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  • AutorenbildWalter Gasperi

Club Zero


An einer Eliteschule bringt eine neue Lehrerin mit suggestiven Methoden eine Schüler:innengruppe dazu, sukzessive weniger zu essen: Mit gewohnt kühlem Blick entwickelt Jessica Hausner in ihrem zweiten englischsprachigen Film eine Satire über Guru-Glauben, Manipulation und Verführung, dem es aber an Biss und Durchschlagskraft fehlt.


Die Aufschriften "Where is More in You" und "You Can Reach the Stars" auf Bannern weisen schon darauf hin, dass an der englischen Eliteschule Talent Campus der Leistungsgedanke groß geschrieben wird. Nicht nur gefördert, sondern auch gefordert und zu Höchstleistungen angetrieben werden hier die Schüler:innen.


Immer muss die Schule, für deren Besuch die Eltern eine beträchtliche Summe zahlen, natürlich up to date sein und Unterrichtsinhalte, die im Trend sind, anbieten. So wird Miss Novak (Mia Wasikowska) für das neue Fach "Bewusste Ernährung" eingestellt. Sieben Schüler:innen melden sich für diesen Kurs. Ihre Motive reichen vom Beitrag zum Klimaschutz, über körperliche Leistungssteigerung und Verbesserung der Gesundheit bis zur Protestaktion gegen die Konsumgesellschaft und die Hoffnung auf eine gute Note für ein Stipendium.


Diesen breit gestreuten Beweggründen entspricht die Unterschiedlichkeit der Schüler:innen, die unter anderem mit einer Trampolinspringerin, einer Pianistin, einem Tänzer und einem Unterschichtjungen eine Bandbreite hinsichtlich sozialer Stellung und Begabung ins Spiel bringt.


Ganz harmlos ist der Einstieg mit dem Hinweis auf die positiven Wirkungen von bewusster Ernährung auf Körper, Geist und die Umwelt sowie die Aufforderung bewusster und langsamer zu essen. Doch aus dem bewusster wird langsam ein weniger. Zwei Schüler:innen springen zwar bald ab, aber die anderen fünf folgen entschlossen ihrer Lehrerin, bis diese schließlich als Ziel vorstellt, wie die Mitglieder des geheimen Club Zero gar nichts zu essen.


Mit ihren subtilen Methoden gelingt es Miss Novak die Schüler:innen so zu lenken, dass sie die Manipulation nicht merken und glauben, aus eigenem Antrieb zu handeln. Als die Eltern, die ihre Kinder quasi an die Schule abgegeben haben und nur an Festtagen sehen, die Veränderung bemerken und Alarm schlagen, sind die Teenager schon so der Lehrerin verfallen, dass es zu spät ist.


In gewohnt kühlen Bildern, deren Ausstrahlung durch die zwischen Trommelschlägen und Meditationsgesang pendelnde Musik verstärkt wird, erzählt Jessica Hausner diese an das Märchen vom "Rattenfänger von Hameln" erinnernde Geschichte einer Manipulation und bedingungsloser Gefolgschaft. Plastisch zeigt die Österreicherin dabei auf, wie gerade in Krisenzeiten solche Gurus, die den Glauben über jede wissenschaftliche Erkenntnis und Fakten stellen, ihre Anhängerschaft finden.


Die sorgfältig gewählte Farbpalette mit den leuchtend gelben Schuluniformen, die vielfach symmetrisch aufgebauten und sorgfältig kadrierten Bilder und die sterile Ausstattung nicht nur der Schulräume, sondern auch der Designerhäuser der Eltern steigern die Kälte ebenso wie die leicht surreale Atmosphäre. Die konkrete gesellschaftliche Realität bleibt wie bei Märchen außen vor, eine nicht geographisch oder zeitlich verankerte universelle und zeitlose Fabel soll hier erzählt werden.


Wirklichen Zugang zu den Figuren gewinnt man aufgrund dieser kühlen Ästhetik, des distanzierten Blicks und dem weitgehenden Verzicht auf Psychologisierung und Backstories aber nicht. Gerade in ihrer Zurückhaltung sehr überzeugend spielt zwar Mia Wasikowska die Lehrerin, lässt das Publikum aber ebenso kalt wie die Schüler:innen, die mehr unterschiedliche Typen als echte Charaktere sind und im Verlauf des Films – wohl zum Schutz der Schauspieler:innen – trotz des Nahrungsentzug nicht erkennbar dünner, sondern nur bleicher werden.


Mehr kühle Versuchsanordnung als bewegende Erzählung ist folglich dieser Film, der mit leichter Überzeichnung der Realität, besonders der aus diesem Milieu herausfallenden Unterschichtmutter satirische Akzente setzt. Doch echten Biss will "Club Zero" nicht entwickeln. Zu dünn und gleichförmig plätschert die Handlung dahin, und auch der Blick auf die Oberschichteltern bewegt sich sehr im bekannten und auch klischeehaften Rahmen.


Zwar ist die Handlungsführung stringent, aber insgesamt recht kraft- und einfallslos. Überraschungen fehlen ebenso wie Ambivalenzen. Zu offen liegt hier alles zu Tage, abgründige irritierende und verstörende Momente gibt es fast keine. Am weitesten treibt es Hausner hier noch mit einer Brechszene, bei der der Teenager anschließend das Gebrochene wieder isst. Dass vor dieser Szene schon im Vorspann des Films mit einem Insert gewarnt wird, scheint freilich ziemlich neuartig, erfolgten solche Warnhinweise bislang doch immer nur in Werbeankündigungen und Berichten über den Film, aber nicht im Film selbst.


Club Zero Österreich / Großbritannien / Frankreich / Deutschland / Dänemark 2023 Regie: Jessica Hausner mit: Elsa Zylberstein, Mia Wasikowska, Sidse Babett Knudsen, Camille Rutherford, Sam Hoare Länge: 110 min.



Läuft derzeit in den österreichischen Kinos, z.B. in der Kinothek Lustenau Spielboden Dornbirn: 2.1. + 13.1. - jeweils 19.30 Uhr



Trailer zu "Club Zero"


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