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  • AutorenbildWalter Gasperi

Phase IV


In seinem einzigen langen Spielfilm erzählt Saul Bass, der vor allem für seine Vorspanne unter anderem für Hitchcocks "Psycho" und "Vertigo" bekannt ist, von Ameisen, die die Herrschaft des Menschen brechen. Der visuell brillante, minimalistische Tierhorrorfilm aus dem Jahr 1974 ist bei Capelight Pictures auf DVD sowie in einem Mediabook auf DVD und Blu-ray erschienen.


Als Designer genialer Vorspanne ist der Amerikaner Saul Bass (1920 - 1996) vor allem bekannt. Nicht nur für Hitchcocks "Psycho" und "Vertigo" und für Otto Premingers "Der Mann mit dem goldenen Arm" leistete er hier Wegweisendes, sondern beispielsweise auch für die Vorspanne von Ridley Scotts "Alien" sowie Martin Scorseses "Good Fellas" und "Casino" zeichnet er verantwortlich.


Selbst Regie führte Bass aber nur bei mehreren Kurzfilmen und 1974 beim 84-minütigen Spielfilm "Phase IV". Wie ein Dokumentarfilm beginnt dieser Science-Fiction-Horrorfilm, wenn ein Biologe (Nigel Davenport) aus dem Off zu Bildern des Universums von einer kosmischen Erscheinung berichtet, die seiner Meinung nach die Ursache für die Veränderung des Verhaltens der Ameisen ist. Sobald dieser Ernest Hubbs näher darauf eingeht, dass sich verfeindete Ameisenarten verbündet haben und die Population ihrer natürlichen Feinde markant zurückgegangen ist, kommen auch die kleinen Krabbler ins Bild.


In fantastischen Makroaufnahmen fängt Kameramann Ken Middleham die sich rasend schnell vermehrenden Tiere ein. Zurückgreifen konnte der auf Zeitlupen- und Zeitrafferaufnahmen von Insekten, Vögeln und Pflanzen spezialisierte Middleham dabei auf seine Arbeit beim Mockumentary "Die Hellstrom Chronik", in der es ebenfalls um eine Machtübernahme der Ameisen geht.


Tauchen in anderen Tierhorrorfilmen die Aggressoren in der Regel nur punktuell auf, so werden sie hier immer wieder ins Bild gerückt und bilden einen starken Gegenpol zu den menschlichen Protagonist:innen. Bruchlos gehen dabei reale Aufnahmen und Trickaufnahmen ineinander über. Im Gegensatz zu den Horrorfilmen der 1950er Jahre wie "Tarantula" oder "Formicula" wachsen die Ameisen hier auch nicht ins Riesige, sondern entwickeln sich allein durch ihre Zahl und ihre neue Lernfähigkeit zur Gefahr für den Menschen.


Weil die Ameisen bald andere Tiere und Menschen aus der Halbwüste Arizonas weitgehend vertreiben, richtet Hubbs vor Ort ein Labor ein, um zusammen mit einem Kommunikationswissenschaftler (Michael Murphy) das Verhalten der Ameisen zu erforschen. Bald rettet sich auch eine junge Frau (Lynne Frederick) aus der noch einzig bewohnten Farm nach einem Angriff der Ameisen in diese Station, während ihre Großeltern umkommen.


Reduziert auf diesen engen Raum und die beiden Wissenschaftler sowie die junge Frau als einzige menschliche Charaktere entwickelt sich in weiter Öde ein dichter, kammerspielartiger Thriller, bei dem die Ameisen aus jedem Angriff der Menschen letztlich gestärkt hervorgehen. Sie lernen nämlich nicht nur, sich auf die menschlichen Waffen einzustellen, sondern werden auch zudem selbst aktiv, um die Forschungsstation zu schwächen oder gar auszuschalten. Gleichzeitig versucht aber der Kommunikationswissenschaftler mit der fremden Macht Kontakt aufzunehmen und erhält schließlich via Computer sogar eine Antwort.


So fasziniert "Phase IV" nicht nur durch seine brillante visuelle Gestaltung, bei der die Herkunft Bass´ vom Grafikdesign spürbar ist, sondern auch durch die Auseinandersetzung mit der Frage der Kommunikation mit einer gänzlich anderen Spezies. Zudem bricht Bass mit der Verweigerung eines Happy Ends mit klassischen Hollywood-Konventionen. Noch weiter als beim offiziellen Ende ging der Amerikaner freilich beim ursprünglich geplanten Schluss, der sich als Bonus auf der DVD befindet und bei dem sich "Phase IV" zum psychedelischen Experimentalfilm steigert.


Neben diesem Ende, das nach negativen Publikumsreaktionen bei Testscreenings geändert wurde, bietet die bei Capelight Pictures erschienene DVD einen Vergleich des offiziellen Anfangs mit einem geringfügig abweichenden alternativen Anfang sowie neben dem amerikanischen und dem deutschen Kinotrailer einen – allerdings nur englischen – Audiokommentar der Filmhistoriker Allan Bryce und Richard Holliss.


Das Mediabook, das nicht zur Sichtung zur Verfügung stand, bietet zusätzlich ein 44-seitiges Booklet sowie eine Bonus Blu-ray. Diese enthält Bass´ Kurzfilme "The Searching Eye", "Why Man Creates", "Notes on the Popular Arts", "The Solar Film" und "Quest" sowie die Featurettes "An Ant´s Life – Die Kontexualisierung von 'Phase IV'" und "Bass on Titles" und einen Vorher-Nachher-Vergleich zur Restaurierung des Films. An Sprachversionen werden die englische Originalfassung und die deutsche Synchronfassung sowie englische und deutsche Untertitel angeboten.


Trailer zu "Phase IV"




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