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  • AutorenbildWalter Gasperi

House of Gucci


Ausgehend von der Ehe von Maurizio und Patricia Gucci erzählt Ridley Scott von Intrigen im renommierten Familienunternehmen und dessen Niedergang bis zur Ermordung Maurizios. – Statt Tiefgang wird eine grelle Seifenoper geboten, doch Stars wie Lady Gaga, Adam Driver, Al Pacino und Jeremy Irons sowie die flotte Szenenfolge sorgen dennoch für unterhaltsame 158 Minuten.


Vor wenigen Wochen startete erst Ridley Scotts Ritterfilm "The Last Duel", nun folgt schon sein nächstes Werk. Gesteigert wird die Bewunderung für das Arbeitstempo des 83-jährigen Briten dadurch, dass er dabei auch ganz unterschiedliche Filme dreht, nicht auf gleiche Sets oder ähnliche Szenen zurückgreifen kann.


Vom französischen Mittelalter springt er so mit "House of Gucci" ins Italien der 1970er bis 1990er Jahre und wechselt auch vom Drama zur lustvollen Farce. Verbindungsglied beider Filme ist Hauptdarsteller Adam Driver. Mit einem Blick auf seine wertvolle Uhr, seinen Ring und seine Gürtelschnalle sowie auf eine Espressotasse setzt "House of Gucci" ein. Nach dem Ausdrücken einer Zigarette schwingt Maurizio Gucci sich auf sein Fahrrad, fährt fröhlich durch die Straßen Mailands und gibt sein Rad bei einem Bürogebäude ab, ehe Scott von dieser 1995 spielenden Szene in die 1970er Jahre zurückblendet.


Erst ganz am Ende wird der Film zur Auftaktszene zurückkehren, im Zentrum steht eine große Rückblende, an deren Beginn die Transportunternehmertochter Patrizia Reggiani (Lady Gaga) bei einer Party Maurizio Gucci kennenlernt. Irritierend ist, dass diese Begegnung im Film mit einem Insert auf das Jahr 1978 datiert wird, in Wahrheit aber schon 1970 stattfand und sie auch schon 1972 heirateten.


Während Maurizio zunächst wenig Interesse an Patrizia zeigt, wirft sie sich förmlich an ihn ran. Er möchte Anwalt werden und Familie und Unternehmen auf Distanz halten, sie drängt ihn aber bald hier einzusteigen. Maurizios Vater (Jeremy Irons) hält wenig von der ungebildeten Frau, die einen Klimt nicht von einem Picasso unterscheiden kann, und glaubt, dass sie nur hinter dem Geld her ist. Dessen Bruder Aldo (Al Pacino) ist dagegen von Patrizia und Maurizios Einstieg ins Unternehmen begeistert, denn von seinem eigenen Sohn Paolo (Jared Leto) hält er nichts. Als macht- und geldgierige Lady Macbeth zeichnet Scott diese Patrizia, denn sie zieht im Hintergrund die Fäden, lenkt den schwach wirkenden Maurizio, doch auch Aldo intrigiert bald gegen seinen Vater.


Passend zum exklusiven Modeunternehmen und deren Besitzern lässt Scott die Protagonisten von exklusiven Locations in Mailand nach New York jetten und wenn die Polizei wegen Betrug und Steuerhinterziehung ermittelt, kann man sich auch mal schnell ins winterliche St. Moritz absetzen.


Mit satirischem Biss blickt Scott auf die Familie, deren reale Angehöriger sehr kritisch auf den Film reagierten und rechtlich dagegen vorgehen wollen. An differenzierter Zeichnung der Figuren und einzelner Szenen ist der Brite kaum interessiert, spult vielmehr im Schnelldurchlauf rund 17 Jahre ab. Wenig sieht man so vom langsamen Zerbrechen der Ehe Maurizios und Patrizias und überraschend und abrupt kommt die Trennung. Überraschend kommt gegen Ende auch die Aufzählung der Luxuswohnungen, Autos und Gemälde, mit deren Kauf Maurizio das Unternehmen an den Rande des Ruins trieb, denn man sah zuvor zwar, dass er in Luxus lebt, doch von dieser grenzenlosen Verschwendung vermittelte der Film nie einen Eindruck und ein Bild.


Sichtlich mit großem Vergnügen spielt das Starensemble, das offensichtlich zum hemmungslosen Chargieren aufgefordert wurde und in der Originalfassung seltsamerweise auf Englisch mit starkem italienischem Akzent spricht. Herrlich fies und durchtrieben ist so Lady Gagas Patrizia, Al Pacino spielt Paolo, der im Gegensatz zu seinem Bruder auch in Shopping-Center expandieren möchte, im Stil des "Paten"-Erben, den er einst in Coppolas "The Godfather 3" spielte. Übertreibt Jared Leto hemmungslos bei seiner Verkörperung des künstlerisch interessierten, aber unbegabten Aldo, so brilliert Adam Driver wieder einmal mit stoischer Zurückhaltung.


Besonders deutlich wird die Steigerung ins Groteske, wenn Patrizia zunächst immer wieder eine Wahrsagerin (Salma Hayek) über ihre Zukunft befragt, dann mit einem Schadensfluch erreichen will, dass Maurizio zu ihr zurückkehrt. Als auch dies nichts fruchtet, greift sie zu einem profaneren Mittel. Wie sie und die Wahrsagerin sich mit zwei Berufskillern in einem Gastgarten treffen, wirkt nur noch wie die Karikatur solcher Szenen, doch Scott scheint es auf diesen Ton angelegt zu haben.


Aufgepeppt wird die dynamische Szenenfolge durch zahlreiche Popsongs ebenso wie durch Opernarien, sodass auch durch die Musik der satirische Charakter unterstrichen wird. Kein großes Gesellschafts- und Familienbild im Stil der Filme Viscontis strebt Scott an, schwelgt nicht in Grandezza, sondern orientiert sich mehr an klassische US-Serien wie "Dallas" oder "Denver Clan". Statt einem Gefühl für Glanz und Reichtum stellt sich auch durch das hohe Erzähltempo, bei dem keine Szene Raum zum Atmen bekommt, trotz des Luxus der Eindruck des Billigen ein, das beispielsweise auch die Kopien der Produkte Edelmarke kennzeichnet.


Ein großer Film ist "House of Gucci" mit seiner Lust an der Überzeichnung und dem Mangel an Differenziertheit und Tiefgang so zwar nicht, bietet aber doch flottes und unterhaltsames Kino. – Haften bleibt freilich wenig, außer der Erkenntnis, wie leicht ein erfolgreiches Familienunternehmen zerbrechen kann. Denn Gucci mag heute zwar eine sehr erfolgreiche Marke sein, doch kein Familienmitglied ist gegenwärtig an dem Unternehmen beteiligt, sondern es ist Teil des französischen Mode- und Accessoirekonzerns Kering.


Läuft derzeit in den Schweizer und deutschen Kinos, z.B. im Skino in Schaan und im Kino Scala in St. Gallen.


Trailer zu "House of Gucci"


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