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AutorenbildWalter Gasperi

The Old Man & the Gun – Ein Gauner und Gentleman


The Old Man & the Gun

Viel mehr als eine Gaunerkomödie und auch viel mehr als eine Plattform für Robert Redford und Sissy Spacek ist David Lowerys Film über einen alten Mann, der mit zwei Kumpanen Banken ausraubt. Im leichthändigen und beglückenden Unterhaltungsfilm steckt eine wunderbare Reflexion über Lebenssinn, Glück und Vergänglichkeit.


Es gab ihn wirklich, diesen Forrest Tucker. Schon in den 1930er Jahren wurde er als Teenager wegen Autodiebstahls zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Bankraub wurde zu seiner Profession, 18 mal – im Film 16 mal - gelang ihm der Ausbruch aus Gefängnissen, noch mit 79 Jahren überfiel er an einem Tag vier Banken, ehe er doch wieder verhaftet wurde.


Kaum ein Vorbild kann so ein Verbrecher im Grunde sein. Wenn der 82-jährige Robert Redford ihn aber spielt, zu dessen berühmtesten Rollen die schlitzohrigen Kriminellen in George Roy Hills Erfolgsfilmen "Butch Cassidy and the Sundance Kid" ("Zwei Banditen", 1969) und "The Sting" ("Der Clou", 1973) gehören, schaut das gleich anders aus.


Wie die Angestellten und Direktoren der Banken, die er überfällt, seinem Charme erliegen, ihn als Gentleman und ausgesprochen höflich beschreiben, so erliegt ihm auch der Zuschauer, wenn Tucker mit vorgetäuschtem Hörgerät, mit dem er den Polizeifunk abhört, in die Banken spaziert, höflich dem Bankangestellten seine Waffe zeigt und ihn bittet sein Köfferchen mit Geldscheinen zu füllen.


Nie scheint es bei diesen durch Inserts örtlich und zeitlich genau datierten Überfällen, bei denen dieser charmante Bankräuber zumeist von zwei kaum jüngeren Kumpanen unterstützt wird, um die Beute zu gehen, sondern die Tat an sich steht im Zentrum, der Banküberfall ist für Tucker Lebensinhalt. Hier ist er ganz bei sich und der dynamische Schnitt und die perfekte musikalische Untermalung - vielfach mit sanftem Jazz - vermitteln auch auf der inszenatorischen Ebene dieses intensive und lustvolle Leben.


Höchst unmoralisch mag der Film in der Verklärung eines Verbrechers sein, doch dem Zuschauer beschert der warmherzige Blick Lowerys und die ebenso lustvolle wie lockere Inszenierung seiner Überfälle, verbunden freilich mit dem Charisma Redfords, der erklärt hat, dass dies sein letzter Film sein soll, hinreißende Kinounterhaltung voll ansteckender Lebensfreude.


Mit Finten schüttelt er anschließend die Polizei ab, bleibt auch mal als Tarnung einfach am Highway stehen, um einer Frau (Sissy Spacek) mit ihrem defekten Wagen zu helfen. So mischt sich in diese wunderbar entspannt inszenierte Gaunerkomödie eine zarte Liebesgeschichte. Während diese Jewel immer wieder über den Tod spricht, scheint Tucker keinen Gedanken daran zu verschwenden und ganz selbstverständlich spricht der im Film 73-Jährige davon, dass er später auch einmal auf einem Pferd reiten möchte.


Wenn eine Bankangestellte den Räuber als glücklich beschreibt, trifft das den Kern von "The Old Man & the Gun" und dieses Charakters. Dem Altern und der Vergänglichkeit, um die die Gespräche zwischen Spacek und Redford, denen zuzuschauen das pure Vergnügen ist, kreisen und die auch in ihren zerfurchten Gesichtern zu sehen sind, steht das aktive Leben gegenüber, das individuelle – in diesem Fall auch kriminelle - Handeln, die Freiheit und die Erfüllung, die der Protagonist daraus bezieht.


Als er unter dem Einfluss von Jewel schließlich von seiner Profession ablassen will, setzt auch die Musik aus. Nichts Beschauliches hat so der Lebensabend auf der Farm, sondern beklemmend wirken diese stillen Momente, wie tot im Leben wirkt Tucker hier und erst, als er wieder aktiv wird, setzt die Musik wieder ein und entwickelt auch diese melancholische Komödie, bei der man immer spürt, mit wie viel Herzblut sie gedreht wurde, wieder Leichtigkeit und Vitalität.


Diesem befreiten und bewussten Leben stellt Lowery den Polizisten John Hunt (Casey Affleck) gegenüber, der zwar Familie hat, aber nicht wirklich glücklich ist und mit seinem Job hadert. Er verbeißt sich zwar in die Jagd auf Tucker, scheint darin Sinn zu finden, muss dann aber akzeptieren, dass die Maschinerie des FBI ihm den Fall wegnimmt. Vom Jäger wird er so zum Seelenverwandten des alten Bankräubers und kann sich ebenfalls dessen Charme und dessen Ausstrahlung von Glück und innerer Ruhe nicht entziehen.


Nicht über lange Dialoge werden hier die Themen verhandelt, sondern ergeben sich ganz selbstverständlich aus der Erzählweise und der Handlung. Denn wie Tucker sich dem bürgerlichen US-Leben widersetzt und unbeirrbar seine Wege geht, so widersetzt sich auch diese Gaunerkomödie dem heutigen Kino. Schon der Look des von Kameramann Joe Anderson auf körnigem 16mm-Material gedrehten Films, die blassen Farben und die stimmungsvolle 1980er Jahre-Ausstattung stehen in Opposition zum heutigen Hochglanzkino.


Mit der visuellen Gestaltung knüpft Lowery ebenso wie mit der Liebe zum Outlaw und natürlich seinen beiden Hauptdarstellern aber auch ans New Hollywood an, das ab Ende der 1960er Jahre auch eine Befreiungsbewegung gegenüber dem verkrusteten Studiosystem war. Redford war ein zentraler Star dieses filmischen Aufbruchs und auch Sissy Spacek spielte in Terrence Malicks "Badlands" (1973), an den schon Lowerys zweiter Spielfilm „Ain't Them Bodies Saints“ („The Saints – Sie kannten kein Gesetz“, 2013) erinnerte, eine ihrer ersten großen Rollen.


Kein Wunder ist es folglich auch, dass mit Arthur Penns "The Chase" ("Ein Mann wird gejagt", 1967), in dem Redford einen von aggressiven Kleinstädtern gejagten Kleinkriminellen spielte, und Monte Hellmans Roadmovie "Two Lane Blacktop" ("Asphaltrenner", 1971) mit Ausschnitten zwei Filme des New Hollywood zitiert werden. – Man spürt in jeder Szene Lowerys Lust und Freude an so einem von kommerziellen Zwängen befreiten individuellen Kino, an einem Kino, bei dem der Regisseur - wie Tucker bei seinen Überfällen - ganz bei sich ist, intensiv das Leben spürt und jede Sekunde auskostet.

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