Ein Mittvierziger begibt sich unerlaubterweise mit seinem elfjährigen autistischen Sohn auf eine Reise quer durch die USA, muss dabei gleichzeitig aber auch die schwierige Beziehung zu seinem eigenen Vater verarbeiten: Tony Goldwyns stark gespielter Familienfilm leidet an seiner Vorhersehbarkeit und einer uninspirierten Inszenierung.
Der New Yorker Stand-Up Comedian Max (Bobby Cannavale) steckt in einer Krise: Einerseits verkraftet er die Trennung von seiner Frau Jenna (Rose Byrne) nicht, andererseits kracht er ständig mit seinem Vater Stan (Robert De Niro) zusammen, in dessen Haus er wohnt, und auch beruflich läuft es keineswegs großartig.
Liebevoll kümmert er sich aber um seinen elfjährigen autistischen Sohn Ezra (William A. Fitzgerald). Heftigen Widerstand leistet der Mittvierziger, der immer wieder die Kontrolle über sich selbst verliert und ausrastet, als Ezra nach einem Konflikt an seiner Schule an eine Sonderschule versetzt werden soll, und wird aggressiv gegenüber einem Arzt, als dieser Ezra medikamentös behandeln will.
Obwohl nach diesem Vorfall ein Kontaktverbot über Max verhängt wird, holt er mitten in der Nacht Ezra aus dem Bett im Haus seiner Frau, nimmt den Wagen seines Vaters und bricht zu einem Roadtrip quer durch die USA auf. Ist zunächst ein alter Freund in Michigan das Ziel, soll es bald weiter nach Los Angeles gehen, als Max erfährt, dass er zu einem Vorsprechen für die TV-Show "Jimmy Kimmel Live!" eingeladen wurde. Auf ihren Fersen sind aber bald nicht nur Vater Stan und Noch-Ehefrau Jenna, sondern auch die Polizei.
Seit eh und je bieten sich Roadtrips an, um von Menschen zu erzählen, die sich mit der äußeren Bewegung auch innerlich näher kommen. Bezüglich Autismus wählten diese Form schon Barry Levinsons Klassiker "Rain Man" (1988) und zuletzt auch Marc Rothemunds "Wochenendrebellen" (2023), der ebenfalls eine Vater-Sohn-Geschichte erzählt.
Auch hier gibt es natürlich während der Reise kritische Momente mit Ezra, doch letztlich macht er Erfahrungen, durch die er sich öffnet und die ihm das Leben erleichtern. Getragen von dem selbst autistischen 14-jährigen William A. Fitzgerald plädiert "Ezra – Eine Familiengeschichte" so berührend für Inklusion von Menschen mit Behinderung und gegen Abschiebung in eine Sonderschule.
Doch so humanistisch und gut gemeint die Botschaft auch ist und so großartig auch Bobby Canavale Max als einerseits liebenden, andererseits verzweifelt-hilflosen Vater spielt, so leidet dieser Familienfilm doch an seiner sehr vorhersehbaren und formelhaften Geschichte.
Brav reiht Tony Goldwyn Szene an Szene, kann aber keinen Moment akzentuieren oder verdichten. Klassische Konflikte werden durchgespielt und parallel zur Beziehung zwischen Max und Ezra muss Max auch seine verkorkste Beziehung zu seinem Vater aufarbeiten. Dazu kommt auch noch eine Wiederbegegnung mit einer Jugendfreundin, während Vater Stan während der Autofahrt mit der von ihm abgelehnten Schwiegertochter zusammenspannen muss.
Viel packt Goldwyn so in seine Tragikomödie, entwickelt aber wenig wirklich weiter, sondern will vielmehr mit großem Handlungsreichtum flotte Unterhaltung bieten, die niemandem wehtut. Sehr weichgespült werden so auch nicht nur Ezras Autismus, sondern auch die diversen familiären Konflikte behandelt und klar ist von Anfang an, dass sich alles in Wohlgefallen auflösen wird.
Das Zeug zum Crowd-Pleaser hat "Ezra – Eine Familiengeschichte" dennoch kaum, denn zu einfallslos und uninspiriert ist dazu wohl Goldwyns Regie. Jede Überraschung, jeder Esprit fehlen hier und ganz auf die Bebilderung des Drehbuchs von Tony Spiridakis, der wie Robert De Niro selbst Vater eines autistischen Sohnes ist, beschränkt sich der 64-jährige Amerikaner, der selbst die Rolle von Jennas neuem Freund spielt.
Da loderte in Rothemunds "Wochenendrebellen" schon ein ganz anderes Feuer, begeisterte mit einer ungleich emphatischeren Erzählweise und natürlich auch mit den dort großartig integrierten Besuchen in den verschiedenen deutschen Fußballstadien.
Ezra – Eine Familiengeschichte
USA 2023
Regie: Tony Goldwyn
mit: Bobby Cannavale, William A. Fitzgerald, Rose Byrne, Robert De Niro, Whoopi Goldberg
Länge: 101 min.
Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Cinema Dornbirn.
Trailer zu "Ezra - Eine Familiengeschichte"
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