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  • AutorenbildWalter Gasperi

Supernova


Ein langjähriges Paar begibt sich mit einem Wohnmobil auf eine letzte Reise durch England, denn der eine der beiden Männer ist an früh einsetzender Demenz erkrankt. – Mit zurückhaltender Inszenierung und den zwei herausragenden Hauptdarstellern Stanley Tucci und Colin Firth gelang Harry Macqueen ein unsentimentales, aber bewegendes Drama um Liebe, Sterben und die Schwierigkeit loszulassen.


Am Beginn steht ein Blick in den unendlichen nächtlichen Sternenhimmel. Kurz leuchtet ein Himmelskörper hell auf, ehe er erlischt. Eine einprägsame Metapher für den Tod eines Menschen ist diese Supernova, steht aber auch durch die Begeisterung der beiden Protagonisten für die Astronomie in konkreter Beziehung zum Film.


Vom Himmel blendet Macqueen über auf zwei sich berührende Hände und dann auf die beiden eng umschlungen im Bett liegenden Sam (Colin Firth) und Tusker (Stanley Tucci). Dass es sich um ein homosexuelles Paar handelt, ist dem Film aber kein Thema, sondern wird als Selbstverständlichkeit akzeptiert.


Schon in der nächsten Einstellung sitzen die Beiden in ihrem Wohnmobil auf einem Trip durchs herbstliche England. Außer dass sie schon viele Jahre ein Paar sind und Tusker Schriftsteller, Sam Pianist ist, erfährt man praktisch nichts über ihre Vergangenheit. Ganz aufs Hier und Jetzt fokussiert Macqueen und überlässt den filmischen Raum seinen wunderbar harmonierenden Hauptdarstellern.


In langen, ruhigen Einstellungen erhalten Stanley Tucci und Colin Firth viel Zeit und Raum, um die immer noch bestehende Innigkeit der Beziehung, die Vertrautheit und die gegenseitige Liebe, aber auch die Belastung durch die bei Tusker diagnostizierte früh einsetzende Demenz zu vermitteln. Man spürt in jeder Szene, dass Tucci und Firth auch privat seit langem befreundet sind, denn hier stimmt jede Geste und jeder Blick und trägt dazu bei, einen lebensechten und bewegenden Charakter zu schaffen.


Während Tusker sich offensichtlich mit dem Unabwendbaren abgefunden hat und sterben will, bevor er die Kontrolle über sein Leben verliert und anderen zur Last fällt, will Sam dies nicht akzeptieren und kann oder will nicht loslassen. Unaufdringlich verhandelt "Supernova" so auch die Frage nach dem Recht auf das eigene Lebensende und bietet Einblick in die Situation des Sterbenden ebenso wie in die des Liebenden, der allein zurückbleibt und bald "nur" noch Erinnerungen haben wird.


Mischt sich zunächst auch sanfter Humor unter die kleinen, liebevollen Reibereien des Paares, so wird der Ton zunehmend ernster, denn immer klarer wird, dass Tusker diese Reise als Abschied vom Leben angelegt hat. Nochmals suchen sie so Orte auf, mit denen sie Erinnerungen verbinden, besuchen aber auch Sams Schwester und dessen Familie, wohin Tusker zu einer letzten Party Freunde eingeladen hat.


Leicht hätte das eine rührselige Angelegenheit werden können, doch Macqueen vermeidet in seinem zweiten Spielfilm durch die zurückhaltende Inszenierung jeden Anflug von Sentimentalität. Statt mit Großaufnahmen und schnellen Schnittfolgen Emotionen aufzubauschen, drosselt er sie eher mit distanzierenden halbnahen und halbtotalen Einstellungen. Von bewundernswerter inszenatorischer Einfachheit ist dieser Film, gewinnt seine Kraft – ähnlich wie die nicht minder bewegende, ebenfalls britische Vater-Sohn-Geschichte "Nowhere Special" - allein durch den einfühlsamen und mitfühlenden Blick auf seine beiden Protagonisten.


Unterbrochen wird dieser Blick immer wieder durch die farbenprächtige herbstliche Landschaft, denn nicht durch Städte führt die Reise, sondern in den von Wiesen, Seen und Bergen bestimmten Lake District im Nordwesten Englands. Wie der Herbst hier mit dem nahen Tod korrespondiert, so beschwört die in warme Farben getauchte Landschaft (Kamera: Dick Pope) einerseits die Schönheit dieses irdischen Lebens, andererseits verstärkt sie die Trauer über das nahe Sterben.


So wird hinter der scheinbaren Einfachheit rasch ein ungemeines Feingefühl, eine Empathie und eine Behutsamkeit spürbar, die "Supernova" zu einem zutiefst bewegenden und zutiefst menschlichen Drama machen, das lange nachhallt und auch über das eigene Leben reflektieren lässt.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino in Schaan. TaSKino Feldkirch im Kino Rio: 15. - 21.10.


Trailer zu "Supernova"


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