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Reise in die Urzeit

Autorenbild: Walter GasperiWalter Gasperi

Der Tscheche Karel Zeman zählt zu den großen Pionieren des Animationsfilms. Bei Filmjuwelen ist sein Mix aus Abenteuerfilm und Lehrfilm, in dem vier Jugendliche mit einem Boot in die Frühzeit der Erdgeschichte reisen, auf DVD und Blu-ray erschienen.


Die Romane von Jules Verne haben den Tschechen Karel Zeman (1910 – 1989) entscheidend geprägt. Nach seiner Arbeit in der Werbebranche ließ er sich so vom berühmten Franzosen zu "Die Erfindung des Verderbens" (1958), "Das gestohlene Luftschiff" (1967) - eine freie Verfilmung von "Zwei Jahre Ferien" - und "Auf dem Kometen" (1970) - eine Adaption von "Reise durch die Sonnenwelt" - inspirieren. Als Vorlage für "Reise in die Urzeit" (1955) diente ihm wiederum Vernes Roman "Die Reise zum Mittelpunkt der Erde".


Computergenerierte Animation war in den 1950er und 1960er Jahre noch fern, dafür verlieh Zeman mit der Mischung von Realfilm und inszenierten Szenen sowie der liebevollen Arbeit mit Puppentricks, Stop-Motion-Animation und Hinterglasmalerei seinen Filmen einen zeitlosen poetischen Reiz. Eindrücklich vermittelt Rolf Giesen in seinem Audiokommentar Einblick in die vielfältigen Animationstechniken, die der Tscheche verwendete, informiert aber auch über die urzeitlichen Tiere, die jeweils zu sehen sind.


Ausgehend vom Blick des etwa zwölfjährigen Petr (Josef Lukás) in sein Tagebuch, das er während des Sommers verfasst hat, setzt eine Rückblende zum Abenteuer ein, das er erlebt hat. Weil der Fund eines versteinerten Trilobiten bei seinem Freund Jirka den Wunsch weckt, das ausgestorbene Tier einmal lebend zu sehen, brechen Petr, Jirka und zwei weitere Jugendliche mit einem Ruderboot zu einer Fahrt durch eine Höhle auf, die sie bald auf einen Eissee führt.


Statt zu einer Reise in den Raum entwickelt sich eine Fahrt zurück in die Erdgeschichte, bei der der Fluss für den Strom der Zeit steht. An die Stelle der Eiszeit tritt so mit Fortsetzung der Reise bald die Welt der Mammuts und Säbelzahntiger, in der die vier Jugendlichen in einer Höhle auch auf Höhlenmalereien stoßen. Als sie ihre Fahrt fortsetzen, werden sie zunächst von urzeitlichen Vögeln angegriffen und dann Zeugen eines Kampfs von Dinosauriern, bis sie schließlich im Silur am urzeitlichen Meer stehen, aus dem alles Leben entstand und wo sie auch einen lebenden Trilobiten finden.


Ganz in der Tradition der darwinistischen Evolutionstheorie steht der tschechische Film, von Gott ist dagegen nie die Rede. Eine echte Spielwiese für Zemans Trickkünste bot die Fülle an urzeitlichen Tiere. Hier konnte der Tüftler sich richtig austoben, glitt aber nicht in Fantasie ab, sondern holte sich den Paläontologen Josef Augusta als wissenschaftlichen Berater und den Illustrator Zdeněk Burian, um wissenschaftliche Korrektheit bei der Gestaltung der Tiere zu erreichen.


Mehr noch als Abenteuerfilm um die vier Buben, die die einzigen menschlichen Figuren des Films sind, ist "Reise in die Urzeit" nämlich als Lehrfilm für den Unterricht angelegt. Ganz auf die Reise fokussiert Zeman, bringt keine Familiengeschichten ins Spiel, sondern verbindet mit leichter Hand spannende Unterhaltung mit vier unterschiedlich gezeichneten Protagonisten mit Informationen, die dem Erkenntnisstand der Paläontologie der 1950er Jahre entsprechen.


Unterstützt wird dieser belehrende Charakter immer wieder durch eine Karte zu den verschiedenen Phasen der Urgeschichte, die die vier Jungs zwecks Orientierung im Strom der Zeit mehrfach hervorziehen. Nie drängt sich aber der pädagogische Impetus zu sehr in den Vordergrund, sondern immer sorgen die Fülle der Tiere und deren liebevolle Animation für Sehgenuss.


Mit der Perfektion von heutigen computergenerierten Tricks können die Animationen Zemans nicht mithalten, aber gerade mit ihrem Einfallsreichtum, den unterschiedlichen Techniken und der liebevollen Handarbeit strahlen sie einen Charme aus, der auch fast 70 Jahre nach der Entstehung des Films immer noch wirkt und "Reise in die Urzeit" zu einer immer noch sehenswerten (Wieder) Entdeckung nicht nur für Kinder macht.


An Sprachversionen verfügen die bei Film- und Fernsehjuwelen erschienene DVD und Blu-ray über die tschechische Originalfassung, zu der deutsche Untertitel zugeschaltet werden können, sowie die ostdeutsche Synchronversion der DEFA von 1955 und die westdeutsche des ZDF von 1976. Die jeweils deutsch untertitelten, umfangreichen Extras umfassen Featurettes zu Karel Zemans Motivation für den Film (2 Min.), den Spezialeffekten mit Modellaufnahmen (1 Min.), den Spezialeffekt-Techniken (3 Min.), der filmischen Welt Karel Zemans (15 Min.), die mit zahlreichen Ausschnitten Einblick in sein Schaffen und seine Beeinflussung durch Georges Méliès vermittelt, sowie über Zemans Biografie (12 Min.), über die Drehorte (5 Min.) und die Restaurierung des Films (2 Min).


Dazu kommt neben dem Kinotrailer und einem digitalen Booklet des Filmhistorikers Rolf Giesen auch ein Audiokommentar von Giesen, in dem er nicht nur ausführlich über Karel Zeman, den Paläontologen Josef Augusta und den Illustrator Zdeněk Burian spricht, sondern immer wieder auch konkret die Machart einzelner Szenen analysiert. – Bei der Blu-ray findet sich unter den Extras auch noch die 1960 entstandene US-Fassung des Films.



Trailer zu "Reise in die Urzeit"



 

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