Ein ungleiches Duo, das durch schwere Verluste traumatisiert ist, kommt sich auf einer Reise mit einem Wohnmobil langsam näher: Altbekannt ist die Geschichte, doch das Spiel von Luna Wedler und Edgar Selge sowie eine gefühlvolle Regie sorgen dafür, dass Eileen Byrnes tragikomisches Langfilmdebüt dennoch berührt.
Zwei gegensätzliche Charaktere auf eine Reise zu schicken, sich aneinander zu reiben und sich langsam näher zu kommen, gehört wohl zu den beliebtesten Konstruktionen von Filmen. Von Komödien wie Frank Capras "It Happened One Night" bis zur Tragikomödie "80 Plus" bietet dieser Aufbau die Möglichkeit die äußere Bewegung mit einer inneren Wandlung zu verknüpfen und der Wechsel von Gesprächen oder Begegnungen sowie Fahrtszenen soll dafür sorgen, dass kein Leerlauf aufkommt.
Gleichzeitig kann man mit Landschaftsaufnahmen wie in diesem Fall von Tirol und Südtirol aber auch Förderer wie Cine Tirol und die IDM Film Commission Südtirol als Unterstützer gewinnen, kann so ein Film doch auch den Tourismus ankurbeln. Nicht nur auf dieser Ebene wirkt das tragikomische Langfilmdebüt der Luxemburgerin Eileen Byrne sehr kalkuliert und konstruiert, sondern auch auf der Figuren- und Handlungsebene.
Da steht nämlich nicht nur einem alten Mann (Edgar Selge) eine junge Frau (Luna Wedler) gegenüber, sondern beide verbinden zudem ähnliche tragische Schicksalsschläge. Ganz nach den Mechanismen solcher Roadmovies trennen sich auch in dieser Verfilmung von Jasmin Schreibers 2020 erschienenem sehr erfolgreichem gleichnamigem Romandebüt die beiden Protagonist:innen mehrmals, um dann doch wieder zueinander zu finden.
Trotz dieser Schwächen sorgen aber eine gefühlvolle Regie und vor allem die beiden bestens harmonierenden Hauptdarsteller:innen Luna Wedler und Edgar Selge dafür, dass diese Tragikomödie berührt. Feinfühlig lotet Byrne die tiefe Trauer Paulas (Luna Wedler) aus, die der Tod ihres etwa zehnjährigen Bruders Tim ausgelöst hat. Mitschuldig fühlt sich die junge Frau, die ihr Studium der Meeresbiologie nach dem tödlichen Unfall abgebrochen hat, dass Tim ertrunken ist, da sie ihn als ältere Schwester nicht beschützt hat.
Wie versunken im 11.000 Meter tiefen Marianengraben fühlt sie sich. Keine Luft glaubt sie zu bekommen und der Druck droht sie zu zerquetschen, bis sie aus diesen Alpträumen aufwacht. Allzu exzessiv mag Byrne mit dieser Metapher spielen, gleichzeitig vermittelt dieses Bild aber auch eindringlich die Verfassung Paulas.
Mut macht ihr einzig ihr verstorbener kleiner Bruder, der ihr als imaginärer Begleiter immer wieder gut zuredet. An seinem Geburtstag will sie nachts an seinem Grab um ihn trauern, trifft auf dem Friedhof aber auf den alten Helmut, dem sie helfen soll die Urne seiner verstorbenen Ex-Frau Helga auszugraben. Als sie entdeckt werden, flüchten sie gemeinsam.
Weil Paula den Unfallort ihres Bruders am Strand von Triest aufsuchen will, um dem Verstorbenen nahe zu sein, beschließt sie, Helmut in seinem Wohnmobil nach Südtirol zu begleiten. Dort will er nämlich die Asche Helgas im Garten ihres Ferienhauses begraben.
Gegensätze prallen mit der in tiefer Trauer erstarrten und dem griesgrämigen alten Mann aufeinander. Kontroversen bleiben nicht aus, gleichzeitig kommen sie sich aber auch durch groteske Erlebnisse wie die Flucht vom nächtlichen Friedhof, eine Begegnung mit Nacktbadern oder eine Täuschung der Polizei langsam näher. Zudem öffnen sie sich sukzessive dem jeweils anderen. Beharren sie zunächst auf ihrer Privatsphäre, erzählt Paula dann doch Stück für Stück vom Tod ihres Bruders, während Helmut Einblick in einen lange zurückliegenden, aber nie wirklich überwundenen Verlust bietet.
Ganz auf ihre beiden Protagonist:innen fokussiert Byrne, Nebenfiguren gibt es außer den kurzen Auftritten des imaginären Tim keine. Viel Raum lässt die Regisseurin so Luna Wedler und Edgar Selge, die es großartig verstehen diesen zu nutzen. Bewegend machen sie die Nachwirkungen des Verlusts, die Schwierigkeit darüber hinwegzukommen, aber auch Schuldgefühle spürbar.
Aufregendes modernes und überraschendes Kino wird so zwar kaum geboten. Aber auch wenn der Weg von Beklemmung und Niedergeschlagenheit trotz eines weiteren Verlusts zu innerer Befreiung und tröstlich-optimistischem Ende ganz den Mechanismen vieler Tragikomödien folgt, so berührt "Marianengraben" dank der Lebensnähe der Gefühle, die jeden betreffen, doch und überzeugt auch durch die sichere Mischung von Witz und Ernst, die ein Abgleiten in Sentimentalität verhindert.
Marianengraben Luxemburg / Italien / Österreich 2024 Regie: Eileen Byrne mit: Luna Wedler, Edgar Selge, William Vonnemann, Martin Maria Abram, Dominik Raneburger Länge: 87 min.
Läuft derzeit in den deutschen und österreichischen Kinos.
TaSKino Feldkirch im Kino GUK: Do 19.12. bis Sa 21.12.
Spielboden Dornbirn: Sa 21.12., 19.30 Uhr
Trailer zu "Marianengraben"
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