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AutorenbildWalter Gasperi

City of Wind

Lkhagvdulam Purev-Ochir erzählt in ihrem Spielfilmdebüt feinfühlig von einem mongolischen Teenager, der in der Hauptstadt Ulaanbaatar zunehmend zwischen alter traditioneller Kultur und den Verlockungen der Moderne zerrissen wird.


Erst vor kurzem erzählte mit Zoljargal Purevdashs "If Only I Could Hibernate" ("Wenn ich nur Winterschlaf halten könnte") ein mongolischer Spielfilm von einem Coming of-Age in der Hauptstadt Ulaanbaatar. Standen dabei aber vor allem die prekären Lebensbedingungen der Familie im Zentrum, so fokussiert die 1989 geborene Lkhagvadulam Purev-Ochir auf dem Spannungsfeld von Tradition und Moderne.


Wie in "If Only I Could Hibernate" ziehen sich aber auch hier Totalen der von verschneiten Bergen umgebenen, meist unter einer Smogglocke liegenden Millionenstadt, in der etwa die Hälfte der 3,2 Millionen Einwohner:innen der Mongolei leben, durch den Film. Die Szenen aus der Barackensiedlung am Rand der Stadt, in der der 17-jährige (Ze Tergel Bold-Erdene) mit seiner Familie lebt, könnten dabei auch aus "Hibernate" stammen, denn beide Filme bestimmt auch eine winterlich-frostige Stimmung.


Immer wieder kontrastiert Purev-Ochir diese Wohnverhältnisse aber mit den modernen Hochhausbauten und lässt auch ihren Protagonisten zwischen diesen Welten pendeln. Da mag Ze in der ersten Szene sich noch in einer Jurte als junger Schamane hinter der traditionellen Maske durch Trommelschläge in Trance versetzen, so erlebt er in der Schule mit perfekt sitzender Uniform und autoritärer Lehrerin doch eine ganz andere Welt.


Mobbing muss hier Ze wegen seines Lerneifers und seiner Schweigsamkeit von seinen Mitschülern, die am Smartphone Sex-Videos anschauen, über sich ergehen lassen. Doch sein Leben ändert sich, als er die 16-jährige Maralaa (Nomin-Erdene Ariunbyamba) kennenlernt. Nichts hält das lebenslustige Mädchen zwar von den schamanischen Ritualen, dennoch führt Ze diese auf Wunsch ihrer Mutter durch, da Maralaa kurz vor einer Herzoperation steht.


Wenig mag die beiden Jugendlichen zunächst verbinden, dennoch entwickelt Ze Sympathie für Maralaa. Er besucht sie im Krankenhaus und rasch entwickelt sich eine Liebesgeschichte, bei der das Mädchen Ze auch in ein modernes Shopping-Center und nächtliche Discos führt. Techno-Musik steht so der traditionellen Maul- und Schamanen-Trommel gegenüber und Computer-Spiele und Kommunikation mit Smartphone der vom Geisterglauben bestimmten Welt von Zes Familie.


Auf Wertungen verzichtet Purev-Ochir dabei, beschwört vielmehr in den bestechend schönen Bildern (Kamera: Vasco Viana) der pulsierenden Disco-Szene, eines Einkaufszentrums oder illuminierter Bäume eines nächtlichen Parks die Verführungskraft der modernen Welt. Ebenso feinfühlig wie intensiv wird so, unterstützt von dem gerade durch das zurückhaltende Spiel beeindruckenden und berührenden Laiendarsteller Tergel Bold-Erdene, vermittelt, wie Ze durch dieses Spannungsfeld die Orientierung zu verlieren und zerrissen zu werden droht.


Trotz der Fokussierung auf Ze, aus dessen Perspektive konsequent erzählt wird, werden beiläufig aber auch andere Probleme angeschnitten. Denn da gibt es eben auch den Sohn des Nachbarn, der in den Alkoholismus abgeglitten ist, und auch Maralaa fühlt sich entwurzelt und hin- und hergerissen zwischen ihrer in Ulaanbaatar lebenden Mutter und dem nach Korea emigrierten Vater. Aber auch eine scharfe Kritik an einem autoritären Schulsystem fehlt in diesem ruhig, in immer wieder poetischen Bildern erzählten Coming-of-Age-Drama nicht, wenn die Schüler:innen schließlich in einer der stärksten Szenen des Films gegen ihre Lehrerin aufbegehren.

 

 

City of Wind Mongolei / Katar / Deutschland / Niederlande / Frankreich / Portugal 2023 Regie: Lkhagvadulam Purev-Ochir mit: Tergel Bold-Erdene, Nomin-Erdene Ariunbyamba, Anu-Ujin Tsermaa, Bulgan Chuluun

Länge: 104 min.



Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen.


Trailer zu "City of Wind"




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