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  • AutorenbildWalter Gasperi

The Black Phone


Ein Junge, gefangen in einem schalldichten, leeren Keller und ein psychopathischer Verbrecher. – Viel mehr braucht Scott Derrickson nicht, um aus einer Kurzgeschichte von Joe Hill einen extrem spannenden Horrorfilm zu machen, der gleichzeitig eine Coming-of-Age-Geschichte erzählt.


Hinter dem Pseudonym Joe Hill verbirgt sich Stephen Kings Sohn Joseph Hillström. Wie sein Vater hat er sich auf Horrorgeschichten spezialisiert und wie dieser erzählt er zumindest in der 2004 veröffentlichten Kurzgeschichte "The Black Phone" auch Einiges über Amerika.


"The Black Phone" spielt 1978 in einem Vorort von Denver. Mit sorgfältiger Ausstattung evoziert Scott Derrickson von Beginn an die Atmosphäre dieser Zeit und lässt in diese Vorstadt eintauchen.


Ein Psychopath, der mit schwarzem Lieferwagen durch die Vorstadt fährt und Jungs verschleppt verbreitet Angst und Schrecken. Doch die Gewalt geht nicht nur von diesem "Der Greifer" genannten Verbrecher (Ethan Hawke) aus, sondern ist allgegenwärtig. So leiden der 13-jährige Finney (Mason Thames) und seine etwas jüngere Schwester Gwen (Madeleine McGraw) unter ihrem gewalttätigen alkoholsüchtigen Vater (Jeremy Davies). Nie ist dieser über den Selbstmord seiner Frau hinweggekommen, ist auf psychisches Wrack und reagiert auf jede Störung mit Schlägen mit einem Ledergürtel.


Aber auch an der Schule ist Gewalt omnipräsent. Bei Raufereien bleibt es dabei nicht, sondern auch auf am Boden Liegende wird brutal weiter eingedroschen. Auch der schüchterne Finney wird von Mitschülern gemobbt, hat aber im starken Jeremy einen Beschützer. Als aber auch Jeremy entführt wird, ist Finney seinen Peinigern fast schutzlos ausgesetzt, gäbe es da nicht seine kleinere Schwester Gwen, die keine Angst zu kennen scheint und sich entschlossen auf die Angreifer stürzt. In dieser Schilderung der Schulwelt erinnert "The Black Phone" durchaus an Laura Wendels famoses Drama "Un monde – Playground".


Bald wird aber auch Finney vom Greifer überwältigt und in einen schalldichten leeren Keller geworfen. Kahl sind die Betonwände, einzig ein schwarzes Telefon sticht heraus, doch dessen Kabel sind abgeschnitten, jeder Kontakt zur Außenwelt gekappt. Dennoch erhält Finney über diesen Apparat von den ermordeten Kindern Anrufe, bei denen sie ihm Tipps geben, wie er entkommen kann. Leicht lassen sich diese Anrufe freilich als Imagination Finneys erklären, der in der Notsituation verzweifelt nach einer Möglichkeit auszubrechen sucht, und zwischen Kampfeswillen und Verzweiflung pendelt.


Enorme Spannung entwickelt "The Black Phone" durch die Konzentriertheit und den Minimalismus. Nach der Schilderung des Vorstadtalltags der Kinder konzentriert sich Derrickson weitgehend auf das Duell zwischen dem Greifer und seinem Opfer und den Keller als Schauplatz. Für einige Schockmomente sorgt das abrupte Auftauchen der toten Kinder, für alptraumhafte Beunruhigung der durch eine Teufelsmaske unkenntliche Ethan Hawke. Aber auch durch den variantenreichen Soundtrack von Mark Korven, der auch für die Musik von Robert Eggers "Der Leuchtturm" verantwortlich zeichnete, wird die Spannung immer wieder intensiviert.


Klassisches terroristisches Kino ist das, das das Publikum gezielt in Angst und Schrecken versetzt. Gleichzeitig erzählt Derrickson, konzentriert auf den scheinbar aussichtslosen Kampf eines David gegen einen übermächtigen Goliath, unterstützt vom großartigen Mason Thames als Finney, aber auch davon, wie Not erfinderisch macht und wie der Junge durch die scheinbar unlösbare Aufgabe wächst und sich vom ängstlichen Schüler zum selbstbewussten Teenager entwickelt.


Physische Gewalt ist hier kaum nötig, allein aus dem Atmosphärischen und dem permanenten Gefühl der Bedrohung entwickelt "The Black Phone" seine große Spannung. Man spürt förmlich, wie Ethan Hawke, der sonst eher auf positive Rollen wie in Richard Linklaters "Before"-Trilogie oder "Boyhood" abonniert ist, es genießt, diesen teuflischen Verbrecher zu spielen. Gleichzeitig baut Derrickson aber auch Parallelen zwischen dem Entführer und Finneys Vater auf, wenn beide immer wieder in der Küche sitzen und Schläge mit einem Ledergürtel androhen.


Stark ist aber auch Madeleine McGraw als Finneys Schwester, die in ihren Träumen – "Shining" lässt grüßen - Hinweise für die Verbrechen sieht. Ein kleines Mädchen ist das, aber die Entschlossenheit und Furchtlosigkeit, mit der sie auftritt, um ihren Bruder zu retten, ist ein starkes Signal kindlicher Solidarität und Geschwisterliebe, die Derrickson eindringlich feiert.



The Black Phone USA 2021 Regie: Scott Derrickson mit: Ethan Hawke, Mason Thames, Jeremy Davies, James Ransone, Madeleine McGraw Länge: 104 min.


Läuft derzeit in den Kinos


Trailer zu "The Black Phone"


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