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  • AutorenbildWalter Gasperi

Faust. Eine deutsche Volkssage


Auch 95 Jahre nach seiner Uraufführung begeistert Friedrich Wilhelm Murnaus Adaption des klassischen Stoffes durch Bildgewalt, fulminante Lichtregie und spektakuläre Bauten. In der Edition Filmmuseum ist das Stummfilm-Meisterwerk erstmals mit den originalen Zwischentiteln von Gerhart Hauptmann auf DVD erschienen.


Wenig bekannt ist, dass hinter Friedrich Wilhelm Murnaus "Faust. Eine deutsche Volkssage" eine lange Vorgeschichte steht. Einblick in diesen Prozess bietet Stefan Drössler im Booklet, in dem er detailreich und mit genauer Datierung den mehrjährigen Prozess nachzeichnet. Denn ursprünglich wollte Mary Pickford mit Ernst Lubitsch als Regisseur den Stoff in Hollywood adaptieren. Die Probeaufnahmen für die Rolle des Mephisto, die dafür entstanden, bietet die DVD als zehnminütiges Extra.


Nie kam das Projekt jedoch über diese Screen-Tests hinaus, denn Pickford gab ihre "Faust"-Pläne auf, die nun aber die deutsche Ufa aufgriff. Murnau kam als Regisseur ins Spiel, der in Hollywood schon einen Vertrag mit William Fox unterschrieben hatte. Doch bevor er endgültig nach Kalifornien übersiedelte, drehte er in Deutschland noch "Faust".


Ein Streit entwickelte sich über die Zwischentitel, für die im Nachhinein Gerhart Hauptmann engagiert wurde: Drehbuchautor Hans Kyser protestierte in einem offenen Brief gegen diese neuen Zwischentitel, die schließlich noch vor der Premiere wieder entfernt wurden. Auch der Nachdruck des Konflikts zwischen Kyser und Hauptmann findet sich in dem wie immer bei der Edition Filmmuseum hervorragenden Booklet, das auch eine englische und französische Version des Beitrags Drösslers zur Vorgeschichte des Films bietet.


Murnau verband für seine "Faust"-Version Elemente aus Goethes Drama mit der Volkssage und Christopher Marlowes "Die tragische Historie vom Doktor Faustus". Bildmacht entwickelt schon die erste Szene, in der die apokalyptischen Reiter mit Krieg, Hunger und Pest durch die Wolken galoppieren. Wie bei diesem Auftakt wird es immer wieder qualmen und dampfen und das Vorspiel im Himmel stimmt mit dem leuchtend weißen Erzengel und dem schwarzen Mephisto nicht nur auf ein spektakuläres Spiel mit Licht und Schatten ein, sondern auch auf den Antagonismus von Gut und Böse ein.


Statt Schutz legt Mephisto (Emil Jannings) mit seinem mächtigen schwarzen Mantel Verderben über die mittelalterliche deutsche Kleinstadt. Allein schon durch die Größenverhältnisse wirkt die Menschheit diesen übermächtigen Kräften hilflos ausgeliefert, erscheint als Spielball von Gott und Teufel. Fieberhaft sucht der alte Doktor Faust (Gösta Ekman) nach einem Heilmittel gegen die Pest, doch weder seine wissenschaftliche Forschung noch Prediger scheinen Erfolg im Kampf gegen die Seuche zu bringen.


Wütend wirft Faust seine Bücher – und damit die Bildung -, aber auch die Bibel ins Feuer, in dem sich plötzlich ein teuflisches Buch zeigt, das ihn aus der Stadt lockt. Dort trifft er Mephisto, der ihm Reichtum, Macht und Jugend verspricht, und rasch ist ein Pakt für einen Tag geschlossen. Doch bald will Faust mehr, verpflichtet sich auf Dauer dem Teufel, der ihm dafür in einer spektakulären Flug mit einem fliegenden Teppich die Welt zeigt, ihn die Herzogin von Parma an ihrem Hochzeitstag verführen lässt, ehe er in die Heimat zurückkehrt und sich in das junge Gretchen (Camilla Horn) verliebt.


Nicht so entfesselt wie in "Der letzte Mann" ist die Kamera von Carl Hoffmann, zentrale Bedeutung hat dafür die Arbeit der Filmarchitekten Robert Herlth und Walter Röhrig. Sie evozieren mit ihren Bauten einerseits dicht die bedrückende Atmosphäre eines verwinkelten mittelalterlichen Städtchens, andererseits das prunkvolle Hochzeitsbankett in Parma.


Expressionistisches Kino vermischt sich hier mit den Monumentalfilmen eines Fritz Lang. An "Nosferatu" knüpft Emil Jannings femininer, aber diabolisch überall Tod verbreitender Mephisto an. Seinem Schwarz steht das leuchtende Weiß des unschuldigen Gretchen gegenüber und eine idyllische, lichtdurchflutete Frühlingsszene im Garten kippt mit der Entdeckung des Schäferstündchens Gretchens mit Faust, die mit dem Tod von Gretchens Mutter und Bruder endet, in die Düsterkeit von Pranger und eisigem Winter.


Kitsch mag da im Finale nicht fehlen, wenn Faust und Gretchen vom Scheiterhaufen direkt in den Himmel fahren und das Mephisto unbekannte Wort "Liebe" vom Erzengel in die Wolken geschrieben wird, und uneinheitlich ist dieser "Faust" auch in der Mischung von großem Spektakel und intimen Szenen, beeindruckt aber immer noch durch Murnaus Gespür für visuelle Gestaltung. Mit einer überragenden Lichtregie, einer aufregenden Raumdramaturgie, dem einfallsreichen Spiel mit Doppelbelichtungen und den spektakulären Bauten entwickelt dieser Stummfilm eine Bildmacht, die lange nachwirkt.


An Sprachversionen bietet die in der Edition Filmmuseum erschienene DVD die deutsche Originalfassung mit den erstmals wieder ergänzten, in Fraktur geschriebenen Zwischentiteln Gerhart Hauptmanns, zu der deutsche, englische und französische Untertitel zugeschaltet werden können. Die Extras umfassen – wie schon erwähnt – ein hervorragendes Booklet und Probeaufnahmen zu dem von Ernst Lubitsch 1923 geplanten "Faust"-Film.


Eröffnungsszene von "Faust. Eine deutsche Volkssage"




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