Blockade in London – Passport to Pimlico
- Walter Gasperi
- vor 12 Minuten
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Als 1949 eine mitelalterliche Urkunde gefunden wird, laut der der Londoner Stadtteil Pimlico zum Herzogtum Burgund gehört, erklären die Bewohner:innen ihre Unabhängigkeit von England: Die immer noch sehr unterhaltsame Ealing-Komödie, die vor realistisch gezeichnetem Hintergrund die Folgen der absurden Situation in trockener Erzählweise sukzessive steigert, ist bei Pidax Film auf DVD erschienen.
Zwischen 1947 und 1958 feierte das britische Kino mit den sogenannten Ealing-Komödien internationale Erfolge. Mit Witz wurden darin immer wieder britische Eigenheiten aufs Korn genommen und vor realistischem Hintergrund mit der Frage "Was wäre wenn?" hinreißender Witz entwickelt. Da ging es um einen in der Erbfolge hintangesetzten illegitimen Sohn eines verstorbenen Adeligen, der acht Verwandte ermordet, um selbst erben zu können ("Adel verpflichtet - Kind Hearts and Coronets"; Robert Hamer, 1949) ebenso wie um die Erfindung einer wunderbar langlebigen Textilfaser ("Der Mann im weißen Anzug – The Man in the White Suit"; Alexander Mackendrick, 1951).
Aber auch der Traum scheinbar biederer Kleinbürger von Reichtum wurde in der Gaunerkomödie "Einmal Millionär sein -The Lavender Hill Mob" (Charles Crichton, 1951) karikiert, während in "Blockade in London – Passport to Pimlico" (1949) der Max Reinhardt-Schüler Henry Cornelius lustvoll von den irrwitzigen Folgen erzählt, zu der die Abspaltung eines Londoner Stadtteils von England führt.
Ganz realistisch ist dabei die Exposition mit der Verankerung der Handlung in der eindrücklich eingefangenen Trümmerlandschaft des Nachkriegs-Londons. Das erwachende Leben im Stadtteil nützt Cornelius, um die Protagonist:innen vorzustellen. Gleichzeitig bricht er dabei mit dem Bild vom verregneten England, wenn die Bewohner:innen unter einer Hitzewelle stöhnen und sich eine junge Frau zu lateinamerikanischer Musik auf einer Luftmatratze räkelt.
Andererseits kommt mit der bevorstehenden Sprengung eines Blindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg wieder die Realität ins Spiel. Durch einen Zufall explodiert die Bombe aber vorzeitig. Verletzt wird dabei zwar niemand, doch im Bombentrichter werden ein Schatz und eine mittelalterliche Urkunde gefunden, in der der englische König Edward IV. (1442 - 1483) das Gebiet des Stadtteils Pimlico an den Herzog von Burgund abtritt.
Nachdem eine von "Miss Marple"-Legende Margaret Rutherford mit Verve gespielte Professorin die Echtheit der Urkunde bestätigt hat, erklären folglich die Bewohner:innen von Pimlico ihre Unabhängigkeit von England.
Cornelius treibt nun in trockener Erzählweise die eskalierenden Auswirkungen dieser Entscheidung weiter. Wird zunächst die große Freiheit mit Aufhebung der Sperrstunde, Entmachtung der Polizisten und Lösung vom britischen Pfund gefeiert, so setzen bald Gegenmaßnahmen Englands Pimlico unter Druck. Es werden nämlich nicht nur Zollschranken und Stacheldraht errichtet, sondern auch Strom und Wasser werden abgedreht und auch die Nahrungsmittel werden knapp.
Glaubt so die britische Regierung die Abtrünnigen zum Einlenken bewegen zu können, so schlägt sich andererseits die englische Bevölkerung auf die Seite der Underdogs und unterstützt sie mit illegalen Lebensmittellieferungen, während die Bewohner:innen von Pimlico selbst einen Weg finden, Wasser abzuzapfen.
Mit anarchischem Witz feiert der Film so das Aufbegehren der scheinbar Schwachen gegen die Mächtigen, verweist dabei aber auch immer wieder auf historische Realitäten. Denn mehr noch als der Stacheldraht an den Eisernen Vorhang und die Spaltung Europas durch die Blockbildung erinnert, ist die Versorgung Pimlicos durch eine Luftbrücke unübersehbar von der Berliner-Luftbrücke inspiriert, bei der die Westalliierten das von der sowjetischen Besatzungsmacht abgesperrte West-Berlin 1948/49 aus der Luft versorgten.
Realität fließt aber auch ein, wenn Cornelius in einer kurzen Szene Archivmaterial einschneidet, in dem Winston Churchill zu sehen ist. Recht wenig macht der Film dagegen aus einem Nachfolger des Herzogs von Burgund, der sich in Pimlico vorstellt. Statt politisch aktiv zu werden, wird mit ihm vielmehr das Bild des französischen Liebhabers bedient, der eine junge Frau umgarnt.
Vorherzusehen ist auch, dass der Konflikt schließlich gütlich beigelegt wird. Aber auch wie sich mit dem Ende der Hitzewelle und einsetzendem Wolkenbruch die Gemüter abkühlen und wieder Frieden in dem beschaulichen Stadtteil einkehrt, trägt zum zeitlosen Charme dieser Komödie bei, die auch durch markante Figurenzeichnung und pointierte Dialoge überzeugt.
An Sprachversionen bietet die bei Pidax Film erschienene DVD die englische Original- und die deutsche Synchronfassung, aber keine Untertitel. Die Extras beschränken sich auf eine Bildergalerie und die Folge "Einer lügt" (25 Minuten) der Krimiserie "Kennziffer 01", in der Margaret Rutherford eine notorische Lügnerin spielt, die behauptet einen Mord beobachtet zu haben.
Trailer zu "Blockade in London - Passport to Pimlico"
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