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  • AutorenbildWalter Gasperi

The Green Knight


Nichts mit dem üblichen Fantasy-Kino hat David Lowerys Ritterfilm um Sir Gawain und den grünen Ritter gemein, sondern taucht tief in die mittelalterliche Sage ein. Statt Spektakel wird bildmächtiges poetisches Kino geboten und gleichzeitig eine Coming-of-Age-Geschichte erzählt.


Näher Andrej Tarkowskijs "Andrej Rubljow", den David Lowery als Inspirationsquelle nennt, und John Boormans "Excalibur" (1980), an dessen Drehorten in Irland auch dieser Film teilweise entstand, als heutigen Fantasy-Filmen ist David Lowerys Adaption der aus dem 14. Jahrhundert stammenden Ritterromanze "Sir Gawain und der grüne Ritter". Kein von Action bestimmtes Spektakel bietet der 41-jährige Amerikaner in dieser Nebengeschichte zur Artus-Legende, sondern setzt vielmehr auf Stimmungen und grandiose Bilder, die haften bleiben.


In ein dunkles Mittelalter wirft Lowery das Publikum. Alles andere als ein edler Ritter ist der junge Gawain (Dev Patel). Statt mit Heldentaten verbringt er die Zeit lieber mit Alkohol und der Magd Essel (Alicia Vikander). Damit er eine Prüfung auf sich nimmt, sich beweist und endlich erwachsen wird, braucht es schon einen Zauber seiner Mutter. An Weihnachten soll sich bei der Tafelrunde seines Onkels König Artus dazu eine Gelegenheit bieten. Auf die Aufforderung von Artus eine Geschichte zu erzählen, schweigt Gawain, da er ja noch nichts erlebt hat, doch bald wird sich das ändern.


Düster und kalt wirkt das Schloss und das Unbehagen steigert sich noch, als ein gewaltiger Ritter auftaucht, der halb Mensch halb Baum ist und an Bilderfindungen Guillermo del Toros in "Pans Labyrinth" und "Hellboy – Die goldene Armee" erinnert. Der Gast lädt einen der Anwesenden ein, einen Schlag mit dem Schwert gegen ihn zu führen, wenn dieser sich dafür am kommenden Weihnachtsfest ihm wiederum stellt und den gleichen Schlag von ihm annimmt.

Überraschend meldet sich der unerfahrene Gawain, dem der grüne Ritter seinen Kopf hinhält. Prompt schlägt ihn Gawain ab, doch wie unverwundet verlässt der Gegner das Schloss mit der Bemerkung "Ein Jahr". Gawain ist aber nun gefordert und bricht kurz vor Weihnachten des folgenden Jahres auf, um den grünen Ritter, der in einer grünen Kapelle lebt, zu suchen.


Von der Enge des düsteren Schlosses in die Weite einer rauen, von dunklen Erdfarben bestimmten Landschaft führt damit "The Green Knight". An die Stelle der strengen und kalten Architektur tritt die Natur, an die Stelle des christlichen Hofs das heidnische Land. Gleichzeitig entwickelt sich, wenn Gawain durch zerstörte Landstriche zieht, in denen die Wälder abgeholzt wurden, überall Tote liegen und auch er selbst unter Straßenräuber fällt, eine Odyssee, die weniger von der Suche nach dem Grünen Ritter als vielmehr von der Suche Gawains nach sich selbst handelt.


Ganz im Stil einer mittelalterlichen Erzählung gliedert Lowery seinen Film dabei in Kapitel, lässt aber auch durch die ungewöhnliche mittelalterlich klingende Musik und das Sounddesign in diese finstere Welt eintauchen. Ernst nimmt er seine Geschichte, erzählt sie quasi aus dem mittelalterlichen Blick heraus und nicht aus der Perspektive eines Menschen des 21. Jahrhunderts. Ganz real erscheinen so auch Magie und Mysteriöses. Wohl nur ein Geist ist so die Heilige Winifred, in deren Hütte Gawain Zuflucht sucht, und ein Fuchs, der zum Begleiter Gawains wird, beginnt – wie der Fuchs in Lars von Triers "Antichrist" – plötzlich zu sprechen – aber auch Versuchungen wird Gawain ausgesetzt und erweist sich dabei nicht immer als der standhafte Ritter, der er sein sollte.


Der größte Trumpf dieses ungewöhnlichen Ritterfilms ist aber seine Bildmacht (Kamera: Andrew Droz Palermo, Production Design: Jade Healy). Gesehen haben muss man diese atmosphärisch ungemein dichten Bilder. Mehr einem Traum als der Realität scheinen sie entsprungen und Traum und reales Erleben vermischen sich auch mehrmals. Wirklich zu reifen scheint Gawain durch seine unterschiedlichen Erfahrungen dabei kaum, stellt sich zwar schließlich dem grünen Ritter, scheint sich ihm dann aber doch zu entziehen und nach glücklicher Heimkehr zu Ruhm und Macht aufzusteigen. Misstrauen könnte bei dieser rund 15-minütigen Sequenz, in der auch warme Gelbtöne Glück evozieren, freilich der Umstand auslösen, dass sie völlig dialoglos abläuft.


Ein großartiges filmisches Gedicht abseits aller Spielregeln des Mainstream-Kinos ist Lowery, der 2013 mit dem lyrischen Gangsterfilm "The Saints – Sie kannten kein Gesetz" ("Aint them Bodies Saints") auf sich aufmerksam machte und dann so unterschiedliche Filme wie den Fantasyfilm "Elliot, der Drache" (2016), den ungewöhnlichen Gespensterfilm "A Ghost Story" (2017) und mit Robert Redford den wunderbar entspannten Gaunerfilm "Ein Gauner und Gentleman" ("The Old Man & the Gun", 2018) drehte, so gelungen. Ob sich freilich das Publikum auf diesen kühnen Film, der mit seiner bewusst nicht konsequent ausformulierten Sinn- und Selbstfindungssuche Gawains auch viel Raum für Interpretationen lässt, einlassen wird, steht auf einem anderen Blatt.


Läuft derzeit in den deutschen und Schweizer Kinos, z.B. im Skino Schaan Ab 27. August in den österreichischen Kinos


Trailer zu "The Green Knight"


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