Clark Gable und Claudette Colbert als ungleiches Duo, das sich auf der Fahrt von Florida nach New York ständig streitet, aber auch langsam näher kommt. – 90 Jahre alt ist Frank Capras prototypische Screwball-Komödie, hat aber nichts von ihrem Witz und Charme verloren und wirkt so frisch und spritzig wie einst. - Bei Sony Pictures (Vertrieb: Plaion Pictures) ist der Klassiker in 4K-Restaurierung auf Blu-ray erschienen.
Columbia Pictures hielt 1934 nicht viel von Frank Capras Idee, Samuel Hopkins Adams´ Kurzgeschichte "Night Bus"´, die von der Flucht einer Millionärstochter handelt, zu verfilmen. Klein war das Budget, groß die Probleme bei der Besetzung der Hauptrollen. Claudette Colbert übernahm die Rolle nur gegen das Doppelte ihrer üblichen Gage, Clark Gable soll von MGM-Chef Louis B. Mayer gezwungen worden sein, die Rolle anzunehmen, um ihn für sein aufsässiges Verhalten zu bestrafen.
Zudem war die Drehzeit mit vier Wochen sehr kurz, dennoch begründete "Es geschah in einer Nacht" nicht nur das Subgenre der Screwball-Komödie, sondern war bis zu Milos Formans "Einer flog über das Kuckucksnest" auch der einzige Film, der in den Hauptkategorien bester Film, beste Regie, bestes Drehbuch, bester Hauptdarsteller und beste Hauptdarstellerin je einen Oscar gewann.
Die Geschichte ist im Grunde einfach: Ein reicher Bankier hält seine Tochter (Claudette Colbert) auf seiner Yacht vor Florida fest, um ihre Heirat mit einem Flieger und Playboy zu verhindern. Die Tochter aber haut ab, will sich mit dem Bus nach New York zu ihrem Geliebten durchschlagen, muss aber auf der Fahrt mit einem soeben gefeuerten Reporter (Clark Gable) zusammenspannen, damit dieser sie nicht an ihren Vater ausliefert.
Unsympathisch sind sich die ungleichen Reisegefährten zunächst: Sie hält seine direkte Art nicht aus, er hält sie für eine verzogene reiche Göre, die lebensunfähig ist. Doch weil im Bus keine anderen Plätze frei sind, müssen sie zunächst nebeneinander sitzen, dann aus Geldmangel ein Motelzimmer teilen, als sie bei einem Halt den Bus verpassen, und schließlich gemeinsam Auto stoppen, als der nächste Bus von der Straße abkommt.
Ein klassisches Roadmovie ist das, ganz auf die beiden blendend harmonierenden Hauptdarsteller:innen zugeschnitten. Die Stärke liegt einerseits in der schnörkellos-temporeichen Inszenierung, andererseits in Capras Gespür für Details.
Fließend gehen hier treffsichere Dialoge und Bildwitz ineinander über, wenn die Millionärstochter angesichts strömenden Regens nolens volens doch mit dem Journalisten das Zimmer teilen muss, wenn sie einen herrlichen Ehestreit vortäuschen, um die Detektive des Vaters zu düpieren oder wenn er mit seinem Daumen beim Autostoppen erfolglos ist, während sie mit ihrem bloßen Bein sogleich einen Autofahrer zum abrupten Anhalten bewegt.
Keinen Leerlauf gibt es hier, eine großartige Szene folgt auf die nächste. Wie Gable die verwöhnte junge Frau motivieren will rohe Karotten zu essen, ist ebenso hinreißend, wie eine Szene, in der er sie durch einen Fluss trägt und sich eine Diskussion über "Huckepack" entwickelt und legendär ist nicht nur die Szene, wie sie im Motelzimmer mit einer Wolldecke quasi eine Wand einziehen und so gleichzeitig getrennt und sich doch nah sind.
Visuell beeindruckt dieser Klassiker wieder dadurch, wie Kameramann Joseph Walker die ländlichen USA einfängt oder wie er Claudette Colberts Gesicht immer wieder durch Lichtsetzung zum Leuchten bringt.
Die Romantik der sich anbahnenden Liebesbeziehung wiederum wird mit einem gehörigen Maß Ironie gebrochen und auch die Bitterkeit der Depressionszeit bleibt nicht außen vor. Denn da fällt eine Mutter im Bus in Ohnmacht, weil sie und ihr Sohn schon lange nichts mehr gegessen haben und auf der Suche nach Arbeit unterwegs nach New York sind, und auf einem Güterzug passieren zahlreiche Hobos das Duo.
Klassengegensätze treffen freilich schon mit den beiden Protagonist:innen aufeinander und am Ende führt Capra mit mondäner Wohnung und elegantem Hochzeitskleid mit endlosem Schleier auch den Luxus vor Augen, der in Kontrast zum Leben der einfachen Leute steht.
Dazu versteht es Capra aber auch zahlreiche weitere gesellschaftliche und technische Entwicklungen der Zeit einzubauen. So spielt die Fahrt mit dem Greyhound-Bus eine zentrale Rolle, Unterkunft findet man unterwegs in den neu aufblühenden Motels und der Geliebte der Millionärstochter fliegt zur Hochzeit mit einem Hubschrauber ein.
Aber auch als Musterbeispiel für die Werbewirkung von Stars gilt dieses Meisterwerk: So soll der Film bei der amerikanischen Unterwäsche-Industrie einen deutlichen Umsatz-Rückgang verursacht haben, da Gable, als er sich im Motel auszieht, unter dem Hemd kein Unterhemd trägt.
Wichtige Rolle spielt in dieser großen Komödie aber auch die Presse, die einerseits die Flucht der jungen Dame ausschlachtet, andererseits natürlich auch aus ihrem Wiederauftauchen eine große Geschichte machen will. Souverän arbeitet Capra so auch mit Parallelmontagen, mit denen Spannung aufgebaut wird und die um das Glück des Paares zittern lassen.
So bekommt man hier immer noch eine perfekt geölte Kinomaschine präsentiert, der man die Konstruktion freilich nie anmerkt, sondern die immer unglaublich frisch und organisch wirkt. Immer noch wird so beste Unterhaltung auf höchstem Niveau geboten.
An Sprachversionen bietet die bei Sony Pictures (Vertrieb: Plaion Pictures) in 4K-Restaurierung erschienene Blu-ray neben der englischen Original- und der deutschen Synchronfassung mehrere weitere Sprachfassungen. Auch Untertitel gibt es nicht nur in Deutsch, Englisch und Französisch, sondern ebenfalls in zahlreichen weiteren Sprachen.
Die Extras umfassen neben Trailer und Bildergalerie einen zehnminütigen deutsch untertitelten Kommentar zur Produktion und Rezeption des Films von Frank Capra Jr. sowie einen nicht untertitelten Audiokommentar ebenfalls vom Sohn des Regisseurs und eine etwa einstündige englische Live-Radiosendung zum Film.
Trailer zu "Es geschah in einer Nacht - It Happened One Night"
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