Weil die Absatzzahlen beim Autokonzern Ford Mitte der 1960er Jahre zurückgehen, soll das Image mit einem Rennwagen und einem Sieg beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans aufgepeppt werden. – Packende Trainings- und Rennszenen fehlen nicht, aber im Zentrum von James Mangolds lustvoll inszeniertem und gespieltem Hollywoodfilm alter Schule stehen die menschlichen Beziehungen und Konflikte.
James Mangold gehört zu den vielseitigsten Hollywood-Regisseure der Gegenwart. Mit „Girl Interrupted“ („Durchgeknallt“, 1999) drehte er ein Psychiatrie-Drama ebenso wie mit „Walk the Line“ (2005) ein Biopic über Johnny Cash. Mit „3:10 to Yuma“ („Todeszug nach Yuma“, 2007) legte er das Remake eines Western aus den 1950er Jahren vor und auch bei den beiden Marvel-Comic-Filme „The Wolverine“ (2013) und „Logan“ (2017) führte er Regie.
Am klassischen Hollywoodkino orientierte sich Mangold dabei immer und stellte die Charaktere über das Spektakel. Dies zeichnet auch „Le Mans 66“ aus, in dem der 56-jährige New Yorker an legendäre Rennfahrerfilme wie Howard Hawks´ „Red Line 7000“ (1965) anknüpft und mit - für eine solche Produktion eine Selbstverständlichkeit – perfekter Ausstattung den Zuschauer in die Motorsportwelt der 1960er Jahre versetzt.
Anachronistisch wirkt dieser Film dabei, wenn er in Zeiten von Gender-Debatten, E-Autos und Förderung des öffentlichen Verkehrs eine beinahe reine Männerwelt zeigt und das Dröhnen der Motoren und den Geruch von Öl und Benzin feiert. Lustvoll rückt er dabei die runden, geradezu erotischen Formen der schnittigen Rennwagen von Ferrari ins Bild und stellt diesen die biederen Modelle von Ford gegenüber.
Pures Vergnügen ist es zu verfolgen, mit welchem Drive und welcher Leichtigkeit Mangold mehrere Erzählstränge und Protagonisten einführt, die erst langsam verknüpft werden. Da beginnt der Film einerseits mit dem Sieg von Carroll Shelby (Matt Damon) beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1959, doch schon in der nächsten Szene erklärt ihm ein Arzt, dass er aufgrund einer Herzschwäche kein Rennen mehr fahren dürfe. Andererseits wird der Automechaniker Ken Miles (Christian Bale) vorgestellt, der sich bestens mit Rennwagen auskennt, aber keinen Sinn fürs Geschäft hat und mit seiner direkten Art immer wieder aneckt.
Mit sichtlichem Vergnügen spielen Matt Damon und Christian Bale diese Männer. Bale übertreibt es dabei teilweise, neigt zu Overacting, während Damon mit Zurückhaltung brilliert. Auf jeden Fall spürt man in jeder Szene die Leidenschaft dieser Charaktere für Autos und Autorennen, merkt, dass sie dafür leben. Gegenpol zu diesen für ihre Passion brennenden Tüftler sind die Bürokraten bei Ford, die nur an die Verkaufszahlen denken.
Während Henry Ford II. als wenig inspirierter Chef, mit dem man aber immerhin noch reden und den man von Ideen überzeugen kann, charakterisiert wird, wird der Vizechef als aalglatter und intriganter Manager gezeichnet, der alles unternimmt, um den unberechenbaren Miles, der sich an keine Regeln hält, durch einen anderen Fahrer zu ersetzen. Zwischen diesen Polen steht Shelby, der inzwischen Rennwagen konstruiert und unbedingt Miles, mit dem er befreundet ist, als Fahrer nach Le Mans schicken möchte, andererseits aber auch die Vorgaben von Ford erfüllen muss.
Reichlich plakativ ist dieser in klassischer amerikanischer Kinotradition stehende Gegensatz von idealistischen Einzelkämpfern und rein am Profit orientiertem Konzernhengst, doch dies stört kaum. Das Herz des Films sind nämlich die Beziehung zwischen Shelby und Miles, der mit Frau und Sohn Peter auch einen starken familiären Background erhält, und ihre Arbeit an dem Projekt „Le Mans 66“.
Wenn sich Shelby und Miles dabei auch einmal in die Haare kommen und auf einer Wiese verprügeln, während die Frau von Miles seelenruhig zuschaut, wirkt das wie ein Zitat der Schlägerei zwischen John Wayne und Montgomery Clift am Ende von Howard Hawks´ großem Western „Red River“. Hier wie dort wird erst mit diesem Kampf etwas Neues Beginnen, die Freundschaft gefestigt werden.
Mit kaum weniger Leidenschaft, wie diese beiden Männer für ihre Autos brennen, ist dieser Rennfahrerfilm auch inszeniert, entwickelt daraus nicht nur Leichtigkeit und viel Witz, sondern wirkt dadurch auch ansteckend und mitreißend in seiner Begeisterung für diese Protagonisten und den Automobilsport.
Das ist eben keine kalte Retortenproduktion, sondern unübersehbar der Film eines Fans. Wie hier die drei Cutter Andrew Buckland, Michael McCusker und Dirk Westervelt und Kameramann Phedon Papamichael in den Rennszenen den Zuschauer mit schnellen Schnitten und dem Wechsel zwischen Totalen von der Strecke, Großaufnahmen der Fahrer, der Schaltknüppel und Bremsen den Zuschauer am Geschehen unmittelbar teilhaben lassen, ist schon furioses und hochenergetisches Kino.
Gleichzeitig erzählt dieser wunderbar nostalgische Film am Rande aber auch einerseits vom Gegensatz zwischen amerikanischer Fließbandproduktion und Handarbeit von Ferrari, andererseits von der Veränderung der US-Gesellschaft in den 1960er Jahren. Erklärt wird nämlich die Krise der Automobilindustrie damit, dass sich nun auch eine jüngere Schicht Autos leisten kann, diese aber statt großen Familienwagen schnittige Sportwagen will. Im Hintergrund zeichnet sich in "Le Mans 66" so schon eine Entwicklung ab, die in der 68er-Bewegung und Woodstock – und auf der Ebene des Films mit der Ära des New Hollywood – ihren allgemein sichtbaren Höhepunkt erreichte.
Läuft derzeit im Cineplexx Hohenems
Trailer zu "Le Mans 66 - Gegen jede Chance"
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