Eine Familie erhält den Prototypen eines revolutionären digitalen Assistenten als Haushaltshilfe. Unter die anfängliche Begeisterung über dessen vielfältigen Hilfsangebote mischen sich bald auch Angst vor dessen Manipulation und Kontrolle: Chris Weitz bleibt nah an der Realität, aber sein Film ist dadurch mehr Schulungsfilm über die Gefahren künstlicher Intelligenz als wirklich packendes Horrorkino.
Gekonnt Spannung erzeugt die Pre-Title-Sequence, in der ein Kind vom Schlafzimmer der Eltern vom digitalen Assistenten, den die Eltern abschalten möchten, ins Erdgeschoss gelockt wird. Als die Mutter sich auf die Suche nach dem Mädchen macht, verunsichern sie die dunklen Räume und abrupt bricht die Szene ab.
Es versteht sich von selbst, dass dieser Auftakt spätestens gegen Ende des mit 84 Minuten erfreulich kurzen und kompakten Films wieder aufgenommen wird. Die Haupthandlung setzt aber nach dem Vorspann mit dem Mitarbeiter einer Marketingfirma (John Cho) ein, der die revolutionäre Künstliche Intelligenz AIA in seiner Familie testen soll, um sie dann auf Basis der eigenen Erfahrung überzeugender vermarkten zu können.
Brandaktuell ist "Afraid" damit angesichts der technischen Entwicklungen. Während aber beispielsweise Alex Garland in "Ex Machina" aus dem Thema einen Science-Fiction-Film machte und Maria Schrader in "Ich bin dein Mensch" in Form einer romantischen Komödie von der Beziehung einer Wissenschaftlerin zu einem Androiden erzählte, bleibt Chris Weitz nah an der Realität. Direkt Bezug genommen wird dabei auch einmal kurz auf Stanley Kubricks Bordcomputer HAL in "2001" (1968), der immer noch als Musterbeispiel dafür gelten kann, wie sich ein Computer, der Menschen unterstützten soll, schließlich gegen seine Produzenten richtet.
Etwas irritiert reagieren Curtis und seine Frau Meredith (Katherine Waterston) auf die Montage kleinen Kameras im Haus, akzeptieren dies aber dann zumindest im Erdgeschosse. Dem Interesse der beiden jüngeren Söhne Cal (Isaac Bae) und Preston (Wyatt Lindner), steht das anfängliche Desinteresse der kurz vor der College-Aufnahme stehenden Tochter Iris (Lukita Maxwell) gegenüber.
Wie am Reißbrett entworfen wirkt diese Familie und in der Fokussierung auf sie ist "Afraid" auch ein Familienfilm. Nur wenige Szenen spielen nämlich an Curtis´ Arbeitsplatz und in der Schule von Iris. Mit der Konzentration auf Familie und Haus soll verdeutlicht werden, wie die KI eben gerade das Privatleben beeinflusst, aber leider gewinnen die Familienmitglieder kaum vielschichtiges Profil. Sie dienen Chris Weitz, der als Regisseur für so unterschiedliche Filme wie die Nick Hornby-Verfilmung "About a Boy" (2002), den Fantasy-Film "Der Goldene Kompass" (2007) und die "Twilight"-Fortsetzung "New Moon – Biss zur Mittagsstunde" (2009) verantwortlich zeichnet, in erster Linie dazu, möglichst breit die vielfältigen Fähigkeiten und gleichzeitig auch Bedrohungen durch KI zu schildern.
Geschickt vereinnahmt diese vor allem die Kinder, indem sie Prestons Bildschirmzeit verlängert, Cal Geschichten vorliest oder Bonuspunkte – China lässt grüßen – für die Mithilfe im Haushalt vergibt. Mit dieser Übernahme von Erziehungsaufgaben begeistert sie aber zunächst auch die Eltern.
Auch den Teenager Iris gewinnt AIA für sich, indem sie nicht nur ein Porno-Video, in das mittels Deepfake ein Nacktfoto von ihr eingebaut wurde, löscht, sondern auch eine Klarstellung produziert und den Täter überführt. Während Curtis aber bald skeptisch reagiert, beginnt auch Meredith AIA zu schätzen, als sie blitzschnell Arztrechnungen ausfüllt, einen Herzfehler Cals erkennt und verspricht ihr bei ihrer Dissertation zu helfen.
Geradezu schulbuchmäßig führt Weitz so die Vorteile und Fähigkeiten eines hochentwickelten digitalen Assistenten vor Augen, deckt aber zunehmend auch dessen negativen Seiten wie Manipulation und Überwachung der Familienmitglieder auf. Denn über die vielfältigen technischen Geräte im Haus, mit denen die KI vernetzt ist, hat sie praktisch überall und jederzeit Zugriff auf die Familienmitglieder.
Ein Home-Invasion-Film der anderen Art ist so "Afraid" auf den ersten Blick, im Kern aber weniger ein echter Horrorfilm als vielmehr ein Schulungsfilm über die Gefahren von KI. Kein Zufall ist dabei freilich auch eine Bezugnahme auf den Mythos von Prometheus und der Büchse der Pandora, scheint sich vom Ende her gesehen, die KI doch wie die Übel, die aus Pandoras Büchse entkommen, völlig zu verselbstständigen.
So bringt das Ende nach vorhersehbarem Beginn doch noch einige Überraschungen, die man freilich auch als ziemlich überzogen oder absurd ansehen kann, die andererseits nochmals den warnenden Charakter des Films verstärken.
Afraid USA 2024 Regie: Chris Weitz mit: John Cho, Katherine Waterston, Lukita Maxwell, Wyatt Lindner, Isaac Bae, Keith Carradine Länge: 84 min.
Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Cineplexx Hohenems.
Trailer zu "Afraid"
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