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  • AutorenbildWalter Gasperi

Wet Sand


20 Jahre lang waren Amnos und Eliko ein Paar, doch ihre Liebe mussten sie in ihrem georgischen Dorf geheim halten. – In langsamem Erzählrhythmus und ruhigen Bildern erzählt Elene Naveriani nicht nur von Homophobie, sondern auch von zwei Frauen, die sich schließlich gegen die machistische Männergesellschaft auflehnen.


Mit einer langen Totalen vom Schwarzen Meer eröffnet Elene Naveriani bildstark ihren zweiten Spielfilm und stimmt damit schon auf den langsamen Erzählrhythmus von "Wet Sand" ein. An der georgischen Küste betreibt Amnos (Gia Agumava) das titelgebende Strandcafé, das zentraler Treffpunkt für die Dorfbewohner ist.


Vor allem die Männer kommen hier vorbei, um ein Bier zu trinken oder zu spielen. Nicht nur ihre sexistischen Witze und Bemerkungen deuten eine homophobe und patriarchale Gesellschaft an, sondern mehr noch ein Fernsehbericht über den nationalen Familientag und den Hinweis, dass dieser auf Druck der orthodoxen Kirche anstelle des Tags der Antihomophobie eingeführt worden sei. Ein Pope hält in diesem Bericht auch ein Plädoyer für solide Familien, gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass der Festtag in diesem Jahr aufgrund der Pandemie nicht wie gewohnt gefeiert werden kann.


Aufs Jahr 2020 lässt sich "Wet Sand" damit datieren, doch am Schwarzen Meer merkt man nichts von der Pandemie. Am Strand sich nähernde Kinder bringen die Nachricht vom Tod des alten Eliko, doch statt Trauer lässt die Meldung die Gäste in der Kneipe nur über den "Soft Boy" lachen. Nur Amnos reagiert nachdenklich.


Als einzige Verwandte kommt aus Tiflis Elikos Enkelin Moe (Bebe Sesitashvili), die bald entdeckt, dass ihr Opa und Amnos über 20 Jahre lang ein Liebespaar waren. Das Dorf durfte davon nie etwas erfahren, doch auch ohne dieses Wissen galt Eliko als Außenseiter, den man nicht auf dem Friedhof begraben will. Mit Bekanntwerden der homosexuellen Beziehung steigert sich die Aggressivität der Dorfgemeinschaft. Nicht nur Männer sind hier aktiv, sondern auch Frauen beteiligen sich und schert eine aus, bekommt sie die Macht der Männer zu spüren.


Moe aber lässt sich nicht einschüchtern, findet Unterstützung in der lesbischen Café-Bedienung Fleschka (Megi Kobaladze), die ebenfalls eine Außenseiterin im Dorf ist und sie unterstützt, wenn es darum geht, zumindest verbal die Männer in ihre Schranken zu weisen.


Das könnte ein dramatischer Film sein, doch Elene Naveriani lässt sich Zeit, vertraut auf die starken Bilder ihrer Kamerafrau Agnesh Pakozdi und drei intensiv spielende Hauptdarsteller*innen. Mit Ausnahme einer Szene ganz auf das kleine Dorf und das Strandcafé konzentriert, lüftet sie langsam Geheimnisse und weitet in sorgfältigem Aufbau das Bild der Dorfgemeinschaft.


Keine schnellen Schnittfolgen gibt es und teilweise wirkt dieses Kino der Entschleunigung schon sehr gedehnt. Andererseits lassen die langen Einstellungen den Schauspieler*innen viel Raum und Zeit, um die Gefühle ihrer Figuren zu vermitteln. Bewegend kann so Gia Agumava die tiefe Liebe Amnos´ zu Eliko erfahrbar machen, wenn er liebevoll den Toten betrachtet und schließlich küsst, oder wenn er Moe lange über die Anfänge seiner Beziehung zu Eliko erzählt.


Aber auch die Sehnsucht Fleschkas nach einem befreiten Leben und einer Beziehung macht Megi Kobaladze eindrücklich erfahrbar, während Moe als Außenstehende, die langsam Einblick nicht nur in Amnos´ wahren Gefühle, sondern auch in die homophobe Dorfgemeinschaft gewinnt, für die Zuschauerperspektive steht.


Zur Zurückhaltung der Inszenierung passt auch, dass bis kurz vor Ende auf extradiegetische Filmmusik verzichtet wird. Nicht überrumpelt wird man hier mit einer Emotionsmaschine, sondern langsam schleichen sich die Gefühle ein, wirken dafür aber nach. Der Trauer über die erzwungene Verdrängung und Verheimlichung dieser homosexuellen Liebe steht dabei die Wut auf die empathielose, intolerante und aggressive Dorfgemeinschaft gegenüber.


Dennoch lässt "Wet Sand" nicht niedergeschlagen zurück, sondern zeigt mit der Selbstermächtigung Moes und Fleschkas eine neue Perspektive, bei der Männer freilich außen vor bleiben.


Wet Sand Schweiz / Georgien 2021 Regie: Elene Naveriani mit: Bebe Sesitashvili, Gia Agumava, Megi Kobaladze, Giorgi Tsereteli, Eka Chavleishvili, Zaal Goguadze, Kakha Kobaladze Länge: 115 min.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen


Trailer zu "Wet Sand"


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