James Watkins` Remake des gleichnamigen dänischen Thrillers um eine Familie, dessen Wochenendtrip zu vermeintlich netten Bekannten sich zum Albtraum entwickelt, bietet spannende Unterhaltung, lässt aber die unerbittliche Konsequenz des Originals vermissen.
Der kammerspielartige dänische Thriller "Speak No Evil" (2022) entwickelte sich vor zwei Jahren zu einem Kritikerliebling. Ein US-Remake konnte so kaum ausbleiben. Im Briten James Watkins wurde ein Regisseur gefunden, der mit "Eden Lake" (2008) schon einen spannenden, in der britischen Waldeinsamkeit spielenden und mit "Die Frau in Schwarz" (2011) einen atmosphärischen dichten, im 19. Jahrhundert angesiedelten Horrorfilm gedreht hat.
Geradezu sklavisch hält sich Watkins nun zunächst an das dänische Original von Christian Tafdrup, wenn auch er seinen Film mit einer nächtlichen Fahrt zu einem Ferienort in der Toskana beginnen lässt und anschließend das pittoreske italienische Städtchen ausgiebig ins Bild rückt.
Lernen sich bei Tafdrup freilich während des Urlaubs eine dänische und eine niederländische Familie kennen so sind es im Remake die britische Familie um Paddy (James McAvoy), Ciara (Aisling Franciosi) und ihren etwa zehnjährigen sprachbehinderten Sohn Ant (Dan Hough) und die in London lebenden Amerikaner Ben (Scoot McNairy) und Louise (Mackenzie Davis) mit ihrer zwölfjährigen Tochter Agnes (Alix West Lefler).
Wie im Original erhalten auch hier Ben und Louise nach ihrer Rückkehr nach London bald eine Postkarte von Paddy und Ciara, in der sie – wie im Urlaub besprochen – zum Wochenendbesuch im Südwesten Englands eingeladen werden. Die nächtliche Fahrt fehlt so wenig wie der abgelegene Hof oder eine Szene, in der Paddy die Vegetarierin Louise drängt, von der gebratenen Gans zu kosten, der rohe Umgang Paddys mit seinem Sohn Ant, der Besuch in einem Landgasthof, in dem Paddy und Ciara ungewöhnlich offen über Sex sprechen, oder Agnes´ innige Beziehung zu ihrem Stoffhasen.
Die Unterschiede zum Original liegen zunächst nur in der Figurenzeichnung. Denn da gibt es nicht nur eine Ehekrise zwischen Ben und Louise, sondern Louise erweist sich auch als deutlich stärkerer und entschlossener Charakter als ihr Mann. Zudem gewinnen die beiden Kinder hier mehr Profil als im Original. Denn einerseits greift Ant stärker in die Handlung ein und die sich entwickelnde Freundschaft zu der an einer Angststörung leidenden Agnes nimmt größeren Raum ein.
In den Hintergrund tritt dagegen die im Original zentrale Frage, wie viel man als Gast in einem fremden Haus aus Höflichkeit und Zurückhaltung von den Gastgebern akzeptiert ohne größeren Widerspruch zu leisten. Während Tafdrup dieses Thema unerbittlich bis zum Ende durchspielte, biegt Watkins etwa ab der Mitte des Films in die konventionellen Bahnen eines US-Thrillers ab.
Spannend bleibt die sich dabei entwickelnde Konfrontation dank der weitgehenden Konzentration auf den Hof und die beiden Familien sowie dank der exzellenten Schauspieler:innen dennoch. Großartig ist vor allem James McAvoy, der als Paddy fließend zwischen gespielter Freundlichkeit und Aggression wechselt und die Bösartigkeit, die unter der Oberfläche schlummert, immer spüren lässt.
Während Aisling Franciosi entsprechend ihrer Rolle als Partnerin des dominanten Paddy eher blass bleibt, brilliert Scott McNairy als unsicherer und zunehmend hilfloser Mann, der fast alles mit sich machen lässt und den die Unverfrorenheit und Entschlossenheit Paddys zumindest am Beginn beeindruckt. Seine Schwäche ist aber nicht nur ein starker Gegenpol zur toxischen Männlichkeit Paddys, sondern lässt auch zunehmend deutlicher den gegensätzlichen Charakter seiner Frau Louise zu Tage treten. Spüren lässt Mackenzie Davis nämlich, wie Louise die Duldsamkeit Bens sukzessive mehr verärgert, und überzeugend vermittelt sie, wie Louise nach anfänglicher Zurückhaltung beginnt Widerstand zu leisten und die Initiative zu ergreifen.
So sorgt nicht nur die Beziehung zu den Gastgebern, sondern auch die Zeichnung der unterschiedlichen Geschlechterrollen und dieser Ehepartner, deren Charakter gerade in der Gefahr deutlicher zu Tage tritt, für Spannung und hält das Interesse hoch. Die über das Ende hinauswirkende Verstörung, die das Original auslöste, stellt sich hier aber nicht ein.
Speak No Evil USA 2024 Regie: James Watkins mit: James McAvoy, Mackenzie Davis, Scoot McNairy, Aisling Franciosi, Alix West Lefler, Dan Hough, Kris Hitchen Länge: 110 min.
Läuft derzeit in den Kinos.
Trailer zu "Speak No Evil"
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