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AutorenbildWalter Gasperi

The Hypnosis

Wie reagiert die Umwelt, wenn ein Mensch seine sozialen Hemmungen ablegt? – Ernst De Geer nimmt in seiner glänzend gespielten Satire mit trockenem Witz die Verlogenheit des Rufs nach authentischem Auftreten und Selbstverwirklichung aufs Korn.


Wie authentisch sind wir? Was ist Spiel und was Wirklichkeit? – Schon die erste Szene wirft diese Frage auf, wenn Vera (Asta Kamma August) direkt in die Kamera über ihre erste Menstruation und ihre Bluterkrankheit spricht. Mit einem Schnitt entpuppt sich dieses Geständnis nämlich als Teil eines Spots für eine neue App, die die reproduktive Gesundheit von Frauen weltweit, speziell in Regionen, in denen Sexualität ein Tabuthema ist, fördern soll.


Der Name Vera deutet dabei entsprechend den lateinischen Wörtern "verus" und "veritas" eine Wahrhaftigkeit an, doch ob diese Menstruationsgeschichte erfunden ist, bleibt vorerst offen. Um sich das Rauchen abzugewöhnen, meldet sich die junge Frau jedenfalls für eine Hypnosetherapie. Doch nicht die Sucht gewöhnt sich Vera damit ab, sondern vielmehr beseitigt die Therapeutin die sozialen Hemmungen, die sich Vera von Kindheit an angewöhnt hat.


Folgen hat dies freilich, als sie mit ihrem Geschäftspartner und Freund André (Herbert Nordrum), dessen Name mit seiner griechischen Wurzel auf Männlichkeit verweisen könnte, zu einem Start-up Workshop reist, bei dem sie ihre App potentiellen Investoren präsentieren sollen. Während der Leiter des Workshops (David Fukamachi Regnfors) André bei der Präsentation nämlich vorwirft nicht authentisch zu sein, ist er von Veras Vortrag begeistert.


Getragen von den zwei lustvoll aufspielenden Hauptdarsteller:innen Asta Kamma August und Herbert Nordrum führt Ernst De Geer in seinem Spielfilmdebüt mit trockenem Witz die unterschiedlichen Verhaltensweisen von André und Vera vor. Während er sich ganz der Umwelt und seinen Gesprächspartner:innen anpasst, versucht dem Leiter des Workshops nach dem Mund zu reden und sich einzuschleimen, sagt sie zunehmend offener ihre Meinung.


Was aber zunächst auf Interesse stößt, kippt ins Gegenteil, als sie sich immer mehr Freiheiten herausnimmt, sich selbst an der Bar bedient oder ein Spiel mit einem imaginären Hündchen immer weiter treibt.


Ist André zunächst irritiert, greift er schließlich zu drastischeren Methoden, um ein Fiasko beim entscheidenden Auftritt zu verhindern. Doch damit droht er wiederum seine Partnerin zu verlieren und muss sich schließlich entscheiden, ob ihm gesellschaftliche Akzeptanz oder Vera wichtiger ist.


An die Satiren Ruben Östlunds ("The Square", "Triangle of Sadness") erinnert De Geers Regiedebüt in seiner trockenen Erzählweise und seinem genauen Blick auf solche Meetings und soziale Umgangsformen, verzichtet aber weitgehend auf die grellen Überzeichnungen seines Landsmanns. Übertreibungen sind hier nicht nötig, denn konzentriert auf das Meeting in einem Hotel kann er treffsicher allein mit dem unbekümmerten und nicht angepassten Verhalten Veras nicht nur gesellschaftliche Konventionen, sondern mehr noch den Ruf nach Authentizität und Selbstverwirklichung als bloße Farce hinstellen.


Geschickt dreht er dabei das Rädchen immer weiter, spitzt die Situationen sukzessive zu, bis er diese Regelverstöße vom öffentlichen Bereich in den privaten überführt. Eine echte Lösung scheint dabei schließlich einzig eine Flucht aus der Gesellschaft in die Abgeschiedenheit zu bringen. Offen bleibt aber, ob eine Beziehung einer solchen radikalen Authentizität und Selbstverwirklichung standhalten würde, oder ob sich dadurch Gegensätze auftun, die unweigerlich zur Trennung führen.


So verhandelt De Geer lustvoll und sehr unterhaltsam gesellschaftliche Fragen nach Identität und gesellschaftlichen Spielregeln und wirft die Frage auf, wie viel Anpassung nötig ist, um einerseits ein gesellschaftliches Zusammenleben und andererseits auch eine Beziehung zu ermöglichen. Weil dabei auf Antworten verzichtet wird, werden die Zuschauer:innen motiviert, sich selbst über das Filmende hinaus mit diesen Fragen auseinanderzusetzen.

  

  

The Hypnosis Schweden / Norwegen 2023 Regie: Ernst De Geer mit: Asta Kamma August, Herbert Nordrum, Andrea Edwards, David Fukamachi Regnfors, Moa Niklasson, Simon Rajala, Aviva Wrede, Alexandra Zetterberg, Julien Combes Länge: 99 min.



Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen.



Trailer zu "The Hypnosis"



 

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