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Rietland

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • vor 5 Stunden
  • 3 Min. Lesezeit
"Rietland": Fesselnder Mix aus Thriller und Drama um einen alten niederländischen Schilfbauern
"Rietland": Fesselnder Mix aus Thriller und Drama um einen alten niederländischen Schilfbauern

Ein alter Bauer entdeckt in seinem im Norden der Niederlande gelegenen Schilffeld die Leiche einer jungen Frau. Die Ermittlungen der Polizei spielen in Sven Bressers fesselndem Mix aus Thriller und psychologischem Drama aber kaum eine Rolle, vielmehr baut der Niederländer durch brillante Bildsprache und Sounddesign durchgängig eine latente, aber nie wirklich greifbare Stimmung der Bedrohung und Verunsicherung auf.


In einer Totale erfasst die Kamera von Sam du Pon in dem auf körnigem 16mm-Film gedrehten Spielfilmdebüt von Sven Bresser ein gelbbräunliches Schilffeld vor grauem Himmel. Von der Totalen springt die Kamera in eine Nahaufnahme des Schilfs, das sich mit Rauschen im Wind biegt. Mehrfach kehrt Bresser bei unterschiedlichem Wetter und Tageszeiten zu diesem Bild zurück und evoziert dabei auch durch das Sounddesign das Gefühl von etwas Bedrohlichem hinter der sichtbaren Oberfläche. Gerade dadurch, dass diese Bedrohung aber nie wirklich konkretisiert wird, entwickelt "Rietland" seine Intensität und eine Verunsicherung.


In dieser sumpfigen Gegend schneidet der alte Bauer Johan (Gerrit Knobbe) Schilf, das dann für den Bau traditioneller Reetdächer verkauft wird. Genau schildert Bresser, der selbst in dieser Gegend aufgewachsen ist, mit quasidokumentarischem Blick diese traditionelle Arbeit, die vom Aussterben bedroht ist, gibt es doch in billigerem Schilf aus China starke Konkurrenz. Die Landschaft ist hier nicht Kulisse, sondern aus ihr heraus wird die Handlung entwickelt.  


Wenn auf das Schneiden des Schilfs das Verbrennen der Abfälle folgt, verschwindet nicht nur die Sonne im Rauch, sondern auch Johan scheint sich im Qualm fast aufzulösen. Lange fällt hier kein Wort und auch Musik wird nur sehr reduziert eingesetzt, umso stärker wirken dafür Natur- und Alltagsgeräusche.


Eine zusätzliche Aufgabe bekommt der verwitwete Mann, als seine Tochter ihre etwa achtjährige Tochter Dana auf den Hof zur Betreuung bringt. Offen bleibt, wieso das Mädchen ihm übergeben wird, ob die Mutter alleinerziehend ist und was mit dem Vater des Kindes ist.


Dazu kommt, dass Johan bald im Schilffeld die Leiche einer jungen Frau findet. Die Polizei sichert zwar den Tatort und befragt Johan zum Fund der Leiche, doch die Ermittlungen bleiben weitgehend im Hintergrund.


Fremdenfeindlichkeit wird dafür sichtbar, wenn ein Mann aus dem offensichtlich verhassten Nachbarsdorf als Verdächtiger verhaftet wird, gleichzeitig bietet eine Sitzung mit Politikern ebenso wie der Versuch Johans sein Schilf zu verkaufen Einblick in die ökonomischen Probleme sowie in Gesetze und Regulierungen, die die Situation der Bauern zunehmend erschweren. Doch auch diese Aspekte entwickelt Bresser in seinem langsam, aber konzentriert erzählten Film bewusst nicht weiter, sondern lässt sie im Unter- und Hintergrund gären.


Als nachts ein Motorradfahrer in der Nähe von Johans Hof seine Kreise zieht, beginnt er selbst Nachforschungen zum Mord anzustellen. Als er seine Entdeckungen der Polizei meldet, fordert diese ihn auf, nicht Detektiv zu spielen, sondern den Behörden diese Arbeit zu überlassen.


Zunehmend stellen sich für Johan – und die Zuschauer:innen – bei Autofahrten aber immer wieder intensive Momente der Bedrohung ein, wenn ein mächtiger Traktor mit lautem Dröhnen seinen kleinen Wagen passiert oder wenn der Traktor ihm auf der schmalen Landstraße entgegenkommt oder ganz knapp auf seinen Wagen auffährt.


Aber auch ein schwarzes Öl- oder Teerloch im gelbbraunen Schilfgürtel, eine Waschmaschine, die durch wildes Wackeln aus der Verankerung gerissen wird, sowie ein zunehmend heftig prasselnder Regen während einer gleichzeitig immer schnelleren Autofahrt sorgen für Momente der Verunsicherung und Bedrohung.


Einsamkeit wird greifbar, wenn Johan nachts am Computer einen Sexkontakt herstellt und sich selbst befriedigt, aber auch Entfremdung und Kommunikationslosigkeit, wenn bei den langen Autofahrten kaum ein Wort gesprochen wird.


Aber auch eine traumatische Kindheitserfahrung, von der Johan seiner Enkelin als Gute-Nacht-Geschichte erzählt, sowie eine Kindertheateraufführung, die um einen Fluch und die Rache einer Meerjungfrau kreist, verdichten das ebenso beklemmende wie faszinierende Bild des Mysteriösen und Bedrohlichen.


Getragen wird "Rietland" dabei von einem ebenso zurückhaltend wie intensiv spielenden Gerrit Knobbe, der im realen Leben selbst Schilfbauer ist. Sein Johan ist in jeder Szene präsent. Der Selbstverständlichkeit seiner Handgriffe merkt man die Beherrschung seines Metiers an und auch sein vom Wetter gegerbtes Gesicht und die von der Arbeit zerschundenen Händen verleihen dieser Figur Authentizität.


Immer wieder wird man mit einer unruhigen Handkamera, die ihm im Rücken folgt, direkt in die Perspektive dieses alten Bauern versetzt. Gegenpol dazu bilden die Totalen der flachen Landschaft, über der meist dunkle Wolken hängen. Sie sorgen nicht nur für einen objektiven Blick, sondern auch für eine dichte Atmosphäre.


Bis zum Ende zieht Bresser in seinem fesselnden Mix aus Thriller und psychologischen Drama das Spiel mit Andeutungen durch und verzichtet auf Erklärungen. So lösen sich auch die Beunruhigung und Verstörung nicht auf, sondern wirken nach, denn die Zuschauer:innen müssen selbst Erklärungen suchen oder sich mit deren Fehlen abfinden.


 

Rietland

Niederlande / Belgien 2025

Regie: Sven Bresser

mit: Gerrit Knobbe, Loïs Reinders, Mirthe Labree, Dirk Braad, Anna Loeffen, Vincent Linthorst

Länge: 112 min.



Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan.



Trailer zu "Rietland"



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