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Speak No Evil

Autorenbild: Walter GasperiWalter Gasperi

Der Wochenendtrip einer dänischen Familie zu einer holländischen Urlaubsbekanntschaft entwickelt sich zu einem verstörenden Alptraum. – Christian Tafdrups kompakter und die Spannung sukzessive steigernder, subtiler Psychothriller ist bei Plaion Pictures auf DVD, Blu-ray und 4K Ultra HD erschienen.


Die nächtliche Fahrt auf einer nur von den Scheinwerfern des Autos erhellten Landstraße und beunruhigende Musik erzeugen schon in den ersten Einstellungen Spannung. Dabei geht es doch in eine Feriensiedlung in der Toskana. Urlaubsstimmung erzeugt der in der malerischen Hügellandschaft gelegene Pool mit seinem türkisen Wasser, doch schon diesen Auftakt überlagert ein ungutes Gefühl.


Die nächtlichen Ankömmlinge entpuppen sich als die Holländer Patrick (Fedja van Huêt) und Karin (Karina Smulders) sowie ihr sprachbehinderter etwa sechsjähriger Sohn Abel (Marius Damslev). Offen gehen sie auf die anderen Gäste zu, knüpfen rasch Bekanntschaft mit dem dänischen Ehepaar Bjørn (Morten Burian) und Louise (Sidsel Siem Koch), die mit ihrer ebenfalls etwa sechsjährigen Tochter Agnes (Livia Forsberg) hier den Urlaub verbringen.


Man redet darüber sich später gegenseitig zu besuchen und zurück in Dänemark erhalten Bjørn und Louise auch bald eine Einladung nach Holland. Unsicher ist das Paar, ob sie diese annehmen sollen, entscheidt sich dann aber doch für diesen Wochenendtrip.


Vom Landhaus hat Patrick zwar immer gesprochen, doch dass es so abgelegen im Wald liegt, verwundert Bjørn und Louise dann doch. Smalltalk und Höflichkeiten bestimmen das Wiedersehen zunächst, und der gutmütige und verunsicherte Däne scheint auch beeindruckt vom selbstbewusst auftretenden und auch körperlich ihm überlegenen Holländer.


Doch bald stellen sich Verunsicherung und ein ungutes Gefühl ein, als Patrick Louise drängt, ein Stück Wildschwein zu essen, obwohl sie doch betont hat, dass sie Vegetarierin sei, und auch das laute und ungehobelte Auftreten der Gastgeber sowie der lieblose Umgang mit Abel irritieren die zurückhaltenden Dänen.


Am Abend werden sie scheinbar zum Essen in ein nahes Gasthaus eingeladen, sind dort aber die einzigen Gäste. Wie Patrick und Karin eng umschlungen tanzen und sich küssen, verstört Louise ebenso wie Bjørn der Umstand, dass er schließlich die gesamte Rechnung bezahlen soll. Dazu kommt noch, dass der betrunkene Patrick bei der Rückfahrt zum Haus Technomusik mit voller Lautstärke abspielt, obwohl Louise ihn mehrmals bittet, das Autoradio leiser zu stellen.


Vollends verstört ist Louise, als sie nachts ihre Tochter neben Patrick und Karin im Bett schlafend vorfindet und fordert Bjørn auf, sofort abzufahren. Heimlich wird so gepackt und nachts fahren sie los. – Und kommen doch nicht weg.


So einfach und klein gehalten die Handlung ist, so perfekt funktioniert die Spannungsmaschine von Christian Tafdrup, der zusammen mit seinem Bruder Mads auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet. Knapp gehalten ist der Einstieg, stringent wird die Handlung weitergetrieben. Auf Splattereffekte und Jump Scares kann Tafdrup dabei getrost verzichten, erzeugt Spannung vielmehr durch realistische Handlung und kompakte Inszenierung.


Die großartige Musik (Sune Kølster) und das Sounddesign laden auch scheinbar harmlose Szenen mit einem Gefühl der Bedrohung aus, Vogelperspektiven sorgen für Verunsicherung, während andererseits Momente mit unruhiger Handkamera direkt in die Perspektive von Bjørn versetzen.


Getragen wird der weitgehend als Kammerspiel angelegte subtile Psychothriller aber von den vier großartigen Hauptdarsteller:innen. Fast ganz auf die beiden Familien und das Waldhaus konzentriert sich Tafdrup nämlich. Genau trifft er dabei die Stimmung bei der Wiederbegegnung solcher Urlaubsbekanntschaften und erzeugt Unbehagen, indem er konsequent aus der Perspektive von Louise und Bjørn erzählt und die Zuschauer:innen in deren Lage versetzt.


Nachvollziehbar ist so, wie das Paar aus Höflichkeit viele Dinge akzeptiert, sich gleichzeitig aber doch zunehmend unwohl fühlt. Ganz alltäglich sind viele Szenen, doch ins Abgründige entwickelt der 45-jährige dänische Regisseur seine kleine Genreperle, wenn er zeigt, wohin die Höflichkeit und Zurückhaltung führen können, wenn die Gastgeber diese erbarmungslos ausnützen. Unglaubwürdig und damit ein kleiner Schwachpunkt von "Speak No Evil" ist allerdings, dass das dänische Paar auch am Ende keine Gegenwehr leistet.


Meisterhaft steigert Tadrup so das Unbehagen von Bjørn und Louise auch bei den Zuschauer:innen, lässt nach Konflikten Patrick sich immer wieder entschuldigen und Versöhnung anstreben, um dann doch wieder impulsiv zu agieren und beispielsweise den kleinen Abel bei einer Tanzvorführung heftig zu beschimpfen und niederzumachen. Irritation erzeugt aber auch, wie er bald ganz offen zugibt, dass er immer wieder mal lügt.


Auf kleiner Flamme köchelt Tadrup lange, setzt auf Slowburn-Horror statt auf knallige Effekte, steigert dann aber im letzten Drittel die Bedrohung und den Schrecken mächtig, als Bjørn eine schockierende Entdeckung macht. Bestechend schließt sich der Kreis zum Anfang auch am Ende, das ebenso wie der Verzicht auf ausführliche rationale Erklärungen dafür sorgt, dass dieser Thriller einen nicht so schnell loslassen, sondern nachhallen wird.


An Sprachversionen bieten die bei Plaion Pictures erschienene DVD, Blu-ray und 4K Ultra HD die dänisch-englische Originalfassung, zu der deutsche Untertitel zugeschaltet werden können, sowie die deutsche Synchronfassung. Die Extras umfassen neben dem Originaltrailer und dem deutschen Kinotrailer sowie einer Trailershow zu weiteren, bei Plaion Pictures erschienenen Filmen ein sehr informatives, deutsch untertiteltes 40-minütiges Interview mit dem Regisseur und Co-Drehbuchautor.



Trailer zu "Speak No Evil"



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