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Wie das Leben manchmal spielt – Marie-Line et son juge

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • vor 18 Minuten
  • 3 Min. Lesezeit
"Wie das Leben manchmal spielt": Michel Blanc und Louana Emera brillieren in Jean-Pierre Améris warmherzigem Feelgood-Movie als ungleiches Duo
"Wie das Leben manchmal spielt": Michel Blanc und Louana Emera brillieren in Jean-Pierre Améris´ warmherzigem Feelgood-Movie als ungleiches Duo

Michel Blanc und Louane Emera brillieren in Jean-Pierre Améris´ Komödie als griesgrämiger Richter und arbeitslose Kellnerin, die sich langsam näherkommen: Warmherziges Feelgood-Movie, das auch durch die Verankerung im Milieu überzeugt.


Die Filmfiguren von Michel Blanc mögen nach außen oft griesgrämig und abweisend wirken, doch im Blick des am 3. Oktober 2024 verstorbenen Schauspielers spürt man sofort, dass hinter der rauen Schale ein liebenswürdiger Kern steckt. Das war zuletzt so in der Komödie "Es sind die kleinen Dinge", in der er als Pensionist nochmals die Volksschule besucht, und das ist nun auch so in "Wie das Leben manchmal spielt".


Noch einmal bietet hier Jean-Pierre Améris Blanc in einer seiner letzten Rollen eine große Bühne und fand für ihn in der Sängerin und Schauspielerin Louane Emera eine kongeniale Partnerin. Ihr Zusammenspiel ist Herz und Motor dieser warmherzigen Komödie. Ein klassisches Odd-Couple bilden die arbeitslose junge Kellnerin Marie-Line und der griesgrämige etwa 60-jährige Richter. Nichts haben sie im Grunde gemein, schon das Äußere betont den Gegensatz, wenn sie Minirock und Stiefel trägt, er dagegen Anzug und Krawatte.


Der Verlust von Marie-Lines Job, der beim Richter Schuldgefühle auslöst, und ein Prozess führt sie aber zusammen. Weil nämlich Richter Gilles vorübergehend keinen Führerschein hat, engagiert er die junge Frau, die immerhin über eine Schrottkiste von Wagen verfügt, als Fahrerin. Langsam bieten sie bei den Fahrten nicht nur Einblick in die persönlichen Geschichten und Wunden, sondern immer wird auch die soziale Kluft verhandelt.


So altbekannt das Spiel mit Gegensätzen ist, so lässt doch Améris nicht nur unterschiedliche Generationen und Milieus aufeinanderprallen, sondern wirft auch grundsätzliche gesellschaftliche Fragen auf. Nicht unwichtig ist dabei, dass dieses Feelgood-Movie in der Hafenstadt Le Havre spielt, in der die Berufschancen und Zukunftsperspektiven von Marie-Line gering sind. Mag sie in der Volksschule noch eine ausgezeichnete Schülerin gewesen sein, so warf sie der frühe Tod der Mutter und ein Arbeitsunfall ihres Vaters, bei dem er ein Bein verlor, aus der Bahn.


Nicht nur beruflich läuft es für die junge Frau aber nicht, sondern auch ihre Beziehung zum Studenten Alexandre (Victor Belmondo) zerbrach an ihrer mangelnden Bildung und fehlenden gemeinsamen Interessen. Durchgängig diskutiert Améris so die Frage, ob man seinem sozialen Milieu entkommen kann, und stellt der fatalistischen Einstellung sowieso keine Wahl zu haben die eigene Entscheidung und Entschlossenheit gegenüber.


Rundum sympathisch macht diese Komödie, mit wie viel Liebe zu den Figuren Améris zeigt, wie sich die unterschiedlichen Generationen und Milieus gegenseitig befruchten können. Denn während Marie-Line mit ihrer Offenheit und Erfahrung in Liebesfragen dem Richter Tipps für seine Beziehung geben kann, lockt er sie aus ihrer Passivität und weckt ihr Interesse an der Welt und am Lernen.


Keine Beliebigkeit ist hier auch der mehrfache Verweis auf Francois Truffaut und vor allem auf dessen Klassiker "Jules et Jim". Denn wie die Filme des Mitbegründer der Nouvelle Vague von großer Menschenliebe durchzogen sind, so erweist sich auch Améris nach der Komödie "Die anonymen Romantiker" (2010), in der es um die Liebesprobleme zweier schüchterner Menschen ging, und dem Biopic "Marie Heurtin" (2014), in dem er von einem taubblind geborenen Mädchen im Frankreich des ausgehenden 19. Jahrhunderts erzählte, erneut als feinfühliger Menschenfreund.


Ohne Zynismus und mit fast schon märchenhaftem Optimismus erzählt er nämlich von einer positiven menschlichen Entwicklung trotz schwieriger Ausgangssituation: Die richtige Abzweigung muss man im Leben dafür freilich wählen und der 63-jährige Franzose findet auch dafür ein zwar altbekanntes, aber dennoch einprägsames Bild.


Dramaturgisch mag das plötzliche Auftauchen von Marie-Lines krimineller Schwester so wenig überzeugend sein wie die ebenso plötzliche Versöhnung mit ihrem Ex-Freund Alexandre. Zu abrupt sind hier doch die Wendungen, doch über solche Schwächen helfen der warmherzig-liebevolle Blick von Améris und vor allem das Zusammenspiel von Blanc und Emera locker hinweg: Zuzusehen, wie dieses blendend harmonierende Duo sich aneinander reibt und sich die Bälle zuspielt, bereitet ein Vergnügen, das das Publikum mit einem Lächeln das Kino verlassen lässt. Wie das Leben manchmal spielt – Marie-Line et son juge

Frankreich 2023

Regie: Jean-Pierre Améris

mit: Louane Emera, Michel Blanc, Victor Belmondo, Nathalie Richard, Philippe Rebbot

Länge: 104 min.



Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Cinema Dornbirn.


Trailer zu "Wie das Leben manchmal spielt – Marie-Line et son juge"



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