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  • AutorenbildWalter Gasperi

Indiana Jones und das Rad des Schicksals


© The Walt Disney Company Switzerland

81-jährig schlüpft Harrison Ford nochmals in die Rolle des Archäologen Indiana Jones, der sich mit einem Nazi einen Wettlauf um einen mysteriösen antiken Fund liefert. Für Frische sorgt eine ambivalente jüngere Archäologin, doch James Mangold gelingt es dem Abenteuerfilm nicht wirklich Leben einzuhauchen, sondern beschränkt sich auf eine Abfolge spektakulärer Verfolgungsjagden.


1981 landete Steven Spielberg mit "Jäger des verlorenen Schatzes", mit dem er dem Abenteuerfilm der 1930er und 1940er Jahre seine Reverenz erwies, einen Welterfolg. Drei Sequels folgten, mit denen auch sein Hauptdarsteller Harrison Ford alterte. 42 Jahre nach Start der Serie kommt nun der fünfte Teil mit dem inzwischen schon 81-jährigen Harrison Ford in die Kinos.


Regie führt dabei erstmals nicht mehr Spielberg selbst, sondern James Mangold. Dieser scheint wie prädestiniert für so ein Projekt, sind doch auch einige seiner bisherigen Filme wie das "Todeszug nach Yuma" (2007) betitelte Remake von Delmer Daves´ Western "3:10 to Yuma - Zähl bis drei und bete" und der Rennfahrerfilm "Le Mans – Gegen jede Chance" (2019) von Liebe zum klassischen Hollywood geprägt.


"Indiana Jones und das Rad des Schicksals" ist aber nun weniger Reverenz an die klassischen Abenteuerfilme als vielmehr an die Indiana Jones-Serie selbst. Statt eine stringente eigene Handlung zu entwickeln, verliert sich Mangold immer wieder in Verweisen auf frühere Filme der Serie, variiert bekannte Szenen, schafft aber im Kern wenig Neues.


Spektakulär ist freilich nicht nur die rund halbstündige Auftaktszene, die gegen Kriegsende in Frankreich spielt. Ein digital verjüngter Harrison Ford versucht hier den Nazis zunächst die Lanze des Longinus, mit der Christus durchbohrt worden sein soll, und dann eine fiktive, Antikythera genannte Scheibe abzujagen. Mit dem Nazi Jürgen Voller (Mads Mikkelsen) wird hier schon der spätere Kontrahent des Archäologen eingeführt.


Hoch ist das Tempo, wenn Indy zunächst beinahe hingerichtet wird, dann mit Auto und Motorrad und schließlich mit Zug flüchtet, wobei freilich immer mit Nazis gekämpft werden muss. Verfolgungsjagden sind auch das zentrale Element des Films, wenn die Handlung nach einem Schnitt 25 Jahre später neu einsetzt.


Historisches vermischt sich mit Fiktion, wenn der Nazi Voller nun als Wissenschaftler entscheidend beim US-Raumfahrtprogramm mitgewirkt hat und der erste Mondflug gefeiert wird, während gleichzeitig gegen den Vietnam-Krieg protestiert wird. So wenig glaubwürdig freilich die absolute Gleichzeitigkeit von Feier und Vietnam-Protest ist, so wenig glaubwürdig ist die tragende Rolle einer Afroamerikanerin als CIA-Agentin. Indem die Rolle wohl aus Gründen der Diversität so besetzt wurde, wird freilich auch das gesellschaftliche Bild der USA der späten 1960er Jahre verzerrt.


Historische Fakten und Fiktion vermischen sich aber auch, wenn der nur nach außen bekehrte Nazi Voller nun weiterhin den Mechanismus von Antikythera jagt, der in der Realität aber nichts mit dem griechischen Mathematiker Archimedes zu tun hat. Doch nicht nur Voller ist mit seinen Helfern hinter diesem Relikt her, das Zeitreisen ermöglichen soll, sondern auch Indys Patentochter Helena Shaw (Phoebe Waller-Bridge), der es vor allem um das Geld geht, das sie mit diesem Objekt machen kann.


Als in New York Indy die eine Hälfte der Antikythera gestohlen wird, setzt so eine Jagd ein, die zunächst nach Marokko, dann in die Ägäis und schließlich ins sizilische Syrakus führt. Denn um dieses Relikt auch einsetzen zu können, muss natürlich zunächst dessen zweite Hälfte gefunden werden.


Das Prinzip ist dabei im Grunde immer das Gleiche: die einen sind auf der Flucht, die anderen sind hinter ihnen her. So versucht Indy in New York per Pferd durch die U-Bahn zu entkommen, in Tanger jagen er und Helena den im Auto fliehenden Voller mit einer Autorikscha durch die engen Gassen, während sie wieder selbst verfolgt werden. Bei einem Tauchgang in der Ägäis wird durch Aale die Schlangenangst von Indy befeuert, während es in Syrakus in eine dunkle Höhle geht, in der nicht nur Insekten für Ärger sorgen.


So wenig man die Handlung ernst nehmen darf, so ärgerlich sind im Detail unglaubliche Schlampereien des Drehbuchs oder der Synchronisation. Denn aus dem realen Ohr des Dionysios – benannt nach einem historischen Tyrannen von Syrakus – wird hier das Ohr des Dionysos – also des griechischen Weingotts – und das Dokument mit der Urkunde über die Aufbewahrungsstätte der zweiten Hälfte der Antikythera soll mit einem römischen Kriegsschiff gesunken sein, auf dem sich 100 Zenturien – also gegen 10.000 Mann – befunden haben sollen.


Ganz abgesehen davon darf man sich auch fragen, wie man mit einem kleinen Motorboot von der Ägäis nach Sizilien kommt oder wie ein etwa 14-jähriger Junge ohne jede Erfahrung aus dem Stand heraus eine Sportmaschine fliegen kann. - Über das völlig abgefahrene Finale, auf das man wohl nur mit Kopfschütteln reagieren kann, soll hier nichts verraten werden


Natürlich finden sich im Genrekino bei genauer Prüfung häufig Unstimmigkeiten und Widersprüche, doch die Kunst der Filmemacher:innen besteht dann dabei eben darin, das Publikum so intensiv in die Illusion und die Traumwelt eintauchen zu lassen, sodass man diese Widersprüche übersieht oder akzeptiert.


Problem von "Indiana Jones und das Rad des Schicksals" ist aber auch die mangelnde Figurenzeichnung. Eine – zweifellos spektakuläre – Verfolgungsjagd reiht sich an die nächste, doch wirklich Profil gewinnt weder Indiana Jones noch sein Kontrahent Voller. Den stärksten Eindruck hinterlässt da noch Phoebe Waller-Bridge als selbstbewusste, unabhängige und toughe Helena, die lange nur an ihren Vorteil denkt und keine Skrupel kennt. In nichts steht sie ihren männlichen Mitspielern nach, übertrifft sie vielleicht sogar noch an Schlagkraft. - Und will sich damit wohl auch als Nachfolgerin von Harrison Ford für mögliche Fortsetzungen empfehlen.


Indiana Jones und das Rad des Schicksals USA 2023 Regie: James Mangold mit: Harrison Ford, Phoebe Waller-Bridge, Mads Mikkelsen, Antonio Banderas, Boyd Holbrook Länge: 154 min.



Läuft derzeit in den Kinos


Trailer zu "Indiana Jones und das Rad des Schicksals"


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