Bring Her Back
- Walter Gasperi
- 16. Aug.
- 3 Min. Lesezeit

Nach dem Tod des Vaters kommen zwei Stiefgeschwister im Teenageralter zu einer Pflegemutter. Bald wird aber klar, dass hier etwas nicht stimmt: Nach ihrem erfolgreichen Spielfilmdebüt "Talk to Me" erzählen die australischen Zwillingsbrüder Danny und Michael Philippou im Gewand eines fesselnden Horrorfilms intensiv und verstörend von Verlust und Trauma.
Um die gefährlichen Folgen von Geisterverschwörung ging es schon in Danny und Michael Philippous vielbeachtetem Spielfilmdebüt "Talk to Me". Mit verstörenden unscharfen und schwarzweißen Videoaufnahmen von einem obskuren Ritual, bei dem auch die Beschwörungsformeln in fremdartiger Sprache die Verunsicherung und Beunruhigung steigern, setzt auch "Bring Her Back" ein.
Erst später werden diese Bilder in einen Kontext gestellt. Zunächst springen die australischen Zwillingsbrüder in ihrer A24-Produktion zu den Stiefgeschwistern Andy (Billy Barratt) und Piper (Sora Wong). Fürsorglich kümmert sich der noch nicht ganz 18-jährige Andy um seine etwas jüngere, fast blinde Schwester. Er sieht quasi für sie die Welt und stellt sie schöner dar, als sie in der Realität ist. Bald wird ihr Leben aber durch den Tod des Vaters erschüttert.
Obwohl im Alltag verankert, erzeugen die Philippous schon in der ersten Straßenszene zwischen den Stiefgeschwistern sowie beim Unfalltod des Vaters in der Dusche mit ungewöhnlichen Kameraperspektiven, subjektiver Kamera und Sounddesign Verunsicherung und Horrorfilmspannung. Regelrecht terrorisiert werden sollen hier die Zuschauer:innen, und zunehmend heftige, teils schwer zu ertragende Szenen werden folgen, wenn die beiden Teenager von einer Sozialarbeiterin an die alleinstehende Laura (Sally Hawkins) vermittelt werden.
Ideal besetzt ist diese Pflegemutter mit Sally Hawkins, die vor allem für die Verkörperung von fröhlich-überdrehten Stehauf-Frauen bekannt ist. Liebevoll nimmt sie vor allem Piper auf, doch gegenüber Andy wird rasch ihr manipulativer und übergriffiger Charakter sichtbar. Zunehmend versucht sie die beiden von Billy Barratt und Sora Wong stark gespielten Teenager gegeneinander auszuspielen, Piper auf ihre Seite zu ziehen und Andy als gewalttätig und gefährlich darzustellen.
Auch Lauras abgelegen am Waldrand gelegenes Haus kann Verunsicherung erzeugen, vor allem aber ein anderer, etwa zehnjähriger mutistischer Junge (Jonah Wren Phillips), der angeblich auch bei ihr in Pflege ist. Irritiert schon dessen kahlgeschorener Kopf und sein Auftreten mit ausgemergeltem nacktem Oberkörper, so legt er bald auch ein in höchstem Maße verstörendes Verhalten an den Tag.
Mit visuell einfallsreicher Gestaltung und starkem Sounddesign drehen die Philippous souverän an der Spannungsschraube und verstehen es auch zu schockieren. Selbstzweck bleibt dies aber nie, denn auch wenn wie in "Talk to Me" ein okkultes Ritual eine Rolle spielt, so geht es im Kern doch um den Umgang mit Verlust und Trauma und den extremen Folgen, zu denen eine fehlende Verarbeitung führen kann. Denn nicht nur Andy und Piper haben ihren Vater bzw. Stiefvater verloren, sondern auch Laura hat ihre 12-jährige Tochter bei einem Badeunfall verloren. Schwer traumatisiert ist sie von diesem Verlust und scheint ihn rückgängig machen zu wollen.
Wie eine Verwandte von Anthony Perkins´ Norman Bates in "Psycho" (1960) wirkt sie, wenn an dessen Mutterkomplex ihre Fixierung auf die Tochter tritt und man im abgelegenen Haus eine Variation von Bates Motel sehen kann. Nicht nur Details wie eine Duschszene oder ein ausgestopfter Hund scheinen eine Reverenz an Hitchcocks Klassiker zu sein, sondern auch die Handlungsentwicklung und langsame Lösung des Rätsels orientiert sich daran, dennoch verlieren die Philippous nie das zentrale Thema aus den Augen.
Zu den Verlusterfahrungen kommen dabei auch noch Kindesmisshandlung und eine komplexe Geschwisterbeziehung, bei der Eifersucht erst langsam durch fürsorgliche Liebe abgelöst wurde. Im Zentrum steht aber Sally Hawkins, die Laura eine schillernde Ambivalenz verleiht und deren Schicksal und Trauer am Ende auch in einem starken Bild, in dem auch schwere Schuldgefühle spürbar werden, verdichtet werden.
Gleichzeitig wird mit dem Schlussbild die Geschichte von Verlust und Trauer nochmals fortgeschrieben. Auch der Blick in den Himmel auf die Kondensstreifen der Jets als Andeutung für ein Weiterleben im Jenseits können hier aber den schweren Schmerz nur bedingt abfedern und versöhnlich stimmen.
Bring Her Back
Australien 2025
Regie: Danny Philippou, Michael Philippou
mit: Sally Hawkins, Billy Barratt, Sora Wong, Jonah Wren Phillips, Sally-Anne Upton, Stephen Phillips, Liam Damons, Mischa Heywood, Olga Miller
Länge: 104 min.
Läuft derzeit in den Kinos, z.B. in der Kinothek Lustenau und im Cineplexx Hohenems.
Trailer zu "Bring Her Back"
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