The Change - Anniversary
- Walter Gasperi

- vor 12 Minuten
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In Jan Komasas beklemmendem Thriller lässt der Umbau der USA in eine faschistische Diktatur eine Familie langsam zerbrechen: Kein subtiler, aber ein brennend aktueller Film, der durch ein großartiges Ensemble und konzentrierte Inszenierung packt - und beunruhigt.
2019 gelang dem polnischen Regisseur Jan Komasa mit "Corpus Christi" ein vielfach ausgezeichneter und auch an den Kinokassen erfolgreicher Arthouse-Film. Adaptierte er dort ein nach einer wahren Begebenheit entstandenes fremdes Drehbuch, so beruht "The Change – Anniversary" auf einer eigenen Idee Komasas und Lori Rose-Gambinos.
Wie ein schonungsloser Blick auf die aktuellen Entwicklungen im Amerika des Donald Trump wirkt der erste englischsprachige Kinofilm des 44-jährigen Polen, gedreht wurde dieses kammerspielartige Gegenstück zu Paul Thomas Andersons "One Battle after Another" aber schon 2023 – und nicht in den USA, sondern in Irland.
Im Mittelpunkt steht die gehobene Ostküstenfamilie Taylor. Ihr in der Nähe von Washington gelegenes Haus ist weitgehend der einzige Schauplatz, an dem sich die Handlung vom 25. bis zum 30. Hochzeitstag der Eltern entlang von Familienfesten jeweils an einem Tag des Jahres in fünf durch Inserts gegliederten Kapiteln spannt.
Liberal ist man hier. Während Mutter Ellen (Diane Lane) an der Georgetown Universität über Freiheit doziert und Vater Paul (Kyle Chandler) ein vornehmes Restaurant führt, ist die eine Tochter eine queere Stand-up Comedian (Madeline Brewer), die andere eine Umweltanwältin (Zoey Deutch) und die jüngste (Mckenna Grace), die noch zu Hause lebt, begeistert sich für Biologie. Einzig Sohn Josh (Dylan O’Brien), der ein bislang wenig erfolgreicher Schriftsteller ist, macht den Eltern vielleicht etwas Sorgen, bringt aber zu ihrem 25. Hochzeitstag mit Liz (Phoebe Dynevor) eine neue Freundin mit zur Gartenparty.
Wie diese puppenhaft wirkende junge Frau aber schon zuvor vor dem Spiegel ihr Gespräch mit Joshs Eltern geprobt hat, lässt mit Skepsis auf sie blicken. Irgendwie kommt auch Ellen Liz seltsam bekannt vor und entdeckt bei einer Internetrecherche rasch, dass es sich tatsächlich um eine Studentin handelt, die auf ihr Betreiben vor acht Jahren die Uni verlassen musste, weil sie in einer Arbeit ebenso krude wie radikale antidemokratische Ideen vertrat.
Nicht genug damit schenkt Liz dem Ehepaar Taylor zudem diese inzwischen unter dem Titel "The Change" veröffentlichte Arbeit. Mit Unterstützung der ominösen Cumberland Company, die man auch als Parallele zu den Tech-Konzernen, die Donald Trump unterstützen, sehen kann, wird das Buch nicht nur zum millionenfach verkauften Bestseller, sondern die darin vorgeschlagenen Ideen werden auch umgesetzt.
Von Familienfest zu Familienfest wird der massive gesellschaftliche Umbau, der auch zu einem Zerfall der Familie führt, deutlicher spürbar. Nicht nur von Zensurmaßnahmen wie der Einschränkung des Internets ist die Rede, sondern bald verliert auch Mutter Ellen wegen einer Protestaktion gegen die neue US-Flagge, bei der die Sterne vom linken oberen Eck ins Zentrum gerückt werden, ihre Stelle an der Uni, die lesbische Anna, die mit ihren Bühnenauftritten provoziert, wird zur Staatsfeindin erklärt, der asiatischstämmige Freund der jüngsten Tochter Birdie flieht mit seiner Familie wie Tausende andere Künstler und Intellektuelle aus den USA, während Birdie selbst sich radikalisiert.
Während die Eltern bei einer scheinbar harmlosen Volkszählung von zwei nach außen hin freundlichen Beamtinnen massiv unter Druck gesetzt werden, steigt Sohn Josh durch seine Ehe mit Liz sukzessive auf, fährt bald einen teuren Sportwagen und lässt seine Familie seine Macht und seinen Einfluss spüren.
Konzentriert auf die Familienfeiern, bei denen "The Change" in Gesprächen der ganzen Familie ebenso wie in Zweiergesprächen durch die starken Dialoge, schnörkellose Inszenierung und das großartige Ensemble große Spannung entwickelt, erzählt Komasa so die klassische Geschichte von der Zerstörung einer heilen Familie durch einen Eindringling. Wie die jüngste Tochter in ihrem häuslichen Labor Liz das Verhältnis von Parasit und Wirt erklärt, dient Komasa als Metapher für die Rolle von Liz innerhalb der Familie.
Subtil ist "The Change" dabei freilich nicht. Zwischentöne und Ambivalenzen sucht man vergebens und auch auf eine differenziertere Schilderung der politischen Entwicklung wird zugunsten des Familienporträts verzichtet. Manches ist auch plakativ wie der Parasit-Wirt-Vergleich, der Verweis auf René Magrittes Bild "Die Liebenden", in dem sich die Blindheit gegenüber Veränderungen spiegelt, oder der Einsatz des klassischen Pop-Songs "Don’t Dream It’s Over", der auch um das Thema der Freiheit kreist.
Dennoch packt dieser Thriller nicht nur als dichte Nachzeichnung des Zerfalls einer Familie, sondern vor allem als beunruhigender Weckruf und in ihrer Nähe zur Realität verstörende und nachwirkende Warnung vor antidemokratischen Entwicklungen, die unterbunden werden müssen, ehe sie eine Eigendynamik entwickeln. The Change - Anniversary
USA 2025
Regie: Jan Komasa
mit: Diane Lane, Kyle Chandler, Phoebe Dynevor, Dylan O’Brien, Madeline Brewer, Zoey Deutch, Mckenna Grace, Daryl McCormack, Sky Yang
Länge: 112 min. Läuft derzeit in den deutschen und österreichischen Kinos, z.B. im Cineplexx Hohenems.
Trailer zu "The Change - Anniversary"




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