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  • AutorenbildWalter Gasperi

Filmbuch: The Sound of Fury – Hollywoods Schwarze Liste


Der 32. Band der bei Bertz + Fischer erscheinenden Reihe „Deep Focus“ vermittelt eindrücklich, welchen Verlust das amerikanische Filmschaffen durch die Kommunistenjagd in den 1950er Jahren erlitt und arbeitet gleichzeitig plastisch die gesellschaftskritische Stoßrichtung der Filme der wenig später mit Berufsverbot belegten Künstler und Künstlerinnen heraus.


„Are you or have you ever been a member of the Communist Party?“ – Die Antwort auf diese Frage der 1947 beginnenden Anhörungen des „House Un-American Activities Committee“ (HUAC) entschied in den USA im folgenden Jahrzehnt über die berufliche Zukunft von zahlreichen Filmschaffenden. Berühmt sind die „Hollywood Ten“, die zu Haftstrafen verurteilt wurden, weil sie sich weigerten vor dem Ausschuss auszusagen, doch in den folgenden Jahren wurden Hunderte Filmschaffende wegen ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Mitgliedschaft bei der oder auch Affinität zur Kommunistischen Partei mit Berufsverbot belegt und verloren ihre Lebensgrundlage.


In einem einleitenden Essay gibt Herausgeber Hannes Brühwiler einen ebenso knappen wie präzisen Überblick über die Entwicklung von Gewerkschaftsbewegungen in den 1930er Jahre bis zu den Prozessen des HUAC Ende der 1940er und Anfang der 1950er Jahre. Anschaulich arbeitet der Autor die sozialkritische Note dieses „Roten Hollywood“ heraus, in dessen Film gris nicht nur Faschismus und Sexismus, sondern auch Kapitalismus, Rassismus und die Ausbeutung der Arbeiter schonungslos angeprangert wurden.


Verdichtet wird dieser Überblick im Folgenden durch zehn Essays, in denen unterschiedliche Autoren die Karrieren von Opfern der Kommunistenjagd wie Cy Endfield, von dessen Film "The Sound of Fury" (1951) auch der Buchtitel übernommen wurde, Irving Lerner oder der Produzentin Hannah Weinstein, die nach England emigrierte und dort – vielleicht auch aus Eigennutz - viele mit Arbeitsverbot belegte Drehbuchautoren bei der Erfolgsserie „The Adventures of Robin Hood“ beschäftigte.


Patrick Holzapfel zeichnet ein Porträt der schillernden Journalistin und Drehbuchautorin Dorothy Parker, die eine unklare Position zum Kommunismus hatte, während sich Stefan Ripplinger ausführlich der Produktionsgeschichte und dem Inhalt von Herbert J. Bibermans Klassikers „The Salt of the Earth“ (1954) widmet.


Ein Essay über die in den Film gris für Hollywood untypischen starken Frauen fehlt ebenso wenig wie eine Analyse der Männlichkeitskonstruktionen in diesen Filmen. Abraham Polonsky, dem 1948 mit „Force of Evil“ ein fulminantes Regiedebüt gelang, dann aber erst 21 Jahre später mit dem Western „Tell Them Willie Boy Is Here“ seinen zweiten Film drehen konnte, bietet eine packende Innensicht dieser Zeit. Er macht dabei auch deutlich, dass die Filmschaffenden nur die Spitze des Eisbergs dieser Kommunistenjagd waren, die Zerschlagung der Gewerkschaften in öffentlich nicht so präsenten Bereichen wie der Industrie aber wesentlich weitreichendere Folgen hatte.


Eindrücklich führen die Beschreibungen von 15 – vielfach wenig bekannten - Filmen des „Roten Hollywood“ vor Augen, was für starke gesellschaftskritische Filme hier entstanden, die Ausbeutung von Frauen („Marked Woman“) und Arbeitern („Native Land“, „Give Us This Day“) ebenso wie den Faschismus („None Shall Escape“), Rassismus („The Boy with the Green Hair“, „The Lawless“) und Kapitalismus („I Can Get It for Your Wholesale“) thematisierten und anprangerten. Gleichzeitig machen diese Filme aber auch wieder bewusst, welches Potential mit dem Arbeitsverbot für die beteiligten Künstler und Künstlerinnen verloren ging.


Komprimiert machen letzteres auch die Kurzbiographien von 56 Opfern der Blacklist deutlich. Immer folgt hier auf einen vielversprechenden Karrierebeginn mit der Kommunistenjagd ein abrupter Bruch mit Arbeitsverbot, Flucht ins Exil oder Verfassen von Drehbüchern unter Pseudonymen, ehe ihnen im Idealfall nach zehn bis zwanzigjähriger Pause ein Comeback gelang.


Neben Dalton Trumbo, der Ende der 1940er Jahre einer der höchstbezahlten Drehbuchautoren Hollywoods war, aber in den 1950ern nur unter Pseudonym schreiben konnte und erst 1960 bei Otto Premingers „Exodus“ und Stanley Kubricks „Spartacus“ wieder im Vorspann als Autor genannt wurde, sticht hier vor allem der Drehbuchautor Waldo Salt heraus, der 1951 mit Berufsverbot belegt wurde, nur unter Pseudonym arbeiten konnte, dann aber in der Zeit des New Hollywood für „Midnight Cowboy“ und „Coming Home“ mit einem Oscar ausgezeichnet wurde.


So erinnert dieser Band, der auch durch seinen edlen schwarzweißen Look und die vorzügliche Bebilderung überzeugt, nicht nur an ein dunkles Kapitel Hollywoods, sondern setzt auch dessen Opfern ein Denkmal, macht aber auch große Lust die vorgestellten Filme selbst zu sehen.


Einzig das Fehlen jeglicher Credits irritiert doch etwas. – Hier muss man eben auf die IMDB oder den schon 2000 anlässlich der damaligen Retrospektive der Viennale erschienenen Katalog „Blacklisted – Movies by the Hollywood Blacklist Victims“ zurückgreifen.


Hannes Brühwiler (Hg.), The Sound of Fury. Hollywoods Schwarze Liste, Deep Focus 32, Bertz + Fischer, Berlin 2020. 280 S., ISBN 978-3-86505-335-0, € 25

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