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AutorenbildWalter Gasperi

Serpico


1973 zeichnete Sidney Lumet den realen Kampf des New Yorker Polizisten Frank Serpico gegen Korruption innerhalb der Polizei nach. – Bei Studiocanal ist der durch seine realistische und schnörkellose Inszenierung sowie einen großartigen Al Pacino in der Hauptrolle immer noch packende Polizeifilm digital remastered auf DVD und Blu-ray erschienen.


Ein Einzelner gegen ein ganzes System. – Ein klassisches Thema von Sidney Lumet ("Sein Leben in meiner Gewalt") ist das, erzählte er doch schon in seinem fulminanten Debüt "12 Angry Men" ("Die zwölf Geschworenen", 1957) von einem Geschworenen, der sich gegen den Schuldspruch seiner elf Kollegen querstellt. Auch im Gerichtsdrama "The Verdict" (1981) kämpfte ein Anwalt allein gegen die Vertuschungsversuche eines ärztlichen Kunstfehlers in einem kirchlichen Krankenhaus. Gleichzeitig ließ ihn auch die Korruption in der New Yorker Polizei nicht los, sodass er "Serpico" acht Jahre später den meisterhaften "Prince of the City" (1981) folgen ließ.


Seine Heimatstadt New York ist spätestens seit "The Pawnbroker" ("Der Pfandleiher", 1964) auch der bevorzugte Schauplatz von Lumets Filmen. Hier spielen neben "Serpico" nicht nur der Bankräuberfilm "Dog Day Afternoon" ("Hundstage", 1975) und "Prince of the City", sondern sie wurden auch auf den Straßen der Millionenstadt gedreht.


Die berühmte Skyline bekommt man in "Serpico" aber nur einmal kurz im Hintergrund zu sehen, ganz auf Augenhöhe mit seinem Protagonisten Frank Serpico (Al Pacino) ist Lumet. Nah dran ist die Kamera von Arthur J. Ornitz, schafft ganz bewusst nie mit Totalen Weite, sondern isoliert Serpico mit diesen nahen Einstellungen immer mehr, sperrt ihn in den Räumen ein und überträgt seine sich steigernde Besessenheit und Angst direkt auf das Publikum.


Ausgehend von der Einlieferung Serpicos ins Krankenhaus aufgrund einer schweren Schussverletzung wird retrospektiv seine Geschichte erzählt. Einsetzend mit dem Abschluss der Polizeiakademie, bei dem der Direktor voll Pathos vom hohen Ethos und den Aufgaben der Polizei redet, folgt Lumet konsequent Serpicos Wegen. In jeder Szene ist der von Al Pacinos mit großer Wandlungsfähigkeit gespielte Protagonist präsent.


Trägt er zunächst noch Uniform und kurze Haare, so tauscht er den Streifendienst bald gegen Ermittlungen in Zivil ein und tritt dabei auch zunehmend ungepflegter auf, um besser ins Milieu eintauchen zu können. Bald entdeckt er, dass seine Kollegen nicht nur Verdächtige prügeln, um Aussagen zu erhalten, sondern, dass sie sich auch bestechen lassen. Weil er damit aber nichts zu tun haben will, lässt er sich versetzen. Rasch muss er aber feststellen, dass im neuen Revier die Bestechung ungleich größer ist. Packend wird so ein zunehmend größeres Netz der Korruption sichtbar, weil Serpico dabei aber konsequent nicht mitspielt, wird er zur Gefahr für seine Kollegen, wird nicht nur gemobbt, sondern auch bedroht.


Auch von den Vorgesetzten erhält er keine Unterstützung, denn diese sehen den Ruf der Polizei bedroht, wenn die Vorfälle an die Öffentlichkeit kommen. Nicht einmal der Bürgermeister will eingreifen. Vertuscht werden sollen die Missstände und statt - wie Serpico fordert - eine externe Untersuchungskommission einzusetzen, will man bestenfalls intern ermitteln. Wie so oft im amerikanischen Kino sind es auch hier erst die Medien, im konkreten Fall die New York Times, die mit einem Artikel Aktionen auslösen, gleichzeitig setzt sich dieser Unbestechliche damit aber noch mehr Anfeindungen und Drohungen aus.


Kein Zufall ist es hier, dass in der Literaturvorlesung, die Serpico in seiner Freizeit besucht, ausgerechnet "Don Quijote" behandelt wird, denn wie der spanische Edelmann kämpft auch er gegen Windmühlen. Eindrücklich zeigt Lumet auch, wie ihn dieser Kampf zunehmend belastet und zerfrisst. Weil er seinen Job über alles stellt und er immer wieder cholerisch reagiert, zerbrechen zwei Beziehungen, bei denen es sich im realen Leben um Ehen handelte, im Film aber "nur" um Freundinnen. Sein Privatleben geht förmlich den Bach runter, gleichzeitig ist er aber auch beruflich ein Außenseiter. Für die späte Würdigung hat er nur Spott übrig.


Wie gewohnt schnörkellos ist die Inszenierung Lumets. Dynamisch treibt er die Handlung voran und erzeugt Spannung auch durch die Einbettung in ein atmosphärisch dicht gezeichnetes Milieu. Keine Hochglanzbilder gibt es hier, sondern schmutzige, oft leicht grünstichige Bilder und kaltes Licht lassen in diese Welt der Polizeireviere und schäbigen Häuser oder die ziemlich chaotische Wohnung Serpicos eintauchen. Auch nach 47 Jahren wirkt dieser Polizeifilm damit immer noch ungeschminkt und kompromisslos, packt mit seiner kompakten Inszenierung und feiert unglamourös und unpathetisch Zivilcourage, zeigt aber auch den Preis, den Serpico dafür bezahlt.


An Sprachversionen bieten die bei Studiocanal digital remastered erschienene DVD und Blu-ray die englische Original-, die deutsche und die französische Synchronfassung sowie deutsche und französische Untertitel. Die Extras umfassen neben einem etwa 20-minütigen Interview mit Lumet über seine Liebe zu New York und dessen Bedeutung für seine Filme sowie einem Featurette über die Wahl Al Pacinos für die Rolle des Serpico eine 90-minütige Dokumentation über das Leben des realen Frank Serpico.


Trailer zu "Serpico"




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