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  • AutorenbildWalter Gasperi

Yuli


Der 1973 geborene Kubaner Carlos Acosta stieg aus einfachsten Verhältnissen zum international gefeierten Balletttänzer auf. – Iciar Bollain und Drehbuchautor Paul Laverty zeichnen sein Leben nach und bieten gleichzeitig Einblick in den sozialen Niedergang Kubas.


Ausgehend von den Proben zu einem Tanzstück über sein Leben und dem Blättern in einem vom Vater zusammengestellten Fotoalbum lassen Iciar Bollain und ihr Ehemann und Drehbuchautor Paul Laverty den Tanzstar Carlos Acosta auf sein Leben zurückblicken. So kann das Duo aktuelle Tanzszenen und Erinnerungen verknüpfen, aber es ist auch gerade diese Erzählstrategie, die "Yuli" seinen Erzählfluss raubt und keine durchgehende Spannung aufkommen lässt.


Auch nicht unbedingt positiv erscheint der Umstand, dass Acostas 2006 erschienene Autobiographie "No Way Home: A Cuban Dancer´s Story" als Grundlage für das Drehbuch diente und der Tänzer in der Gegenwartsebene sich selbst spielt. Einen kritischen Blick auf seine Person darf man so kaum erwartet, ganz klar als Hommage ist der Film angelegt.


Als umgekehrten "Billy Elliot" sieht Laverty die Geschichte, denn wie in diesem britischen Film ein Junge aus der Arbeiterschicht gegen den Willen seines Vaters Ballettunterricht besucht statt Boxstunden zu nehmen, wird hier der kleine Carlos von seinem als LKW-Fahrer arbeitenden Vater zum Ballettunterricht gezwungen, obwohl er doch viel lieber Fußball spielen würde.


Mit seinen Breakdance-Künsten und Michael Jackson-Imitationen mag er als Neunjähriger seine Freunde auf der Straße zwar beeindrucken, doch als Balletttänzer wird er als "Schwuchtel" gemobbt. Der Leidenschaft für den Unterricht ist das kaum zuträglich, doch sein Vater, der Carlos nach einem afrikanischen Kriegsgott den Spitznamen "Yuli" gegeben hat, lässt nicht locker. Als der Junge wegen Undiszipliniertheit und häufigen Fehlens von der nationalen Ballettschule fliegt, bringt er ihn unterstützt von Carlos´ Lehrerin in einem Internat auf dem Land unter.


Nur glücklich sieht man diesen Jungen nie und selbst am Ende wird unklar sein, ob er wirklich Leidenschaft und Freude für den Tanz entwickelt hat oder doch nur den Erfolg und Ruhm genießt. Andeutungsweise als einsamen Mann zeichnen Bollain und Laverty den Startänzer, wenn er kaum einmal mit anderen Menschen zusammen zu sehen ist.


Doch wirklich entwickelt werden dieses Thema und der Charakter Acostas nie. Zuviel haben Bollain und Laverty wohl in "Yuli" gepackt, schneiden vieles an, entwickeln aber nichts differenzierter. Da werden einerseits in recht knappen Szenen und teilweise auch unterstützt von Archivmaterial von Acostas Auftritten wie vom Gewinn der Goldmedaille beim Prix de Lausanne 1990 Stationen seines Lebens und seiner Karriere abgehakt, andererseits wird eine Vater-Sohn und Familiengeschichte erzählt und schließlich geht es um einen Menschen, der international Karriere feiert und 1998 als erster Schwarzer ins Londoner Royal Ballet aufgenommen wurde, sich aber doch immer mit seiner Heimat Kuba tief verwurzelt fühlt.


Nicht fehlen darf bei Bollain und dem Briten Laverty, der auch für viele Drehbücher von Filmen von Ken Loach verantwortlich zeichnet, wie schon bei ihren gemeinsamen Filmen "Und dann der Regen ("También la lluvia", 2010) über den Wasserkrieg von Cochabamba und "El Olivo – Der Olivenbaum" (2016) auch die soziale Komponente.


So erinnert der Vater Carlos nicht nur an die Geschichte der Familie als afrikanische Sklaven in Kuba, sondern vor allem der wirtschaftliche Niedergang Kubas in der Castro-Zeit, aus der nur Flucht nach Florida oder internationale Karriere einen Ausweg zu bieten scheinen, zeichnen Bollain/Laverty nach, erinnern in einer verfallenen und nie fertiggestellten Kunsthochschule aber auch an die einstigen Träume der kubanischen Revolution.


Aufgrund der inhaltlichen Fülle ist das durchaus unterhaltsam anzusehen und man bekommt auch einen guten Eindruck von Acostas Lebensweg, aber haften bleibt letztlich doch wenig, da sich der Film zwischen den verschiedenen Ebenen verzettelt, keinen Aspekt entscheidende verdichtet und vertieft, sondern Szene an Szene reiht.

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