top of page
  • AutorenbildWalter Gasperi

Die Königin des Nordens


Im 15. Jahrhundert eint die dänische Königin Margarethe I. Skandinavien, muss sich aber in einer Männerwelt und gegen Intrigen behaupten. – Charlotte Sieling zeichnet in ihrem opulent ausgestatteten und atmosphärisch dichten Historienfilm mit einer großartigen Trine Dyrholm in der Hauptrolle das Bild einer starken, aber auch zerrissenen Frau.


Mit dem Insert "eine von wahren Ereignissen inspirierte Fiktion" macht Charlotte Sieling von Anfang an klar, dass es ihr nicht um exakte Nachzeichnung der Ereignisse geht, sondern sie sich künstlerische Freiheiten nehmen wird, um den Stoff zu verdichten, ihr Thema zu schärfen.


Schon mit den ersten Bildern evoziert die 52-jährige Dänin das Bild vom finsteren und brutalen Mittelalter: Ein kleines Mädchen steht an einem Wasserbottich, in dem ein Mann seine blutigen Hände wäscht. Mit einem Sprung in die Totale weitet sich der Blick auf ein Schlachtfeld mit zahlreichen Toten. Kalte Blau- und Grautöne sowie ein wolkenverhangener Himmel verstärken die bedrückende Atmosphäre.


Von diesem 1361 spielenden Auftakt springt Sieling ins Jahr 1402. Das Mädchen ist inzwischen Königin Margarethe I. (1353 - 1412) (Trine Dyrholm). Inserts informieren, dass es ihr gelang Dänemark, Norwegen und Schweden 1397 in der Kalmarer Union zu einen und eine Zeit des Friedens und Wohlstands einzuleiten. Unübersehbar ist, dass mit diesen beiden gegensätzlichen Szenen auch der männlichen Gewalttätigkeit und Kriegslust weibliches Bemühen Konflikte durch Verhandlungen beizulegen gegenübergestellt wird. Dies kommt auch später zum Ausdruck, wenn erklärt wird, dass Margarethe das Kriegsministerium abgeschafft hat.


Düster bleibt die Stimmung zwar durchgängig bei Ritten durch die weite, karge Landschaft unter dem stets dicht bewölkten oder nebelverhangenen Himmel. Warme Farben finden sich kaum. Auch die Innenszenen strahlen trotz des gelbbraunen Kerzenlichts aufgrund der kalten Steinwände Kälte und Unwohnlichkeit aus.


Eindrücklich vermittelt Sieling die Stärke dieser Frau, wenn sie in einer Sitzung allein unter Männern sich die Unterstützung der Adeligen Norwegens und Schwedens versichern muss. Allein regieren kann sie in diesen Zeiten des Patriarchats freilich kaum. In einem kirchlichen Würdenträger Peder (Søren Malling) hat sie einen Unterstützer im Hintergrund und zumindest nach außen regiert an ihrer Seite ihr Adoptivsohn Erik (Morten Hee Andersen). Mit einer Heirat Eriks mit der erst achtjährigen Tochter des englischen Königs Heinrich IV. soll eine weitere Koalition geschlossen und die Unabhängigkeit Skandinaviens gegenüber dem aggressiven Deutschen Orden, der einen Krieg vorbereitet, gesichert werden.


Doch dann taucht ein Mann auf, der behauptet der leibliche Sohn Margarethes zu sein, der angeblich vor 15 Jahren ermordet wurde. Ist die Königin zunächst sicher, dass es sich nicht um Olav handelt, kommen bei ihr doch bald zunehmend Zweifel auf. Zwei Spione sollen in Erfahrung bringen, ob dieser Mann wirklich der Sohn der Königin ist, damals entführt und 15 Jahre in Deutschland gefangen gehalten wurde.


Mit dieser Parallelhandlung baut Sieling mit dem Wissensvorsprung des Publikums geschickt Suspense auf. Denn unklar ist, ob die Spione rechtzeitig mit ihren Informationen nach Dänemark zurückkehren, wo sich die Ereignisse zuspitzen und die Königin vor einer schwerwiegenden Entscheidung steht. Denn entweder muss sie Olav als Betrüger verurteilen oder aber ihn als Sohn anerkennen. Letzteres würde freilich den Widerstand ihres Adoptivsohns und derzeitigen Königs Erik hervorrufen und auch die Adeligen spalten.


Konventionell ist das zwar inszeniert, aber mit einer starken Frau setzt Sieling doch ähnlich wie jüngst Ridley Scott in "The Last Duel" neue Akzente im historischen Film. Entsprechend der weiblichen Perspektive und der Protagonistin bestimmen auch nicht Schlachten und Zweikämpfe den Film, sondern Dialoge.


Nicht sofort zugeschlagen und geurteilt wird hier, sondern ausverhandelt werden die Dinge und lange abgewogen, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Deutlich macht Sieling mit dieser Margarethe so auch, dass die Geschichte mit mehr Frauen wie Margarethe friedlicher verlaufen hätte können und plädiert damit auch unübersehbar ganz allgemein für mehr Frauen in Spitzenpositionen in der Politik.


Getragen wird "Die Königin des Nordens" von einer starken Trine Dyrholm in der Titelrolle. Mit zurückhaltendem Spiel macht sie deren Anspannung ebenso spürbar wie ihre zunehmende Zerrissenheit. Gewicht bekommt daneben auch noch Peder, der sie unterstützt und ohne dessen Einfluss sie nicht auskommt, sowie ihr Adoptivsohn Erik. Die Adeligen bleiben dagegen eher blass, sind mehr anonyme Masse als individuelle Charaktere.


Wenig glaubwürdig sind zwar manche Details, wie der Umstand dass Erik fast immer eine Krone trägt, und das Pathos, das die Musik von Jon Ekstrand vor allem gegen Ende aufkommen lässt, hätte gedrosselt werden können. Aber die starke Ausstattung und die großartigen Bilder von Kameramann Rasmus Videbæk, mit denen eindrücklich die düstere Stimmung dieser Zeit evoziert wird, lassen über diese Schwächen hinwegsehen.


Die Königin des Nordens (Margrete den Første) Dänemark / Norwegen / Polen / Schweden 2021 Regie: Charlotte Sieling, mit: Trine Dyrholm, Søren Malling, Morten Hee Andersen, Jakob Oftebro, Länge: 116 min.


Läuft in den österreichischen und deutschen Kinos


Trailer zu "Die Königin des Nordens"


bottom of page