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AutorenbildWalter Gasperi

Die Stadt im Film


Blade Runner 2049 (Denis Villeneuve, 2017)

Als Ergänzung zum Forum Städtebau "Basel 2050" des S AM Schweizerisches Architekturmuseum und Städtebau & Architektur des Bau- und Verkehrsdepartements des Kantons Basel-Stadt zeigt das Stadtkino Basel mehrere Filme, die Blicke in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft urbaner Lebensrealitäten werfen.


Film und moderne Großstadt sind untrennbar miteinander verknüpft. Beides sind Folgen der Industrialisierung. Die Entstehung von Fabriken führte zu Landflucht und Urbanisierung. Ende des 19. Jahrhunderts befreite die Erfindung der Elektrizität schließlich den Menschen von dem durch die Natur bestimmten Tagesablauf: Auf die Arbeit am Tag folgten Freizeitvergnügen in der Nacht. Massenveranstaltungen und Massenkultur entstanden, der Film ebenso wie große Sportveranstaltungen.


Gleichzeitig war das beginnende 20. Jahrhundert durch eine ungeheure Dynamisierung gekennzeichnet: schnellere Verkehrsmittel, schnellere Produktion durch das Fließband. Dieser Beschleunigung des Lebens, die sich vor allem in der Stadt vollzog, konnte keine andere Kunst und kein anderes Medium besser Ausdruck verleihen als der Film, dessen Kennzeichen nicht nur die bewegten Bilder, sondern zumeist auch ein dynamisches Geschehen ist. Auf dieses Wesensmerkmal der siebten Kunst verweisen sowohl der griechische Begriff „Kino“ als auch der englische Ausdruck „Movie“, die beide „Bewegung“ bedeuten.


Die Großstadt und die neuen technischen Errungenschaften faszinierten Filmregisseure von Anfang an. Die Brüder Lumière schockten (angeblich) das Publikum 1895 in „L´arrivée d´un train“ mit einem in einen Bahnhof einfahrenden Zug. Edwin S. Porter fing in „Coney Island at Night“ (1905) das Lichtermeer des nächtlichen New Yorker Vergnügungsviertels ein und tauchte in „Interior New York Subway 14th to 42nd Street“ (1905) in die U-Bahn des „Big Apple“ ab.


Bald begann man auch durch die Montage den Rhythmus des Großstadtlebens hautnah zu vermitteln. Während Walter Ruttmann in „Berlin – Sinfonie einer Großstadt“ (1927) den Tagesablauf der deutschen Hauptstadt vom verschlafenen Morgen über hektischen Großstadtverkehr bis zum ausgelassenen Nachtleben schilderte, ließ Dziga Vertov in „Der Mann mit der Kamera“ (1929) den Zuschauer einen filmenden Reporter durch eine russische Großstadt begleiten. Ähnliche dokumentarische „Film-Symphonien“ entstanden mit Robert Floreys „Skyscraper Symphony“ (1928) oder Kenji Mizoguchis „Symphonie einer Großstadt“ (1929) auch in den USA und in Japan.


Der gewaltige gesellschaftliche und technologische Umbruch der Welt zu Beginn des 20. Jahrhunderts regte aber auch zu Spekulationen über weitere Entwicklungen an. Bahnbrechend und wegweisend war in dieser Hinsicht „Metropolis“ (1927), in dem Fritz Lang beeinflusst von einem New York-Aufenthalt mit den Filmarchitekten Otto Hunte, Erich Kettelhut und Karl Vollbrecht eine futuristische Stadt entwarf. Vernichtende Kritiken erhielt dieser Science-Fiction-Film bei seiner Uraufführung und wurde barbarisch gekürzt. Lange galt die Originalversion als verloren, bis 2008 in Buenos Aires eine Kopie gefunden wurde, mit der eine annähernd vollständige Fassung erstellt werden konnte.


Den Prototypen des dystopischen Stadtbilds schuf Lang mit diesem Film, der Ridley Scotts "Blade Runner" (1982) ebenso beeinflusste wie Denis Villeneuves "Blade Runner 2049" (2017). Wird hier mit enormem tehnischem Aufwand das Bild einer düsteren zukünftigen Stadt evoziert, in der der Mensch zwischen Technik und kalten Bauten förmlich verschwindet, so beschwört Jacques Tati in "Playtime" (1967) mit uniformen, in grau getauchten Bürogebäuden das Bild eines hypermodernen Paris, in dem die Menschen wie Fremdkörper wirken.


