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AutorenbildWalter Gasperi

Rose – Eine unvergessliche Reise nach Paris


Getragen von einer großartigen Sofie Gråbøl erzählt der Däne Niels Arden Oplev in einer feinfühligen Mischung aus Komödie und Drama bewegend von der Busreise einer schizophrenen Frau, bei der die Bedenken der Mitreisenden langsam in Sympathie umschlagen.


Schon die erste Einstellung, in der die etwa 40-jährige Inger (Sofie Gråbøl) im Bett liegt und ihre Haare kämmt, erweckt den Eindruck, dass diese Frau etwas anders ist. Bald treffen ihre frisch verheiratete Schwester Ellen (Lene Maria Christensen) und deren Mann Vagn (Anders W. Berthelsen) im Pflegeheim ein, um sie abzuholen. Obwohl die Helikopter-Mutter dagegen ist, will das Paar Inger den Traum von einer einwöchigen Busreise nach Paris erfüllen.


Während Nachrichten vom Tod Lady Dianas die Handlung im Spätsommer 1997 verankern, signalisieren Erinnerungsfetzen, dass Inger vor 20 Jahren in der französischen Hauptstadt lebte. Langsam bietet sie auch selbst Einblick in eine damalige unglückliche Liebe zu einem verheirateten Mann, die schließlich ihre Schizophrenie ausgelöst haben soll.


Die im Bus Mitreisenden reagieren zunächst distanziert auf Inger. Die Offenheit, mit der sie bei einer Vorstellungsrunde ihre Krankheit thematisiert, irritiert sie ebenso wie die Direktheit, mit der sie beispielsweise über Sex spricht. Vor allem der ältere Lehrer Andreas (Søren Malling) verhält sich ihr gegenüber brüsk und abweisend, während sich dessen etwa zwölfjähriger Sohn Christian langsam mit Inger anfreundet.


In klassischer Manier eines Roadmovies reihen sich Episoden aneinander, in denen einerseits sukzessive ein tieferer Einblick in Ingers Verfassung geboten wird, andererseits aber auch die Frage nach Normalität und Anderssein aufgeworfen wird. Menschlicher und feinfühliger als der verknöcherte Andreas erscheint da nämlich bald Inger, wenn sie bei einer Autobahnraststätte erst weiterfahren will, nachdem ein toter Igel angemessen begraben wurde, während Andreas nur an den Reiseplan denkt.


Auch in Frankreich erscheint Inger weniger als Klotz am Bein als vielmehr als wichtige Hilfe für die Reisegruppe, wenn sie mit ihren sehr guten Französischkenntnissen mehrfach Situationen rettet. Aber auch mit einer Interpretation von Edith Piafs "La vie en Rose" überrascht und begeistert sie die Reisegesellschaft. Andreas wird dabei durchgängig als Gegenfigur aufgebaut, wenn er mit seinem cholerischen und aggressiven Auftreten mehrfach für problematische Situationen sorgt.


So wirft Niels Arden Oplev, der sich zu seinem Film von einer realen Parisreise seiner beiden Schwestern – eine davon ebenfalls schizophren – inspirieren ließ, die Frage auf, wer hier eigentlich krank ist, und streicht den Wert der zunächst ausgegrenzten Inger für die Gemeinschaft heraus. Dem distanzierten Verhalten der Reisegesellschaft stellt er dabei auch die Offenheit des jungen Christian gegenüber, der keine Berührungsängste mit Inger kennt und den ihre Direktheit auch nicht stört, sondern vielmehr fasziniert.


Einerseits lässt Oplev so Inger immer wieder glückliche Momente erfahren und förmlich aufblühen, andererseits spart er aber mit Momenten der Verzweiflung auch die dunklen Seiten der Krankheit nicht aus. Wie einst dänische Dogma-Filme wie "Italienisch für Anfänger" pendelt auch "Rose – Eine unvergessliche Reise nach Paris" so sicher zwischen witzigen und bedrückenden Momenten, und berührt mit seiner Lebensnähe und seinem Einfühlungsvermögen.


Oplev verzichtet auf große dramatische Zuspitzungen und inszenatorische Finessen. Er erzählt geradlinig und unauffällig, bleibt im Alltäglichen und überlässt den Raum seinen Schauspieler:innen. Großartig ist vor allem Sofie Gråbøl, die ein vielschichtiges und bewegendes Porträt von Inger zeichnet, aber auch Lene Maria Christensen als sich mit Hingabe um ihre Schwester kümmernde, aber immer wieder mit der Situation überforderte Ellen überzeugt. Mit dieser Ellen, die Inger Freiraum lässt, baut Oplev auch einen Gegenpol zur Mutter auf, die mit ihrer Überfürsorge und Ängstlichkeit ihre schizophrene Tochter fast erdrückt.


Diese Differenziertheit im Blick auf die Krankheit und dem Umgang damit, in denen spürbar ist, dass Oplev genau weiß, wovon er erzählt, trägt wesentlich zur Stärke dieser Tragikomödie bei und macht sie zu einem berührenden, aber nie aufdringlichen Beitrag zur Entstigmatisierung von psychisch Kranken und einem hoffnungsfrohen Plädoyer für einen offenen und wertschätzenden Umgang mit Menschen, die etwas eigen, aber dadurch eben auch ganz besonders und genauso wertvoll sind.



Rose – Eine unvergessliche Reise nach Paris Dänemark 2022 Regie: Niels Arden Oplev mit: Sofie Gråbøl, Lene Maria Christensen, Anders W. Berthelsen, Søren Malling, Luca Reichardt Ben Coker, Peter Gantzler Länge: 106 min.



Läuft jetzt in den Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen.


Trailer zu "Rose - Eine unvergessliche Reise nach Paris"


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