top of page
  • AutorenbildWalter Gasperi

La Dégustation - Weinprobe für Anfänger


Kaum etwas haben ein verbitterter Weinhändler und eine verhärmte Hebamme gemeinsam, doch der Wein führt sie zusammen. – Im Grunde nicht viel Neues bietet Ivan Calbéracs Feelgood-Movie, doch dank der blendend harmonierenden Hauptdarsteller Bernard Campan und Isabelle Carré, einem warmherzigen Blick und überraschenden Wendungen wird geschmackvolle Unterhaltung geboten.


Schon mit "Frühstück bei Monsieur Henri" ("L´etudiante et Monsieur Henri", 2015) und "Ein Sommer mit Pauline" ("Venise n’est pas en Italie", 2019) hat der Dramatiker Yvan Calbérac eigene Stücke fürs Kino adaptiert. Auch "La Dégustation" beruht auf einem Bühnenstück, doch diese Herkunft merkt man dem Film nicht an.


Mit einer Flugaufnahme von Weinbergen und einer Kathedrale entführt der 42-jährige Regisseur nicht nur in die Region des in der Champagne gelegenen Troyes, sondern spiegelt im Setting gewissermaßen schon seine beiden gegensätzlichen Protagonisten. Denn auf der einen Seite steht mit dem Mittsechziger Jacques (Bernard Campan) ein verbitterter und maulfauler Weinhändler, auf der anderen Seite mit der gut 40-jährigen Hortense (Isabelle Carré) eine religiöse Hebamme, die unter ihrer dominanten Mutter leidet.


Nichts verbindet sie, doch der Messwein bei einem Gottesdienst entflammt Hortense förmlich und lässt sie die Weinhandlung von Jacques aufsuchen. Während er ihr eher missmutig diverse Weine vorschlägt, fängt die alleinstehende Frau sichtlich vom ersten Augenblick an Feuer für den Grantler und überredet ihn eine öffentliche Weinprobe anzubieten.


Seiner Zurückgezogenheit steht nicht nur ihr soziales Engagement mit ehrenamtlicher Mitarbeit in einem Obdachlosenheim gegenüber, sondern ganz unterschiedliche Funktion und Wirkung hat auf sie auch der Wein. Während nämlich Jacques trinkt, um zu vergessen und zu verdrängen, und wegen seines regelmäßigen Konsums schon gesundheitliche Probleme hat und Hilfe bei den Anonymen Alkoholikern sucht, belebt der Wein Hortense und lässt sie aufblühen.


Ein komödiantischer Höhepunkt ist so die Weinprobe. Hier werden nicht nur leidenschaftlich edle Weine und die hohe Kunst des richtigen Genießens gefeiert, sondern wiederum treten prägnant die Gegensätze zu Tage. Denn während Jacques nur kostet und ausspuckt, lassen es sich Hortense, Jacques befreundeter Buchhändler Guillaume (Eric Viellard) und sein junger afrikanischstämmiger Gehilfe Steve (Mounir Amamra) richtig gut gehen. Schnell kommen hier die Dialoge, jeder Satz sitzt und gekonnt spielt Calvérac auch mit sexuellen Andeutungen.


Die offensichtlichen Avancen von Hortense scheinen bei Jacques aber wie an einem Felsen abzuprallen, bis doch abrupt die Liebe ausbricht. Doch so plötzlich das Glück eintritt, so rasch scheint dieses auch wieder zu zerbrechen.


Zunehmend ernste Töne schleichen sich nämlich in "La Dégustation", wenn die belastende Vergangenheit sowohl von Hortense als auch von Jacques ins Spiel kommt, wenn unbewältigte Schuld und Trauer, aber auch eine einengende Beziehung und unerfüllte Lebenswünsche sichtbar werden.


Nicht zu wenige Belastungen und Probleme bürdet Calbérac den Protagonist*innen seines vierten Spielfilms damit auf. Zu viel des Guten ist es, dass bei Hortense zur schwierigen Beziehung zur Mutter und zum Engagement im Obdachlosenheim auch noch Kirchenchor und Job als Hebamme kommen müssen. Wenig gibt letztlich auch die Figur des kleinkriminellen Steve her, dem Jacques im Rahmen eines Resozialisierungsprojekts Arbeit gibt. Der junge Mann bleibt reduziert auf einen Sidekick, der für komödiantische Momente sorgen muss. Dessen Schicksal und Situation wird aber nicht wirklich entwickelt.


Doch über solche Schwächen lassen die beiden blendend harmonierenden Hauptdarsteller*innen und Calbéracs warmherziger Blick hinwegsehen. Wunderbar variiert Bernard Campan mit seinem Jacques die Rolle des verbitterten Bestatters aus "Presque – Glück auf einer Skala von 1 bis 10", während Philippe Guilberts Kamerablick auf Isabelle Carré dafür sorgt, dass man diese vom Leben geschlagene Hebamme einfach mögen muss.


Charme entwickelt "La Dégustation" aber auch durch den Umgang Calbéracs mit der Musik. Leichthändig verbindet er nämlich nicht nur Szenen, indem er reine Filmmusik in die Musik eines afrikanischen Konzerts oder ein Chanson von einer CD in reine Filmmusik übergehen lässt, sondern schafft damit auch Atmosphäre und Schwung.


Ein großer Film ist das sicher nicht, aber ein auch durch die stimmungsvolle Verankerung im provinziellen Frankreich ein durch und durch sympathisches Feelgood-Movie, das mit seinem Glauben an eine zweite Chance einem ein Lächeln aufs Gesicht zaubert und beglückt aus dem Kino entlässt.



La Dégustation – Weinprobe für Anfänger Frankreich 2022 Regie: Ivan Calbérac mit: Isabelle Carré, Bernard Campan, Mounir Amamra, Éric Viellard, Olivier Claverie, Geneviève Mnich Länge: 92 min.



Läuft in den Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und Skino Schaan (jeweils O.m.U.) und im Cineplexx Hohenems


Trailer zu "Le Dégustation - Weinprobe für Anfänger"



bottom of page