Einsam sind die Tapferen – Lonely Are the Brave
- Walter Gasperi
- 2. Apr.
- 4 Min. Lesezeit

Kirk Douglas brilliert als Cowboy, der in einer modernen Welt weiterhin unabhängig und frei leben will. – Bei Pidax Film ist David Millers immer noch beeindruckender Post-Western auf Blu-ray erschienen.
Der Blick auf die weite Prärie von New Mexico stimmt ebenso auf einen klassischen Western ein wie der Schwenk zu einem Lagerfeuer und dem daneben schlafenden Cowboy John W. "Jack" Burns (Kirk Douglas). Doch dieser Eindruck wird gebrochen, wenn den Erwachenden ein Geräusch in den Himmel blicken lässt und er drei Düsenjäger und ihre weißen Kondensstreifen entdeckt.
So treffen schon in der ersten Szene von David Millers 1962 entstandenem Spielfilm klassische Westernwelt und Moderne aufeinander und Miller wird diesen Gegensatz konsequent durchspielen. Rückwärtsgewandt wirken dabei auch die gestochen scharfen Schwarzweißbilder von Kameramann Philip H. Lathtrop, die in Kontrast zum zumeist farbigen Kino der 1960er Jahre stehen.
Auf den klassischen Western spielt auch die nächste Szene an, wenn Burns einen Stacheldraht durchschneiden muss, um seinen Weg in die Stadt fortsetzen zu können. Doch nicht mehr die Großranchen, gegen die Kirk Douglas beispielsweise in King Vidors "Man Without a Star" ("Mit stahlharter Faust", 1955) kämpfte, zäunen nun das Gelände ein, sondern ein Wasser-Konzern.
Eine Reminiszenz an den klassischen Western ist auch, dass Burns beim Weg in die Stadt mit seinem Pferd einen Fluss überqueren muss, doch die eigentliche Grenze zwischen Natur und Zivilisation stellt ein vielbefahrener Highway dar. Markante Gegensätze lässt Miller hier aufeinandertreffen, wenn er den Autos, das scheuende Pferd gegenüberstellt. Gleichzeitig verweist diese Szene auch schon auf das Ende voraus, das zudem mit der Parallelhandlung eines Trucks, der Toiletten nach Mexiko liefern soll, vorbereitet wird.
Der negative Blick auf die moderne Welt wird aber auch spürbar, wenn Burns beim Ritt in die Stadt zunächst einen Autofriedhof passiert. Weil er seine Freiheit immer über alles stellte und von Gelegenheitsjobs als Viehtreiber und Schafhüter lebt, wurde wohl auch nie etwas Dauerhaftes aus der Beziehung zu Jerry (Gena Rowlands), die er nun besucht.
Man spürt in jedem Blick ihre innige Beziehung, doch letztlich heiratete sie Burns´ Freund Paul, mit dem sie nun auch einen Sohn hat. Dieser Paul sitzt nun aber im Gefängnis, weil er illegal eingewanderten Mexikanern half. So provoziert Burns eine Schlägerei, um selbst inhaftiert zu werden und gemeinsam mit Paul auszubrechen. Doch dieser will nicht mit ihm fliehen, würde er damit doch seine bürgerliche Existenz aufs Spiel setzen.
So spiegeln sich auch in diesen beiden Charakteren klassische Westernfiguren. Denn wie in John Fords Meisterwerk "The Man Who Shot Liberty Valance" – und zahlreichen weiteren Western – dem Outlaw, der die Eroberung des Westens ermöglichte, der gewandelte und in die neue bürgerliche Gesellschaft integrierte Ex-Outlaw gegenübersteht, so steht Burns, der an seinem alten Leben festhalten will, Paul gegenüber, der sich an die neuen Zeiten angepasst hat.
Visuell kontrastiert Miller dabei die Weite der Prärie mit der Enge einer Bar, des Büros des Sheriffs und des Gefängnisses, stellt aber auch der Ungebundenheit seines Protagonisten eine von Bürokratie bestimmte Welt gegenüber. Nicht nur die Häftlinge sind hier hinter Gittern, sondern zweimal wird auch Scheriff Morey Johnson (Walter Matthau) durch ein vergittertes Fenster gefilmt und erscheint somit als Gefangener.
Diesem Gefängnis steht mit Burns Flucht das offene Land gegenüber. Doch um ins sichere Mexiko zu entkommen, muss Burns einen steilen Gebirgskamm überqueren. Bei der Verfolgungsjagd steht seinem befreiten Ritt die wilde Fahrt des Sheriffs mit einem Jeep über eine holprige Staubpiste gegenüber. Dazu kommt mit einem Hubschrauber aber auch ein modernes Überwachungsszenario ins Spiel.
Zunehmend aussichtsloser wird so die Lage des Einzelgängers angesichts der personellen und technischen Überlegenheit seiner Verfolger. Eindrücklich vermittelt Kirk Douglas, wie Burns sich langsam seiner hoffnungslosen Situation bewusst wird, aber weiter kämpft und vor allem auch sein Pferd, das sein einziger Freund ist, nie im Stich lässt.
Wie im Brennspiegel fasst Miller dabei den Zusammenprall von alter Westernwelt und Moderne im Finale nochmals zusammen, wenn Burns wieder – und dieses Mal bei Nacht und bei strömendem Regen – mit dem Pferd einen viel befahrener Highway überqueren muss, um Mexiko zu erreichen.
Geradlinig erzählt David Miller diese Geschichte. Er verzichtet auf großes Spektakel und vertraut auf das Drehbuch von Dalton Trumbo, der in den 1950er Jahre auf der "Schwarzen Liste" des Kommunistenjägers Joseph McCarthy stand und erst bei Stanley Kubricks "Spartacus" wieder in den Credits erwähnt werden durfte, auf die Kameraarbeit von Philip H. Lathrop und auf sein starkes Ensemble.
Da brilliert nicht nur Kirk Douglas, der "Einsam sind die Tapferen" als seinen Lieblingsfilm bezeichnete, in der Hauptrolle, sondern auch der vor allem für komödiantische Rollen bekannte Walter Matthaus als Sheriff, der heimlich zunehmend Respekt und Sympathie für den Einzelgänger entwickelt. Haften bleibt aber auch Gena Rowlands in der einzigen weiblichen Rolle des Films. Ihr Auftritt als Jerry ist zwar kurz, doch sie spielt diese Frau mit so viel Gefühl, dass man sie sofort ins Herz schließt.
An Sprachversionen bietet die bei Pidax Film erschienene Blu-ray die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie deutsche Untertitel. Die Extras umfassen neben dem originalen Kinotrailer und einer Bildergalerie zwei jeweils deutsch untertitelte Featurettes.
Während in dem knapp 20-minütigen "Einsam sind die Tapferen: Ein Tribut" neben Kirk Douglas auch sein Sohn Michael Douglas, Gena Rowlands und Steven Spielberg ihre Begeisterung über den Film äußern, widmet sich das zehnminütige Featurette "Die Musik von Einsam sind die Tapferen" der Arbeit von Jerry Goldsmith, dessen herausragende Karriere als Filmmusikkomponist unter anderem mit diesem Soundtrack begann.
Trailer zu "Einsam sind die Tapferen - Lonely Are the Brave"
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