Wilhelm Tell – William Tell
- Walter Gasperi
- vor 2 Tagen
- 3 Min. Lesezeit

Nick Hamm inszeniert die Geschichte des legendären Schweizer Freiheitshelden Wilhelm Tell als bildmächtigen und actionreichen, aber auch eindimensionalen Historienfilm, bei dem auch der Kontrast zwischen realistischen Kampfszenen und immer wieder gereimten Dialogen irritiert.
An den Beginn seines Historienfilms stellt der Brite Nick Hamm ein leicht abgeändertes Zitat aus Schillers 1804 uraufgeführtem Drama "Wilhelm Tell": "Wenn wir schon kämpfen müssen und Blut vergießen, so lasst es in unserer eigenen Sache geschehen. Die Freiheit kaufen wir billiger als die Knechtschaft". Vorgegeben ist damit nicht nur der Freiheitskampf als zentrales Thema, sondern auch der Widerwillen mit dem der friedliebende Bauer und Jäger Wilhelm Tell (Claes Bang) diesen auf sich nimmt.
Auf diesen Einstieg lässt Hamm mit dem Apfelschuss die berühmteste Szene aus der legendären, 1307 spielenden Geschichte folgen, bricht diese aber mit Abschießen des Pfeiles ab, um drei Tage zurückzublenden. Drastisch wird die Unterdrückung und Ausbeutung der Schweizer Bauern durch den einäugigen Habsburger-König Albrecht I. (Ben Kingsley) und seine Handlanger, vor allem den Landvogt Gessler (Connor Swindells) geschildert.
Da werden nicht nur Abgaben rücksichtslos einkassiert, sondern auch die Frau eines Bauern vergewaltigt und ermordet, sodass dieser zurückschlägt. Im Kern deutet sich in diesem einzelnen Mord schon der Aufstand des ganzen Volkes an, doch vorerst muss der Täter noch mit Unterstützung Wilhelm Tells fliehen.
Hamm zeichnet seinen Protagonisten als von einem Kreuzzug ins Heilige Land schwer traumatisiert. Die Gräuel, die er dort erlebte, haben ihn zum Pazifisten werden lassen und erst langsam ringt er sich zum Widerstand gegen die Willkürherrschaft der Habsburger durch. Entscheidende Rolle spielt dabei der Schuss mit der Armbrust auf den auf dem Kopf seines Sohnes platzierten Apfel, zu dem Gessler Tell zwingt, als dieser sich weigert, vor seinem auf einem Pfahl aufgehängten Helm niederzuknien.
Der Film handelt aber nicht nur nach Schillers Drama auch die weiteren markanten Ereignisse der Geschichte wie den Rütlischwur und den Angriff auf Gessler in einer Schlucht ab ("Durch diese hohle Gasse muss er kommen"), sondern Hamm lässt seine Figuren auch immer wieder in den gereimten Versen Schillers sprechen. Ein irritierender Widerspruch entsteht so zwischen der Künstlichkeit der Dialoge und dem Realismus der Kampf- und Alltagsszenen.
Wie die Dialoge dabei von Pathos gekennzeichnet sind, baut Hamm dieses auch auf der Bildebene mit mächtiger Berglandschaft, idyllischen Dörfern, über einer Flusslandschaft hängenden Nebelschwaden oder dem Rütlischwur in einer von Fackeln erhellten Höhle auf.
Bildmächtig ist dieser Historienfilm zweifellos und auch die zahlreichen blutigen Kampfszenen sind routiniert inszeniert, doch schwer trägt er an der Eindimensionalität der Figurenzeichnung und der simplen Schwarzweißmalerei. Durchaus geschickt werden zwar mit drastischen Gewaltszenen die Emotionen gelenkt, Hass gegen die Habsburger geschürt und Leidenschaft für den Aufstand der Schweizer geweckt, doch differenziertes Profil gewinnt hier außer dem vom Dänen Claes Bang zurückhaltend gespielten Tell keine Figur.
Da erscheinen König Albrecht, dessen goldene Augenklappe mehr grotesk als furchterregend wirkt, Landvogt Gessler und dessen wasserstoffblonder Handlanger Stüssi (Jake Dunn) auf der einen Seite als das abgrundtief Böse, dem auf der anderen Seite die aufrechten Schweizer Bauern gegenüberstehen.
Interessant, aber keineswegs historisch, sondern heutigen gesellschaftlichen Vorstellungen angepasst, sind auch die starken Frauenfiguren. Da erhält Tell eine muslimische Ehefrau, die er aus dem Kreuzzug mitgebracht hat und die die verstrittenen Schweizer zur Einigkeit aufruft, während sich eine fiktive Nichte des historischen Königs Albrecht I. dessen Heiratsplänen widersetzt und für ihre Selbstbestimmung kämpft.
Diese Frauen (Golshifteh Farahani und Ellie Bamber) sind dabei für das Mittelalter und das Milieu nicht nur immer auffallend schön herausgeputzt, sondern unglaubwürdig ist auch, dass eine Muslima in der mitteleuropäischen bäuerlichen Gesellschaft des 14. Jahrhunderts akzeptiert wird und Ansehen genießt.
In keiner Szene wird auch der Mythos um Wilhelm Tell kritisch hinterfragt oder dekonstruiert, sondern vielmehr wird er in der zupackenden und bildstarken Inszenierung gepflegt und verstärkt. Zwar gelingt es Hamm dabei in einzelnen Szenen immer wieder Spannung aufzubauen, aber ein durchgehender Spannungsbogen stellt sich aufgrund der Oberflächlichkeit und der Überfülle an Figuren und Handlung nicht ein.
Actionreiche Szene reiht sich bei diesem Schlachtengemälde vielmehr an actionreiche Szene, aber wie bei den Figuren wird auch bei der Handlungsentwicklung zu wenig ausgearbeitet und verdichtet, um wirklich durchgängig zu packen. Wirklich ärgerlich ist aber das Finale, mit dem schon ein potentielles Sequel vorbereitet wird.
Wilhelm Tell – William Tell USA / Großbritannien / Italien / Schweiz 2024 Regie: Nick Hamm mit: Claes Bang, Ben Kingsley, Jonathan Pryce, Jonah Hauer-King, Rafe Spall, Connor Swindells, Golshifteh Farahani, Ellie Bamber, Emily Beecham Länge: 134 min.
Läuft derzeit in den Kinos.
Trailer zu "Wilhelm Tell - William Tell"
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