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  • AutorenbildWalter Gasperi

Luzzu


Der Malteser Jesmark ist ein stolzer und unabhängiger Fischer, doch der Fang wird zunehmend schmaler, sodass, die materielle Not den jungen Vater in die Hände krimineller Fischhändler treibt. – Vor der bildschönen Kulisse Maltas entwickelt Alex Camilleri ein vom genauen Blick auf die Realität und starken Schauspieler*innen lebendes dichtes Drama über Tradition und Moderne.


Lange sieht man nur Hände, die ein Netz auswerfen und dann wieder einholen. Dieser ausführliche und genaue Blick auf Handgriffe zieht sich durch das Spielfilmdebüt des maltesisch-nordamerikanischen Filmemachers Alex Camilleri. Auch beim Ausnehmen und Filetieren von Fischen, beim Reparieren seines Bootes oder beim Füllen von Benzinkanistern bis zum Auswerfen einer Angel am Ende wird der Fokus auf den Händen liegen.


Gewicht wird so dieser Arbeit und den genauen Handgriffen verliehen, wird betont wie sehr diese Arbeit nicht nur zum Leben des jungen Jesmark (Jesmark Scicluna) gehört, sondern es geradezu ausmacht. Doch der Fang wird zunehmend schmaler, Schonzeiten zwingen die Fischer zudem zufällig ins Netz gegangene, wertvolle Fische wieder ins Wasser zu werfen und dann hat Jesmarks Boot auch noch ein Leck und muss repariert werden.


Luzzu heißen diese Boote, deren leuchtend rote, blaue, gelbe und grüne Lackierung von besseren Zeiten künden. Schon über Generationen hat die Familie Jesmarks dieses Boot und der junge Mann kann sich zunächst nicht vorstellen einen Job bei einem großen Fischhändler anzunehmen. Prekär ist aber die finanzielle Situation des jungen Vaters, noch schwieriger wird sie, als die Kinderärztin für den kleinen Sohn wegen einer Wachstumsstörung eine spezielle Ernährung und Behandlung bei einem Spezialisten empfiehlt.


Da reicht auch das Geld seiner Partnerin Denise (Michela Farrugia), die in einem Restaurant arbeitet, nicht mehr. Weil der stolze Jesmark seine vermögende Schwiegermutter aber keinesfalls um Hilfe bitten will, sondern sich vielmehr von ihr abgrenzen und beweisen will, dass er selbst für seine kleine Familie sorgen kann, kommt es auch zunehmend zu Spannungen zwischen ihm und Denise. So treibt ihn die finanzielle Misere in die Hände eines Fischhändlers, dessen Geschäfte alles andere als sauber sind.


Da die Bezahlung aber stimmt, sieht Jesmark bald darüber hinweg und dann bietet die EU ja auch noch eine recht lukrative Entschädigung, wenn Fischer ihre Boote zwecks Reduzierung des Fischfangs verschrotten und eine neue Arbeit suchen. – Aber was bleibt vom stolzen und unabhängigen Fischer, wenn er diese Wurzeln zu seiner Familientradition kappt, wenn er das aufgibt, wofür er sich geboren fühlt und stattdessen eine Lohnarbeit annimmt, zu der er keinen Bezug hat?


Kommt sonst Malta im Kino bestenfalls als fotogene Kulisse vor oder wird als Drehort für Großproduktionen wie "Games of Thrones", Troja" oder "Gladiator" genutzt, so fokussiert Camilleri auf dem wirtschaftlichen Umbruch mit dem Niedergang der Fischerei und den gesellschaftlichen Folgen. Malerisch ist zwar auch hier die Kulisse mit dem tiefblauen Meer, doch nie verstellt dies den Blick auf die ernsten Themen, die Camilleri mit großer Stringenz und Klarheit herausarbeitet.


Bauen kann er dabei auf den großartigen Jesmark Scicluna in der Hauptrolle. Echt und unverfälscht wirkt das Spiel dieses Laiendarstellers und vor allem in seinen Blicken spürt man seine zunehmende Verzweiflung, aber auch seine wachsende Wut. Nah dran an ihm ist die Kamera von Léo Lefèvre und nicht nur dieser Zugriff auf die Figuren erinnert an die Filme der Dardenne-Brüder.


Denn wie die Filme der beiden Belgier entwickelt auch "Luzzu" durch den genauen Blick auf Arbeit und Milieu seine Kraft und wie diese in Meisterwerken wie "Rosetta" oder "Zwei Tage, eine Nacht" folgt auch Camilleri seinem Protagonisten konsequent bei seinem Versuch der prekären Situation zu entkommen, seine Unabhängigkeit zu bewahren und sein Leben zu leben und lässt ihn doch immer tiefer in die Misere, in Abhängigkeiten und Kriminalität rutschen.


Läuft ab Donnerstag, den 19.11. in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino in Schaan

Trailer zu "Luzzu"


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