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Handling the Undead

Autorenbild: Walter GasperiWalter Gasperi

Wie geht man mit Verlust um, wie kommt man über den Schmerz und die Trauer hinweg? - Die Norwegerin Thea Hvistendahl verbindet in ihrem Spielfilmdebüt Elemente des Zombiefilms mit existentiellen menschlichen Fragen: Ein leiser, aber aufregender Hybrid von Genrekino und Arthousefilm.

 

Hybride von Genrekino und Arthousefilm wie Thomas Cailleys "Animalia - The Animal Kingdom" (2023) oder Joachim Triers "Thelma" (2017) tun sich schwer, ein Kinopublikum zu filmen: Für Genrefans bieten sie zu wenig Action, für Arthouse-Fans sind sie wiederum zu actionlastig und mainstreamig. Nachdem der norwegische Autor John Ajvide Lindqvist schon die Vorlage zu "Let the Right One In " ("So finster die Nacht", 2008), in dem das Vampirthema in ein alltäglich-realistisches Ambiente verschoben wird, lieferte, orientiert er sich in "Handling the Undead", zu dem er zusammen mit der Regisseurin Thea Hvistendahl auch das Drehbuch schrieb, am Zombiefilm.


Am Beginn stehen dabei schwere Verlusterfahrungen: Während der bei einem Badeunfall ertrunkene Sohn von Anna (Renate Reinsve) schon begraben ist, bestattet die alte Tora ihre Lebensgefährtin gerade und David und seine zwei Kinder verlieren Ehefrau bzw. Mutter während des Films durch einen Autounfall.


In Parallelmontage erzählt Hvistendahl diese drei Geschichten, die sich nie kreuzen werden, die aber nicht nur drei verschiedene Lebensalter und Beziehungskonstellationen, sondern auch drei schwere Verluste ins Spiel bringen. So schweißt auch eine Montagesequenz zum von Nina Simone gesungenen Chanson "Ne me quitte pas" gegen Ende die drei Geschichten zusammen, denn groß ist bei allen Hinterbliebenen die Sehnsucht, die Verstorbenen zurückzubekommen.


Doch was passiert, wenn diese wirklich plötzlich wirklich wieder auftauchen wie die Geliebte Toras oder im Krankenhaus aufwachen wie Davids Frau oder aber vom Opa aus dem Grab geholt werden wie der kleine Elias?


Erst am Ende und auch dann nur sehr dezent arbeitet Hvistendahl mit Elementen des Zombiefilms. Ausführlich schildert sie zunächst den Schmerz und die Trauer vor allem der Mutter von Elias, aus der sie auch ihr fürsorglicher Vater nicht herausholen kann. Bewegung kommt in diese Schilderung der Erstarrung und Erschütterung, die auch die alte Tora erfassen, als mit beunruhigend auffliegenden Vogelschwärmen, flackernden Straßenlampen, blinkenden Ampeln und einem abrupt von der Decke fallenden Ventilator das Irrationale hereinbricht.


Dialog setzt Hvistendahl dabei durchgehend nur sehr reduziert ein. Das Schweigen evoziert ebenso wie die tristen Bilder mit fahlen Farben und Licht, kargen Räumen und wolkenverhangenem Himmel dicht die Stimmung der Trauer und des Verstummens. Dazu kommt ein starkes Sounddesign, das die Beunruhigung steigert.


Denn Glück will sich trotz der Rückkehr der Toten nicht einstellen. Verstört, aber auch hoffnungsvoll sind die Hinterbliebenen zwar zunächst über das Wiedersehen mit den Verstorbenen, müssen aber schließlich erkennen, dass sich ihre Liebsten verändert haben und nicht mehr die sind, die sie einmal waren.


Während der Titel "Handling the Undead" so die Frage nach dem Umgang mit den Untoten aufwirft, fragt der Film an sich bohrend nach dem Umgang mit Verlust, thematisiert die Schwierigkeit, aber auch die Notwendigkeit des Abschiednehmens und Loslassens, zu dem sich vor allem Anna schließlich durchringen wird.


Mit seinem langsamen Erzähltempo fordert dieser Hybrid zwar Geduld und Einfühlungsvermögen, sorgt aber mit seiner ungewöhnlichen Behandlung der existentiellen Thematik, dem ausgefeilten Sounddesign und dem Gespür für visuelle Gestaltung, bei der man mit Erwachen der Toten auch in eine in Halbdunkel getauchte Zwischenwelt versetzt wird, für ein aufregendes und nachwirkendes Filmerlebnis, das gespannt auf folgende Arbeiten der 35-jährigen Norwegerin warten lässt.

 

 

 

Handling the Undead Norwegen / Schweden / Griechenland 2024 Regie: Thea Hvistendahl mit: Renate Reinsve, Anders Danielsen Lie, Bahar Pars, Bjørn Sundquist, Olga Damani, Kian Hansen Länge: 97 min.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen.



Trailer zu "Handling the Undead"



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