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AutorenbildWalter Gasperi

Maixabel – Eine Geschichte von Liebe, Zorn und Hoffnung


Rund 830 Menschen fielen zwischen 1960 und 2010 dem Terror der baskischen Untergrundorganisation ETA zum Opfer. Icíar Bollaín greift einen Fall heraus und erzählt bewegend von Schmerz und Trauer der Hinterbliebenen, aber auch von der Möglichkeit und der Notwendigkeit der Versöhnung.


Alles geht am 29. Juli 2000 ganz schnel:. Ein Wagen hält vor einem Restaurant in dem bei San Sebastian gelegenen Tolosa. Zwei Männer stürmen in das Lokal. Einer zieht eine Pistole, legt auf den Kopf eines Gastes an und drückt zweimal ab. Dann rennen die Täter aus dem Restaurant und fliehen in ihrem weißen Renault, stecken ihn bei ihrer Unterkunft in Brand und feiern den erfolgreichen Anschlag.


Dem gegenüber steht der Schock, die Wut und Trauer bei den Hinterbliebenen: Maixabel Lasa (Blanco Portillo) reagiert zunächst nicht auf das Klingeln des Telefons. Doch als es ununterbrochen weiterklingelt, sieht man ihrem Gesicht schon an, dass sie befürchtet, dass Schreckliches passiert ist. So nimmt sie doch ab und erhält die Nachricht, dass ihr Mann Juan Maria Jauregui, der sozialistische Zivilgouverneur der baskischen Provinz Gipuzkoa niedergeschossen wurde. Im Krankenhaus wird sie erfahren, dass er inzwischen verstorben ist.


Die 19-jährige Tochter Maria wird die Nachricht erhalten, während sie am Strand mit Freundinnen feiert. Nichts muss ihre Tante sagen, allein deren unerwartete Ankunft löst einen Schock aus und lässt Maria zusammenbrechen.


Mit zupackender und dichter Inszenierung, vor allem aber mit der Parallelmontage erzeugt Icíar Bollaín großen Druck und Spannung. Intensiv macht sie die explosive Stimmung im Baskenland der Jahrtausendwende und die ständige Angst vor Terroranschlägen spürbar.


Schon während der Diktatur Francos versuchte die ETA vor allem mit terroristischen Anschlägen ihr Ziel eines von Spanien unabhängigen sozialistischen Staates zu erreichen. Nach Francos Tod (1975) und Spaniens Übergang zur Demokratie führte die baskische Untergrundorganisation ihren Kampf weiter. Erst 2011 kam es zu einem Waffenstillstand, 2018 löste sich die ETA schließlich auf.


Mit einem Schnitt überspringt Bollaín ("El Olivo", "Yuli", "Rosas Hochzeit") vier Jahre und verdichtet die Gegensätze beim Prozess gegen die inzwischen verhafteten Attentäter, die das Gericht grundsätzlich nicht anerkennen.


Mit einem weiteren Schnitt werden nochmals sieben Jahre übersprungen und Bollaín dringt zum Kern der Erzählung vor. Auf der einen Seite steht die Witwe Maixabel Lasa, die sich seit 2001 als Direktorin des Büros für Opfer des Terrorismus, aber auch für Opfer von Polizeigewalt ganz im Sinne ihres ermordeten Mannes für Versöhnung einsetzt. Auf der anderen Seite stehen die zwei inhaftierten Attentäter Ibon (Luis Tosar) und Luis (Urko Olazabal), die um ein Gespräch mit Maixabel bitten.


Kern des Films sind nicht nur diese Gespräche, sondern auch die Vorarbeit einer Mediatorin, die mit bohrenden Fragen die Reuegefühle der beiden Mörder auf ihre Echtheit prüft. Nüchtern inszeniert Bollaín nicht nur diese Gespräche in sachlicher Schuss-Gegenschussstrategie, sondern auch und vor allem die anschließenden Treffen mit Maixabel.


Ganz auf die Schauspieler*innen vertraut sie hier und Großartiges leisten Blanca Portillo als Witwe und Luis Tosar und Urko Olazabal als reuige Täter. Spürbar wird in Blicken und Gesten die ungebrochene Trauer und unterdrückte Wut Maixabels, aber auch ihr Wille den Tätern eine zweite Chance zuzugestehen. Andererseits machen Tosar und Olazabal auch das Bedauern über ihre Tat und den Umstand, dass sie sich in diesen blinden ETA-Terrorismus drängen ließen, erfahrbar.


Eindringlich zeigt Bollaín, wie die beiden Attentäter mit diesem Sinneswandel selbst zu Außenseitern werden und von weiterhin verbohrten ETA-Mitgliedern als Verräter abgestempelt werden. Aber auch wie die Vergangenheit permanent in die Gegenwart hereinwirkt, wird erfahrbar, wenn bei Maixabel Erinnerungen an den Anruf vom Attentat oder bei Ibon bei einer Fahrt durch Tolosa Erinnerungen an die diversen Anschläge aufsteigen. Bebildern muss Bollaín diese Erinnerungen nicht, die Tonspur mit dem Klingeln des Telefons oder den Gedanken an die Schüsse beim Anblick bestimmter Orte reichen völlig.


Mit diesen Gesprächen der Witwe des Opfers mit den Tätern weist Bollaín aber auch – auch hier stellt sie sich in die Tradition des ermordeten Juan Mari Jauregui, der immer für einen Dialog eintrat – den Weg zur Versöhnung, in dem einzig die Zukunft liegen kann. Verstört mögen Verwandte, Freunde und Bekannte Jaureguis in der bewegenden Schlussszene zunächst reagieren, als Maixabel Ibon zur Gedenkfeier für ihren ermordeten Mann mitbringt, doch sein Kniefall und seine Blumenspende scheint auch bei ihnen ein Umdenken auszulösen.


Leicht hätte speziell dieses Finale in Sentimentalität abgleiten können, doch die sachlich-nüchterne Inszenierung verhindert dies. Kalt lässt dieses Drama dennoch nicht, sondern bewegt dank der konzentrierten Inszenierung und der herausragenden Schauspieler*innen mit seiner Menschlichkeit zutiefst und weist im Plädoyer für Dialog und Versöhnung statt Gewalt und Hass weit über die spanische Geschichte und den ETA-Terror hinaus.



Maixabel – Eine Geschichte von Liebe, Zorn und Hoffnung Spanien 2021 Regie: Icíar Bollain mit: Blanca Portillo, Luis Tosar, Urko Olazabal, María Cerezuela Länge: 116 min.


FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 14.9., 18 Uhr + Do 15.9., 19.30 Uhr


Trailer zu "Maixabel - Eine Geschichte von Liebe, Zorn und Hoffnung"


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