller aber von seinen beiden herausragenden Hauptdarstellern.


Großartig spielt Jude Law diesen Rory als Blender, der seine Lügen selbst schon zu glauben scheint. Starker Gegenpol ist Carry Coon als Allison, die sich zunehmend weniger auf die Rolle der Ehefrau zurückdrängen lässt und ihre Selbstständigkeit zu behaupten, ihrem Mann Kontra zu geben, ihn öffentlich bloß zu stellen und über seine Lügen zu lachen beginnt.


Doch mag die Familie am Ende auch in Scherben liegen, erstmals ist sie in der langen Schlusseinstellung wieder vereint. Nichts scheint Rory dabei aus seinen bitteren Erfahrungen gelernt zu haben, aber mit einem entschlossenen "Stop" Allisons scheint sich auch die Möglichkeit anzudeuten, dass sie nun die Kontrolle übernimmt und ihren Mann in eine neue Richtung lenken und die Familie damit doch noch aus der Krise herausführen und retten kann.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und - ab 26.4. - im Skino Schaan


Trailer zu "The Nest - Alles zu haben ist nie genug"


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