Gegenpol zu diesen Fiktionen bietet Matthias Müllers im Kurzfilm "Vacancy" (1998), in dem Amateuraufnahmen der Einweihung des von Oscar Niemeyer geplanten Brasilia im Jahr 1960 eigenen Aufnahmen des Filmemachers aus dem Jahre 1998 gegenübergestellt werden. Sichtbar wird durch den Zusammenprall der Bilder das Scheitern der Utopie, die mit dieser Musterstadt der Moderne verbunden waren.


Wie in Filmen das Bild der Stadt Los Angeles umgeformt wurde, deckt Thom Anderson in seinem Essayfilm "Los Angeles Plays Itself" (2003) auf, in dem Spielfilmausschnitten die tatsächliche Stadt gegenübergestellt wird. Aber auch Helke Sander macht in "Die allseitig reduzierte Persönlichkeit – Redupers" (1978) die Diskrepanz zwischen Realität der Großstadt Berlin und ihrer filmischen und fotographischen Inszenierung bewusst. Dem ungeschönt eingefangenen Alltag einer Fotografin stehen hier die Werbefotos gegenüber, die sie machen muss.


Durch fünf Städte bei Nacht von Los Angeles über New York bis Rom, Paris und Helsinki führt Jim Jarmusch das Publikum in seinem Episodenfilm "Night on Earth" (1991), während Claude Lelouch im Kurzfilm "C`était un rendez-vous" (1976) einen Rennfahrer in halsbrecherischer Fahrt durch das frühmorgendliche Paris rasen lässt.


Der in Südkorea geborene US-amerikanische Filmemacher Kogonada verwebt wiederum in seinem Regiedebüt "Columbus" (2017) die berühmte moderne Architektur der in Indiana liegenden titelgebenden Stadt mit einer zarten Liebesgeschichte. Dem klassischen Paris, das ein freches Mädchen in Louis Malles verspieltem "Zazie dans le métro" (1960) erkundet, steht der schonungslos realistische Blick auf die explosive Atmosphäre in den multikulturellen Banlieue in Ladj Lys vibrierendem "Les Misérables" (2019) gegenüber.


Wie Spekulanten vielfach bei der Stadtentwicklung mitmischen, arbeitete dagegen schon vor fast 60 Jahren Francesco Rosi in seinem in Neapel spielenden "Le mani sulla città" (1963) heraus, während Christian Schocher in "Reisender Krieger" (1981 / 2008) am Beispiel eines Vertreters die Tristesse Schweizer Städte und Orte vermittelt.


Fern vom Glanz der ewigen Stadt Rom ist auch die Welt, die Gianfranco Rosi in seinem Dokumentarfilm "Sacro GRA – Das andere Rom" (2013) einfängt. Nicht auf das Zentrum fokussiert er, sondern auf die ganz unterschiedlichen Menschen, die am Rand der Stadt entlang der titelgebenden Ringautobahn wohnen.


Dennoch ist vor allem im amerikanischen Kino die Großstadt für Bewohner der Provinz, immer wieder ein Ort der Sehnsucht. Sie erscheint als Gegenpol zu Kleinstadtmief und gesellschaftlicher Enge, dort hofft man seine Träume von Karriere und Reichtum verwirklichen zu können. Meist geht es dabei um New York – der Stadt schlechthin - , das sich mit seinen Sehenswürdigkeiten ins Bewusstsein der Menschen eingeschrieben hat, während das gesichtslose Los Angeles als bevorzugter Schauplatz des Film Noir gerne als Ort des Verbrechens und der moralischen Verkommenheit fungiert.


Doch auch auf die Metropole an Hudson und East River kann man ganz unterschiedlich blicken: Als Hölle auf Erden erscheint sie bei Martin Scorsese und Abel Ferrara, Woody Allen dagegen erklärte seiner Heimatstadt nicht nur im wunderbaren Schwarzweißfilm „Manhattan“ (1979) seine Liebe.


Weitere Infos und Spielzeiten finden sie unter Stadtkino Basel.


Trailer zu "Playtime"



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