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  • AutorenbildWalter Gasperi

Sein Leben in meiner Gewalt – The Offence


Ein psychisch schwer angeschlagener Polizist verprügelt bei einem Verhör einen Verdächtigen so schwer, dass dieser stirbt. Sidney Lumet zeichnet in dem bei Koch Media in einem Mediabook auf DVD und Blu-ray erschienenen fesselnden Psychothriller mit einem starken Sean Connery in der Hauptrolle Vorgeschichte und anschließende Ermittlung nach.


Schemenhaft liegt ein Auge über den ersten Bildern, der Ton ist zurückgenommen. In Zeitlupe bewegen sich Polizisten durch ein Polizeirevier, plötzlich kommt Hektik auf und in einem Verhörraum wird ein Polizist (Sean Connery) überwältigt, während die Rettung einen Schwerverletzten abtransportiert.


Abrupt springt Sidney Lumet nach diesem Einstieg zu einer Schule in einer Vorstadt von London. Eltern holen ihre Kinder ab, Polizisten, darunter auch der zuvor überwältigte Sergeant Johnson beobachten das Geschehen. Bald wird klar, dass nach einem Mann gefahndet wird, der schon mehrere Mädchen verschleppt und vergewaltigt hat. Trotz der Polizeipräsenz wird aber wenig später wieder ein Mädchen als vermisst gemeldet und bald als verstörtes Vergewaltigungsopfer in einem Wald gefunden.


Fast wortlos inszeniert Lumet diese Szenen, vertraut auf die Bildsprache, schildert in distanzierten Einstellungen nüchtern und kühl die Ereignisse. Fieberhaft fahndet die Polizei nach dem Täter, greift in der Nacht einen betrunkenen oder verwirrten Mann (Ian Bannen) auf, der aufs Revier gebracht wird.


Zum von Dialogen bestimmten Kammerspiel wandelt sich die 1973 entstandene Verfilmung von John Hopkins Theaterstück "This Story of Yours" damit und kehrt bald zur irritierenden Eröffnungsszene zurück, in die aber erst später genauerer Einblick geboten wird.


Wegen seines Vorgehens wird der Sergeant umgehend suspendiert – eine Kränkung, die bei ihm auf der Heimfahrt bruchstückhafte Erinnerungen an bestialische Verbrechen während seiner mehr als 20-jährigen Dienstzeit wachrufen. Sichtlich zerfressen haben ihn diese Erfahrungen, aber auch der Misserfolg im aktuellen Fall und der Umstand, dass er in den letzten zehn Jahren nie befördert wurde, haben ihn zum Zyniker und Sadisten gemacht, der auch zu Hause seine Frau beleidigt und beschimpft.


Wenig später wird er aber wieder von seinen Kollegen zu einer Ermittlung gegen ihn selbst abgeholt, da der von ihm verprügelte Verdächtige inzwischen im Krankenhaus verstorben ist. In die Befragung durch einen Vorgesetzten (Trevor Howard) mischen sich wieder Erinnerungen Johnsons an das Verhör, das tödlich endete.


Gewohnt schnörkellos hat Lumet, dem 1957 mit dem Gerichtsfilm "12 Angry Man – Die zwölf Geschworenen" der Durchbruch gelang, diesen in London gedrehten Thriller inszeniert. Von den Schauspielern wird das Kammerspiel getragen, aber auch das kahle, von Beton bestimmte Polizeirevier, die dissonante Musik von Harrison Birtwistle, die Dominanz von fahlen Grautönen und der stets wolkenverhangene Himmel sowie Regen in den Außenszenen sorgen für eine beklemmende Atmosphäre.


Gesteigert wird diese noch dadurch, dass in den Innenszenen ein Gefühl klaustrophobischer Enge erzeugt wird, indem vielfach Boden und Decke im Bild zu sehen sind. Starke Untersichten in den Szenen zwischen Johnson und seiner Frau unterstreichen wiederum seine Raserei und Aggressivität.


Dominiert wird dieser Psychothriller aber von der darstellerischen Leistung Sean Connerys, der ein dichtes Porträt dieses vom Beruf innerlich zerstörten Polizisten zeichnet. Stark ist aber auch Ian Bannen als sein Gegenpol, der erkennt, dass sich bei Johnson wie bei ihm durch jahrelange Demütigungen und Frustrationen ein hohes Aggressionspotential aufgestaut hat, und sein Gegenüber herauszufordern beginnt.


Den gestelzten und wenig lebensechten Dialogen merkt man zwar ihre Herkunft von der Bühne an und auch die Gliederung des Stücks in drei Akte ist deutlich sichtbar. Gleichzeitig befreit Lumet aber mit ungewöhnlichen Perspektiven wie den schon erwähnten Untersichten sowie Staffelung der Figuren im Raum seinen Film immer wieder vom Theaterhaften.


Einiges mutet er dem Zuschauer bei diesem fesselnden und verstörenden Thriller mit der Brutalität und dem Sadismus seines Protagonisten dabei zu, aber die Grundhaltung des Films ist selbstverständlich nicht zynisch oder sadistisch. Nicht zur Identifikation mit dem Protagonisten lädt Lumet ein, sondern distanziert ist sein Blick. Er deckt Abgründe in der menschlichen Seele auf und zeigt, dass sich im Innersten der potentielle Kinderschänder und der Sergeant sehr ähnlich sind. Keinesfalls entschuldigt werden dessen Aggression und Sadismus, aber Verständnis dafür soll durch die Einblicke in die beruflichen Erfahrungen geweckt werden.


An Sprachversionen bieten die bei Koch Media in einem Mediabook erschienene DVD und Blu-ray die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie Untertitel in diesen beiden Sprachen. Die Extras umfassen mehrere Interviews, unter anderem mit dem Komponisten, der Kostümbildnerin und dem Tonmischer, sowie eine Bildergalerie und den englischen Trailer.


Trailer zu "Sein Leben in meiner Gewalt"



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