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  • AutorenbildWalter Gasperi

Blinded by the Light


Ein pakistanischstämmiger Teenager träumt im England der späten 1980er Jahre davon Schriftsteller zu werden, aber erst die Songs von Bruce Springsteen helfen ihm, zu sich selbst zu finden und sich vom patriarchalen Vater zu befreien. – Gurinder Chadha gelang ein leidenschaftlicher und mitreißender Coming-of-Age-Film, der Culture-Clash mit sozialrealistischem Blick auf die Thatcher-Ära und Märchenhaftes leichthändig verknüpft.


„Inspired by a true story“ heißt es wieder einmal zu Beginn, beruht der Film doch auf den Memoiren „Greetings from Bury Park“ des Journalisten und Schriftstellers Sarfraz Manzoor. Konsequent aus der Perspektive des jungen Pakistani Javed (Viveik Kalra) wird so erzählt.


Schon als Zehnjähriger träumt er zusammen mit seinem Freund Matt, ihre Heimatstadt Luton hinter sich zu lassen und nach London zu ziehen. Mit einem Schnitt überspringt der Film sieben Jahre und Archivmaterial vermittelt die Stimmung im England der Maggie Thatcher mit Arbeitslosigkeit und wachsendem Rassismus, erinnert mit Audiokassetten aber auch an eine andere mediale Ära.


Javed (Viveik Kalra) ist nun 17, träumt davon Schriftsteller zu werden und schreibt heimlich Gedichte, während sein Vater, der in einer Autofabrik arbeitet, möchte, dass der Sohn Wirtschaft studiert und es einmal besser hat als er. An der Highschool lernt Javed im Englischkurs, den er ohne Wissen des Vaters besucht, nicht nur die politisch aktive Eliza (Aaron Phagura) kennen, die sich für die Befreiung Nelson Mandelas engagiert, sondern findet in Miss Clay auch eine Lehrerin, die seine schriftstellerischen Versuche unterstützt, ihn auffordert seine eigenen Gefühle auszudrücken, von sich zu erzählen.


Während auf den Straßen Neonazis gegen Pakistanis protestieren und vandalieren, gilt in Javeds Familie nur die Meinung des Vaters. Selbstverständlich ist für diesen, dass er die Männer für die beiden Töchter aussuchen wird, auch über die Zukunft Javeds glaubt er entscheiden zu dürfen.


Musikalisch sind „It´s a Sin“ von den Pet Shop Boys, „The Sun Always Shines on TV“ von A-ha und „Lessons in Love“ von Level 42 angesagt. Doch dann erhält Javed eines Tages in der Schule vom Sikh Roops (Aaron Phagura) zwei Audiokassetten mit Songs von Bruce Springsteen. Als Javed diese anhört, schlägt "Dancing in the Dark" bei ihm ein wie der gleichzeitig tobende Sturm, denn im Text Springsteens erkennt er sich wieder, während der Redakteur der Schulzeitung und der Leiter des schulischen Musiksenders den "Boss" als längst überholt ansieht.


Vorhersehbar ist die Geschichte, die wie ein Gegenstück zu Gurinder Chadhas Erfolg „Bend It Like Beckham“ (2002) wirkt, in dem eine indischstämmige Engländerin ihre Fußballleidenschaft gegen ihre Eltern durchsetzen musste. Fast schon zum Standard gehört in solchen britischen Culture-Clash-Filmen ein sich steigernder Konflikt mit dem konservativen, an seiner ursprünglichen Kultur festhaltender Vater, dazu kommen hier die erste Liebe und erster schriftstellerischer Erfolg.

Retortenhaft könnte das wirken, aber Chadha hat das mit so viel Herzblut und Charme inszeniert, dass man sich ihrem Coming-of-Age-Film nicht entziehen kann. Ansteckend wirken die Leidenschaft und die Lust, mit der „Blinded by the Light“ gemacht wurde. Wesentlich tragen dazu natürlich auch die Songs von Bruce Springsteen bei, in denen sich von „Promised Land“ über „Born to Run“ bis zu „Hungry Heart“ immer wieder die Gefühle Javeds spiegeln.


Originell verstärkt die Britin indischer Abstammung die Bedeutung der Liedzeilen nicht nur dadurch, dass sie zentrale Passagen im Bild einblendet, sondern lässt Javed teilweise auch wie im Musical die Songs vor der Schule oder quer durch die Stadt rennend singen. Extensiv setzt Chadha diese Songs ein, lässt dabei auch ihre eigene Begeisterung dafür und die Macht der Musik spüren, feiert damit natürlich auch gleichzeitig den „Boss“. Anders als zuletzt in Danny Boyles „Yesterday“ die Songs der Beatles, korrespondieren hier die Hits immer mit der Handlung.


In den Hintergrund rückt damit freilich der sozialrealistische Aspekt, geerdet bleibt „Blinded by the Light“ aber immer, auch wenn speziell das Finale über die Härte der Thatcher-Ära, die auch Javeds Familie nicht verschonte, zumindest teilweise hinwegtäuscht.


Kein bitterer Film von Ken Loach oder Mike Leigh ist das eben, sondern ein Feelgood-Movie, das auch von unverbrauchten und wunderbar natürlichen Schauspielern wie Viveik Kalra, Aaron Phagura oder Nell Williams getragen wird. Zu viel hat Chadha zwar insgesamt wohl hineingepackt, wenig entwickelt werden die Liebesgeschichte und die Freundschaft zu Roops und reichlich kitschig ist das Ende, doch gering wiegen solche Einwände angesichts des Drives und der emotionalen Kraft dieses Films, der den Zuschauer das Kino etwas glücklicher verlassen lässt, als er es betreten hat.


Läuft derzeit im Cinema Dornbirn (Deutsche Fassung) und im Scala in St. Gallen (engl. O.m.U.)

TaSKino Feldkirch im Kino Rio: Fr 20.9. bis Di 24.9. (engl. O.m.U.)


Trailer zu "Blinded by the Light"



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