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Schauspiel mit vollem Einsatz: Gena Rowlands

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • 31. Aug.
  • 3 Min. Lesezeit
"Gloria" (John Cassavetes, 1980): Gena Rowlands spielt mit Furor eine Gangsterbraut, die zur Beschützerin eines puerto-ricanischen Jungen wird
"Gloria" (John Cassavetes, 1980): Gena Rowlands spielt mit Furor eine Gangsterbraut, die zur Beschützerin eines puerto-ricanischen Jungen wird

Gena Rowlands wurde vor allem durch Rollen in den Filmen ihres Ehemanns John Cassavetes berühmt. Sie spielte keine umschwärmten Schönheiten und Heldinnen, sondern vielmehr mit geradezu schmerzlicher Inbrunst immer wieder psychisch labile Frauen. Das Kinok St. Gallen widmet der am 14. August 2024 Königin des unabhängigen US-Kinos im September eine Filmreihe.


Schon früh entdeckte die am 19. Juni 1930 als Tochter des Bankiers und Lokalpolitikers Edwyn Myrwyn Rowlands und dessen Frau Mary Allen Lean in Cambria, Wisconsin geborene Virginia Cathryn "Gena" Rowlands ihre Leidenschaft fürs Theater. Schon als 14-Jährige schloss sie sich einer Theatergruppe an, studierte nach der Highschool an der Universität von Wisconsin und absolvierte eine Schauspielausbildung an der American Academy of Dramatic Arts in New York.


Während dieses Studiums lernte sie auch John Cassavetes kennen, den sie 1954 heiratete. Bis zu seinem Tod am 3. Februar 1989 blieben sie ein Paar und unter seiner Regie entstanden ihre berühmtesten Filme. Doch in den 1950er Jahren spielte Rowlands zunächst ausschließlich am Theater sowie ab 1954 in Fernsehserien. Ihr Leinwanddebüt gab sie erst 1958 in José Ferrers Komödie "High Cost of Loving".


Klein war ihre Rolle noch in David Millers Post-Western "Lonely Are the Brave" ("Einsam sind die Tapferen", 1962), aber wie sie hier mit Kirk Douglas harmonierte, wie sie die unterdrückte Sehnsucht und stille Liebe zum Freund ihres Mannes ebenso spüren ließ wie ihre Unzufriedenheit und langsame Verkümmerung im Hausfrauenalltag, beeindruckte dennoch.


Die großen Hauptrollen gab ihr aber John Cassavetes, mit dem sie zehn Filme drehte. Nach einer Nebenrolle in dessen auf 16-mm-gedrehtem und teilweise improvisiertem Debüt "Shadows" ("Schatten", 1958) und einer ersten Hauptrolle in "Faces" ("Gesichter", 1968) dominierte sie mit ihrer Präsenz und schonungslosen Ehrlichkeit die großen Dramen "A Woman Under the Influence" ("Eine Frau unter Einfluss", 1974), "Opening Night" (1977) und "Gloria" (1980).


So quasidokumentarisch-realistisch Cassavetes´ Blick auf eine amerikanische Durchschnittsfamilie in "A Woman Under the Influence" ist, so ungeschönt und schonungslos ist ihre Verkörperung der psychisch labilen Mabel Longhetti, die an der Einengung auf die Rolle als Ehefrau, Hausfrau und Mutter zu zerbrechen droht.


Wie es dafür einen Golden Globe sowie eine Oscar-Nominierung für Rowlands gab, so erhielt sie für ihre Verkörperung der Schauspielerin Myrtle Gordon, die in eine Identitätskrise stürzt und dem Alkohol verfällt, in "Opening Night" bei der Berlinale den Silbernen Bären sowie eine Nominierung für den Golden Globe. Aber nicht nur in diesen Independent-Produktionen holte Cassavetes schauspielerisch alles aus seiner Frau heraus, sondern auch in dem bei den Filmfestspielen von Venedig 1980 mit dem Goldenen Löwen ausgezeichneten Gangsterfilm "Gloria".


Mit unvergleichlichem Furor spielte Rowlands darin eine Frau aus dem Gangstermilieu, die zunächst widerwillig die Rolle als Beschützerin eines von der Mafia gejagten sechsjährigen puerto-ricanischen Jungen übernimmt, schließlich aber alles gibt, um das Kind vor seinen Verfolgern zu schützen. Wiederum gab es dafür eine Oscar-Nominierung, doch die begehrte Statuette erhielt die Ausnahmeschauspielerin erst 2015 als Ehrenoscar.


Vier Jahre später brillierte sie in "Love Streams" (1984), der bei der Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde, nicht nur nochmals unter der Regie ihres Ehemannes, sondern dieser spielte an ihrer Seite auch die männliche Hauptrolle. Großteils im eigenen Haus drehte Cassavetes dabei dieses Psychogramm der schwierigen Beziehung zweier Geschwister, die mit ihrem Leben nicht zurechtkommen.


Aber auch Filmen anderer Regisseur:innen konnte Rowlands den Stempel aufdrücken. So glänzte sie in David Greenes Fernsehfilm "The Betty Ford Story" (1987) als alkoholkranke Präsidentengattin Betty Ford und wurde für ihre Leistung mit einem Goldenen Globe und einem Emmy ausgezeichnet. Jim Jarmusch wiederum ließ sie in seinem Episodenfilm "Night on Earth" (1991) eine Casting-Agentin und Karrierefrau spielen, die sich von einer jungen Taxifahrerin vom Flughafen von Los Angeles nach Hause fahren lässt.


An die Filme Ingmar Bergmans ebenso wie an die von John Cassavetes knüpfte dagegen Woody Allens "Another Woman" (Eine andere Frau", 1988) an, in dem Rowlands eine Schriftstellerin spielte, die über ihr unerfülltes Leben zu reflektieren beginnt. Unter der Regie ihres Sohnes Nick Cassavetes wiederum beeindruckte sie in "The Notebook" ("Wie ein einziger Tag", 2004) als demenzkranke Seniorin, der ihr Mann die Geschichte ihrer jugendlichen Liebe vorliest.


Während ihrer ganzen Karriere trat Rowlands aber auch in Fernsehserien auf. Der Bogen spannt sich von "Bonanza" und "Die Leute von der Shiloh Ranch" bis zu "Columbo" ("Columbo: Playback", 1975), "Monk" (2009) und "Navy CIS" (2010).


Ihre letzte Filmrolle hatte sie 2014 in der Komödie "Six Dance Lessons in Sex Weeks". Darin spielte sie eine Seniorin, die einen jungen Tanzlehrer engagiert, um ihr private Tanzstunden zu geben. 2019 erkrankte sie an Alzheimer und starb fünf Jahre später am 14. August 2024 im Alter von 94 Jahren in ihrem Haus im kalifornischen Indian Wells.



Weitere Informationen zur Filmreihe im Kinok St. Gallen und Spieltermine finden Sie hier.



Arte-Doku über Gena Rowlands (19 Minuten)


 

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