Pooja, Sir
- Walter Gasperi
- 3. Juli
- 3 Min. Lesezeit

Deepak Rauniyar entwickelt vor dem Hintergrund ethnischer Spannungen in Nepal einen fesselnden Thriller, in dem eine Polizistin einen Entführungsfall klären muss. Verpackt in eine klassische Krimi-Story wird ein dichtes Bild der nepalesischen Gesellschaft gezeichnet.
Ein Insert informiert einerseits, dass Deepak Rauniyars dritter Spielfilm von persönlichen Erfahrungen beeinflusst ist, andererseits über die ethnischen Spannungen, die nach dem Ende des Bürgerkriegs im Jahr 2006 ausbrachen. Der Verfassungsentwurf 2015 führte nochmals zu Unruhen und Demonstrationen, denn die Minderheit der Madhesi wurde dadurch diskriminiert.
Nicht in die Hauptstadt Kathmandu oder in die Bergwelt des Himalayas, die jährlich zahlreiche Touristen anlockt, entführt so "Pooja, Sir", sondern in das im Süden an der Grenze zu Indien gelegene Tiefland. Dicht vermittelt der 47-jährige Regisseur, der selbst der dunkelhäutigen Volksgruppe der Madhesi angehört, die explosive Stimmung auf den Straßen, wenn schon in den ersten Szenen Polizist:innen mit Schutzschild und Gummiknüppel und Demonstrant:innen, die gegen den Verfassungsentwurf protestieren, aufeinanderprallen.
Als auch noch zwei Grundschüler entführt werden, wird die junge Kommissarin Pooja (Asha Magrati) aus Kathmandu hinzugezogen, die die Kinder finden und den Fall lösen soll. Ein klassischer Krimi entwickelt sich so, wenn zunächst Angehörige der Minderheit verdächtigt werden, eine Übergabe des Lösegelds nur einen Teilerfolg bringt und schließlich auch persönliche Motive für das Verbrechen ins Spiel kommen.
Ganz aus der Perspektive Poojas, die von der der hellhäutigen Volksgruppe der Pahari angehörigen Asha Magrati gespielt wird, erzählt Rauniyar und nah dran an den Menschen ist die Kamera von Cheldon Chau. Große Landschaftstotalen, die als Tourismuswerbung fungieren und Fernweh wecken könnten, sucht man hier vergebens, dafür nimmt man unmittelbar am Geschehen teil. Durchaus spannend ist so zwar die Krimihandlung, aber ungleich interessanter sind doch die Einblicke, die in die nepalesische Gesellschaft geboten werden.
Denn Pooja gehört nicht nur zu den 5 bis 7% weiblichen Angestellten der nepalesischen Polizei, sondern ist zudem lesbisch. In der Ablehnung, die sie und ihre Partnerin dafür von ihrem schwerkranken Vater erfährt, spiegelt sich die in Nepal weitverbreitete homophobe Einstellung.
Keine Rolle spielt dieser Aspekt aber bei Poojas Ermittlungen. Spürbar wird dafür, wie schwierig es für eine Frau ist, sich in dieser männlich dominierten Gesellschaft durchzusetzen. Wohl auch um mehr Gewicht zu haben, tritt Pooja so mit Kurzhaarschnitt und Uniform entschieden männlich auf und will auch nicht als Frau, sondern - wie der Titel schon signalisiert - als Sir angesprochen werden. Einen starken Kontrast bildet sie so auch zu ihrer betont weiblichen und den Madhesi angehörenden jungen Kollegin Mamata (Nikita Chandak).
Mag Pooja sich so zunächst nicht besonders für Mamata interessieren, so kommen sich die beiden Frauen doch langsam näher, ist die Hauptstädterin doch auf die Unterstützung der Einheimischen angewiesen. Aber nicht nur in dieser Beziehung feiert der Film weibliche Solidarität und Gerechtigkeitssinn als Gegenpol zum männlichen Kollegen, der sich mit der Oberschicht arrangiert.
Zum Blick auf die Polizeistrukturen und auf die Feindseligkeit der Madhesi gegenüber den Behörden, die in Straßenszenen immer wieder intensiv vermittelt werden, tritt zunehmend die Aufdeckung eines großen sozialen Gefälles mit unrechtmäßiger Bereicherung und Postenschacher der Oberschicht und Ausbeutung und Misshandlung der Unterschicht.
So sehr sich die Story in ihren Grundzügen auch in konventionellen Bahnen bewegt, so sehr hält der Film mit seiner stringenten Entwicklung der Handlung, starker Figurenzeichnung und vor allem der Auslotung hierzulande kaum bekannter gesellschaftlicher Verhältnisse die Spannung aufrecht.
Gleichzeitig entwickelt sich dieser humanistische Thriller, der in Nepal nur in einer zensierten Fassung gezeigt werden darf, mit der Kritik der Protagonistin an der Oberschicht und der Parteinahme für die Unterschicht sowie mit der Thematisierung ihrer Queerness auch zu einem entschiedenen Plädoyer für soziale Gerechtigkeit, Toleranz und die Gleichberechtigung von Minderheiten.
Pooja, Sir
Nepal / USA / Norwegen 2024
Regie: Deepak Rauniyar
mit: Asha Magrati, Nikita Chandak, Bijay Baral, Dayahang Rai, Reecha Sharma, Parmeshwor Kumar Jha
Länge: 109 min.
Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan.
Trailer zu "Pooja, Sir"
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