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  • AutorenbildWalter Gasperi

Rifkin´s Festival

Aktualisiert: 27. Feb. 2022


Woody Allen erzählt in seinem 49. Film vor dem Hintergrund des Filmfestivals von San Sebastian von den Eheproblemen eines amerikanischen Filmprofessors und feiert gleichzeitig melancholisch die große Zeit des europäischen Autorenfilms. Die eigentliche Geschichte ist dünn, doch die liebevollen Zitate von Klassikern wie "Jules et Jim" und "Das siebente Siegel" entschädigen dafür.


Wie eh und je stimmen die weißen Titel auf schwarzem Grund und nostalgischer Jazz auf einen Film von Woody Allen ein. Retrospektiv wird die Geschichte ausgehend und gerahmt von einer psychotherapeutischen Sitzung des pensionierten New Yorker Filmprofessors Mort Rifkin (Wallace Shawn) erzählt.


Nach London für "Match Point" (2005), "Scoop" (2006) und "Cassandras Traum" (2007), Barcelona für "Vicky Cristina Barcelona" (2008), Paris für "Midnight in Paris" (2011), Rom für "To Rome With Love" (2012) und die Côte d´Azur für "Magic in the Moonlight" (2014) hat der eingefleischte New Yorker bei seiner filmischen Europa-Tour San Sebastian als fotogene Kulisse entdeckt. In lichtdurchfluteten und in warme Farben getauchten Bildern rückt Starkameramann Vittorio Storaro ("Apocalypse Now", "Der letzte Kaiser") die Schönheiten der baskischen Metropole ausgiebig ins Bild.


Mort Rifkin hat sich nur auf Drängen seiner Frau Sue (Gina Gershon) zum Besuch des Filmfestivals am Golf von Biskaya überreden lassen. Sie fungiert als Pressereferentin des französischen Regisseurs Philippe (Louis Garrel), den Mort so wenig ausstehen kann wie dessen Filme. Von Anfang an verdächtigt er Sue, dass sie mehr als nur eine berufliche Beziehung zu Philippe hat, und zunehmend verstärkt sich sein Verdacht.

Als diese Sorge bei ihm Brustschmerzen auslöst, konsultiert er einen Arzt, der sich als attraktive, rund 40 Jahre jüngere Spanierin (Elena Anaya) entpuppt. Bald täuscht Mort so weitere Beschwerden vor und versucht mit Frau anzubandeln.


Unübersehbar ein Alter Ego Allens ist dieser Protagonist mit seinem Besuch des Psychiaters, der Hypochondrie, den Frauenproblemen, dem jüdischen Background, vor allem aber mit seiner Cinephilie. Denn immer wenn der Filmprofessor nachdenkt oder träumt, erfolgt dies in Variationen von Klassikern des – vorwiegend europäischen - Autorenkinos.


Mit "Citizen Kane" erinnert Mort sich so an seine Kindheit, mit Fellinis "Otto e mezzo", den Allen schon vor 40 Jahren mit "Stardust Memories" auf seine eigene Situation übertragen hat, plagen ihn Versagensängste beim Schreiben seines Romans, mit Truffauts "Jules et Jim" fantasiert er eine Dreiecksbeziehung zwischen seiner Frau Sue, Philippe und sich selbst.

Liebevoll und ganz im Stil dieser Filme sind diese Szenen in Schwarzweiß gefilmt und zitieren legendäre Momente. Auf Claude Lelouchs "Un homme et une femme" stimmt schon die legendäre Filmmusik von Francis Lai ein, bei Godards "A bout de souffle" geht ein originaler Filmausschnitt in Morts Adaption für seine Situation über. Auch Bunuel fehlt nicht und vor allem Bergman, der für Allen seit seinen Anfängen nacheiferte und den er mit wenig Erfolg in "Interiors" (1978) zu kopieren versuchte.


Wie ein Abschlusswerk wirkt dieser Film, wenn Allen noch einmal all das feiert, wofür er schon in den 1970er Jahre in ""Annie Hall" ("Der Stadtneurotiker", 1977) und "Manhattan" (1979) schwärmte. Wie schon in "Love and Death" ("Die letzte Nacht des Boris Gruschenko", 1975) tritt so auch hier der Sensenmann (Christoph Waltz) aus Bergmans "Das siebte Siegel" auf und spielt mit Mort Schach, doch der Tod scheint für Allen den Stachel verloren zu haben. Komödiantisch legt er diese Szene an, denn der Tod gibt hier Ernährungs- und Verhaltenstipps für ein langes Leben und fordert mit dem Hinweis auf Camus´ Interpretation des Mythos von Sisyphus zum Genuss des Augenblicks auf.


Als Kernstück des Films muss man diese melancholische Hommage an die große Ära des (europäischen) Autorenfilms ansehen. Wirklich genießen können diese freilich nur cinephile Kenner. Die Ehegeschichte bleibt dagegen äußerst dünn, der Witz der Dialoge bleibt bescheiden. Wie ein Aufhänger für die Film-im-Film-Szenen wirkt die Handlung und präsentiert im Blick auf die Spanierin zudem wieder einmal Allens längst überholtes Frauenbild. Darüber kann auch die leichthändige Inszenierung, die diese Petitesse wie locker aus dem Ärmel geschüttelt wirken lässt, nicht hinwegtäuschen.


Rifkin´s Festival Spanien / USA / Italien 2020 Regie: Woody Allen, mit: Wallace Shawn, Gina Gershon, Louis Garrel, Elena Anaya, Sergi López, Christoph Waltz. Länge: 88 min.

Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan.


Trailer zu "Rifkin´s Festival"


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