Eine junge Frau wurde in New York ermordet, die Polizei ermittelt. – Der Plot bewegt sich im üblichen Rahmen, aber durch den Dreh an Originalschauplätzen gewinnt Jules Dassins 1948 gedrehter Krimi dokumentarische Qualität und dichte Atmosphäre. Bei Pidax Film ist der Klassiker auf DVD erschienen.
Zu einer Flugaufnahme von New York führt Produzent Max Hellinger im Voice over in den Film ein, stellt Crew und Schauspieler vor, betont, dass der Film on Location und nicht im Studio gedreht wurde und stellt gleich auch noch die Ostküstenmetropole als Schauplatz vor.
Dokumentarischen Bildern der Stadt bei Nacht mit leeren Theatern und Banken stehen arbeitende Putzfrauen, Zeitungsredakteure und Fabriksarbeiter gegenüber, während andere wiederum Partys feiern. Lakonisch kontrastiert wird letzteres vom Mord an einer jungen Frau.
Auch in die am nächsten Morgen erwachende Stadt mit Milch- und Postlieferung sowie schreiendem Baby führt noch der Off-Erzähler ein. An Walter Ruttmanns legendären "Berlin – Die Sinfonie einer Großstadt" erinnert Jules Dassins 1948 entstandener Krimi in diesem dokumentarischen Blick auf New York, der zweifellos die größte Qualität dieses Films ist.
Im Zuge des italienischen Neorealismus verließ man auch in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg die Studios und drehte an den originalen Schauplätzen. An die Stelle von Künstlichkeit trat damit in Krimis wie Anthony Manns "T-Men – Geheimagent T" (1947), Henry Hathaways "Call Northside 777 – Kennwort 777" (1948) oder eben Dassins "The Naked City" Realismus.
Immer noch beeindruckt wie Kameramann William H. Daniels in diesem Schwarzweißfilm das Büro der Mordkommission, eine Flucht über eine Feuerleiter oder im Showdown die von Stahl dominierte Williamsburg Bridge einfängt. Geschickt führen die Mordermittlungen auch in unterschiedliche Milieus vom Apartment der Ermordeten über eine vornehme Vorstadtvilla bis zu einer Hochhaus-Baustelle und der schäbigen Unterkunft des Mörders im Osten der Großstadt.
Der dokumentarisch-realistische Look von Dassins Film fesselt immer noch, die Krimihandlung bewegt sich dagegen in gewohnten Bahnen. Kein Hardboiled Detective ist der von Barry Fitzgerald gespielte Polizist, sondern bringt vielmehr mit seinen Witzen eine sanfte Note in den Film. Aber auch eine skurrile Zeugin, die sich nur wichtig machen will, oder ein verwirrter Mann, der sich selbst der Tat bezichtigt, sorgen für witzige oder auch verstörende Momente.
Trotz dieser schrägen Figuren, mit denen wohl auch das Bild einer psychisch kranken Großstadtbevölkerung beschworen werden soll, weitet sich die konkrete Geschichte aber im Gegensatz zum Film noir nicht zu einem Bild einer insgesamt verrotteten Gesellschaft und menschlicher Abgründe, sondern es bleibt beim Einzelfall. Spannend ist die wendungsreiche Suche nach dem Mörder dennoch.
Allzu ausführlich ist allerdings der Off-Kommentar von Hellinger, der noch vor der Premiere des Films im Alter von nur 44 Jahren starb. Er erklärt vieles, das man sieht oder das sich von selbst versteht, und raubt so "The Naked City" einiges von seiner erzählerischen und visuellen Kraft. Andererseits verstärkt dieser auktoriale Kommentar den dokumentarischen Gestus, wenn auf Allgemeines und Alltägliches im Großstadtleben hingewiesen wird.
Unklar ist auch, inwieweit das ursprüngliche Projekt Dassins durch Schnittauflagen aufgrund der einsetzenden Kommunistenjagd unter Senator McCarthy beeinträchtig wurde. Da Ko-Autor Albert Maltz schon während der Dreharbeiten mit Berufsverbot belegt worden war, wurde jedenfalls dessen intendierte Bebilderung gegensätzlicher ökonomischer Lebensbedingungen weitgehend gestrichen.
Nachwirkung zeigte "The Naked City" aber zehn Jahre später im Fernsehen, denn er bildete den Anstoß zur schwarzweißen TV-Krimi-Serie "Naked City", für die zwischen 1958 und 1963 138 Folgen gedreht wurden. Dassin selbst aber musste sich nur ein Jahr nach Fertigstellung des Films vor dem House Committee on Un-American Activities (HUAC) verantworten, erhielt Berufsverbot und ging nach Europa, wo er beispielsweise 1955 in Frankreich den Klassiker "Rififi" drehte.
An Sprachversionen bietet die bei Pidax Film erschienene DVD die englische Original- und die deutsche Synchronfassung, aber keine Untertitel. Die Extras beschränken sich auf den originalen Trailer, eine Bildergalerie und eine Trailershow zu weiteren Filmen dieses Labels sowie einen Nachdruck der Illustrierten Film-Bühne.
Trailer zu "Stadt ohne Maske - The Naked City"
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